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Deutsch sein macht wieder Spaß

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Deutsch sein macht wieder Spaß

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Georg Diez, Autor der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, bewegte sich für seine Verhältnisse bereits jenseits der Ekelgrenze. Während der Vertreter der „Generation Golf“ (Florian Illies) im Fernsehen eigentlich gemütlich Olympia schauen wollte, zappte er rüber zum Musikkanal MTV und traute seinen Augen nicht. Vor ebendiesen flimmert das Musikvideo zum Hit „Wir sind wir“ von Peter Heppner und Paul van Dyk (JF 31-32/04). „Grundmomente der deutschen Trauermentalität“ wähnt der staunende Diez in dem Stück, welches laut Heppner – für Diez ein Kriegsberichterstatter mit Dreißiger-Jahre-Gesicht – als positive Reaktion auf den Film „Das Wunder von Bern“ entstanden ist. Bis vor kurzer Zeit schien die kleine heile Welt der Popkultur in Deutschland noch in Ordnung. Gesungen wurde über alles mögliche, nur nicht über die Heimat, Deutschland, die Nation. Dies überließ man entweder grölenden Rechtsrockern oder der volkstümlichen Hitparade. Wenn es überhaupt mal thematisiert wurde, dann in völliger Ablehnung wie die Punkgruppe Slime, die mit „Deutschland muß sterben, damit wir leben können“ zu provozieren versuchte. Oder man näherte sich der Nation ironisch und ergoß sich in Zynismus, wie es die Prinzen in ihrem Lied „Deutsch“ taten: „Wir sind besonders gut in auf die Fresse haun / Auch im Feuerregen kann man uns vertrauen / Wir stehen auf Ordnung und Sauberkeit / Wir sind jederzeit für’n Krieg bereit / Schönen Gruß an die Welt, seht es endlich ein / Wir können stolz auf Deutschland sein.“ Feuilletonisten wie der 1969 geborene Diez fühlten sich wohl in einer schwiemeligen Popkultur der Nullaussage. Nun wird die Stromlinienförmigkeit der „Generation Golf“ plötzlich durch etwas Simples durchbrochen, das positive Bekenntnis zur eigenen Nation. „Ich bekomme von so etwas Bauchweh“, spricht Diez stellvertretend für eine ganze Zunft unsicherer Beobachter eines wahrlich neuen Phänomens: Junge Künstler entdecken „ihr“ Deutschland – ob in der Musik oder gar der Modebranche. Wenn die Berliner Gruppe Mia mit ihrem Lied „Was es ist“ die Nation besingt, dann klingt das nicht ironisch, sondern einfach nur ehrlich. Das reicht zuweilen für heftigen Gegenwind. Die autonome Antifa und gewaltbereite Linksextremisten entdeckten das Stören oder gar Verhindern von Mia-Konzerten als neue Aufgabe. Die Modedesignerin Eva Gronbach hat ebenfalls Deutschland für sich entdeckt und entwirft Abendkleider und Herrenpullover in Schwarz-Rot-Gold. Kritiker sehen hierin mittlerweile eine geschlossene Entwicklung, sprechen gar von einem kulturellen Trend. Entdeckt der junge, unverbrauchte deutsche Künstlernachwuchs seine Heimat wieder? Hochglanzmagazine wie Deutsch bestätigen diese Annahme und präsentieren ein frisches und unverbrauchtes Heimatbild jenseits des volkstümlichen Klischees. Das Modemagazin Achtung präsentierte auf mehreren Seiten schmissige Mitglieder einer schlagenden Freiburger Studentenverbindung. Mit Alarmismus reagieren vor allem die linken Medien und ziehen ihre Allzweckwaffe, die Holocaust-Keule, wie es beispielsweise die tageszeitung in ihrer van Dyk/Heppner-Kritik tat. Im ganzen Lied sei nicht davon die Rede, daß man doch „den Zweiten Weltkrieg entfesselt“ habe und sechs Millionen europäische Juden ermordet wurden. Kunst, die sich mit der Nation befaßt, ohne auf die herkömmlichen Bewältigungsfloskeln zurückzugreifen, scheint für die einst alternative taz problematischer zu sein als die Würdigung des Rothenburger Kannibalenmordes durch die Rockgruppe Rammstein, das derzeit erfolgreichste deutsche Kultur-Exportgut in den USA. „Sein Land lieben – darf man das überhaupt?“ Das ist geradezu die Gretchenfrage, die sich Gottfried Küenzlen vom Deutschlandradio stellt. Eine Frage, die wahrlich „nur in Deutschland möglich“ ist, erläutert er weiter. „Offenheit gegenüber anderen Völkern und Liebe zum eigenen Land gehören zusammen“, gibt er sich selbst die Antwort. Interessant sind daher vor allem die Motive, aus denen die jungen Künstler den regelrecht kultivierten Ekel vor dem Vaterland über Bord werfen. Einen wichtigen Impuls hierfür lieferte Deutschlands Verweigerungshaltung in der Frage einer Beteiligung am Irak-Krieg. Mia-Produzent Nhoah bringt es auf den Punkt: „Dann kam der Irak-Krieg. Ich in Buenos Aires und stand als Deutscher mit einem Mal für den Frieden. Ein völlig neues Gefühl! Taxifahrer hoben die Daumen. Menschen schüttelten mir die Hände und bestärkten mich. Contra la guerra. Was offensichtlich das Schönste an diesem Krieg ist: daß man endlich wieder ungehemmt für Deutschland sein darf.“ Pazifismus als nationale Klammer – das ist wahrlich zu ungewohnt für die eingefahrene Kulturschickeria von FAZ bis taz. Brisant an der Entwicklung scheint vor allem der Umstand, daß die Künstler keine Exoten und Randexistenzen sind, sondern erfolgreiche Kultur-Profis. Van Dyk ist in Rio de Janeiro und Tokio bekannt, Heppners Gruppe Wolfsheim füllt problemlos große Konzerthallen, Gronbach erhält für ihre Kollektionen Auszeichnungen und Preise, und Mia wird auf dem Musikkanal Viva hoch und runter gespielt. Ob aus den Ansätzen von Heppner, Mia oder Gronbach tatsächlich ein Trend werden wird, ist schwer zu sagen. Einer der es wissen müßte, ist Matthias Horx, bekannter Trendforscher und Buchautor, sozusagen ein Seismograph für künftige Entwicklungen. Horx kann die Rückbesinnung auf die Nation gegenüber der JUNGEN FREIHEIT jedenfalls nicht bestätigen – er habe sich bislang nicht einmal ernstlich damit befaßt. „Eine solche Entwicklung ist völlig natürlich“, bestätigt hingegen Ulrich Beer, Psychologe und über dreißig Jahre lang Kommentator der ZDF-Sendung „Ehen vor Gericht“. In Zeiten ungehemmter Globalisierung sehne man sich nach einer „stabilen Einheit“. Diese Sehnsucht erfülle nun mal die Heimat, die Nation – egal, ob es den Feuilletonisten paßt oder nicht. Foto: Deutsche Olympiabummlerin: Kommt der jugendliche Trend des Bekenntnisses zum Vaterland?

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