Tips für gute Vorsätze, bereits die ersten Enttäuschungen und ein Blick in die Zukunft: kaum ein Leser, der dieser Tage dem reichhaltigen Angebot der Tageszeitungen und Illustrierten widerstehen kann, zumindest zum Beginn des neuen Jahres einen Blick auf die vielfältigen Horoskope zu werfen: Was hält die Zukunft für einen bereit, was sagen die Sterne über das, was einen selbst und die Liebsten in den kommenden zwölf Monaten erwarten wird?
Fünf Sternzeichen können 2023 von den astrologischen Konstellationen besonders profitieren, „so daß ihnen ein wahres Glücksjahr bevorsteht“, lockt beispielsweise die Redaktion der Freundin. Und im Hamburger Stern gesteht die aus dem russischen Leningrad stammende deutsche Moderatorin Palina Rojinski, daß sie „entspannter und gefaßter ist, mehr Kapazität für die wirklich wichtigen Dinge habe, wenn ich Bescheid weiß, wie die Sterne gerade wirken“.
Auch wenn Astrophysiker Jakob Staude vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie wissenschaftlich nachweisen kann, daß es keine mystische Energie gibt, die von Planeten oder Sternen herrührt und nur Gravitation und elektromagnetische Strahlung eine weitreichende Wirkung haben, die aber „nie und nimmer die von der Astrologie behaupteten Effekte auslösen können“, hält es die Hälfte der Deutschen für durchaus möglich, daß die Sterne Macht über sie haben. Daß sich Mondenergien und Planetenbewegungen auf Wohlbefinden, Ausstrahlung, Stimmung und innere Kraft auswirken. Jeder zehnte ist Umfragen zufolge davon sogar überzeugt. Frauen interessieren sich dabei mehr für Horoskope als Männer, aber auch von denen glaubt jeder dritte irgendwie daran, daß Energien aus dem Universum auf komplizierte, aber berechenbare Weise das Leben jedes einzelnen Menschen mitgestalten.
Astrologie und Astronomie trennten sich
Auch wenn Astrologie heute als Pseudowissenschaft abgetan wird, jahrhundertelang galt die Deutung von Zusammenhängen zwischen astronomischen Ereignissen und irdischen Ereignissen als hochrespektabel. Erst im 17. Jahrhundert begannen sich Astronomie und Astrologie stärker zu trennen. Erstere entwickelte sich mit ihrer deutungsfreien Beobachtung und mathematischen Erfassung des Weltalls zur ernsthaften Wissenschaft, während die Astrologie zunehmend als Hokuspokus galt und sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder steigender Beliebtheit erfreute, insbesondere in Krisenzeiten.
Zu erfahren, was einen in Sachen Liebe, Gesundheit, Karriere oder Glück erwartet, bleibt unverändert faszinierend, auch wenn klar sein dürfte, daß beispielweise ausschließlich auf den Sonnenzeichen beruhende Zeitungshoroskope keine spezifischen Prognosen enthalten können. Schließlich beziehen sie sich auf die zwölf Tierkreiszeichen, die vor rund 2.500 Jahren in Babylonien erfunden wurden. Spannender wird es, wenn der Aszendent, also der zu einem bestimmten Zeitpunkt am Horizont aufsteigende Ekliptik-Punkt, als besonders wichtiger und individueller Wirkpunkt im Horoskop betrachtet wird.
Immer nur ein Angebot, keine Aufforderung
Als Astrologe darf sich in Deutschland jeder bezeichnen. Aktuell erwirtschaften rund 13.000 Astrologen hierzulande einen Umsatz von 800 Millionen Euro. Darunter befinden sich auch schwarze Schafe, weswegen der Deutsche Astrologen-Verband (DAV), der offen für alle astrologisch interessierten Menschen ist und laut Eigenwerbung die größte schulübergreifende Astrologen-Vereinigung im deutschsprachigen Raum darstellt, erst nach entsprechender Prüfung den Titel „Geprüfter Astrologe DAV“ verleiht, als garantierten Nachweis, daß die Person das Handwerkszeug der Astrologie beherrscht und Beratungen verantwortungsvoll durchführen kann. „Ein gutes Horoskop sagt dir nie, was du machen sollst, sondern was du machen kannst“, rät Hobby-Astrologin Rojinski: „Es ist ein Angebot.“
An die Macht der Sterne glaubte auch Verleger Axel Springer, der sich vor seiner Reise zum damaligen sowjetischen Herrscher Chruschtschow, dem er seinen Friedensplan für Deutschland zur Genehmigung vorlegen wollte, aufs genaueste ein Horoskop über den richtigen Zeitpunkt erstellen ließ, um kurz vor dem Treffen zu erfahren, daß die deutschen Astrologen den Zeitunterschied zwischen Moskau und Berlin nicht beachtet hatten. So stand die Begegnung dann auch unter keinem günstigen Stern. Der Sowjetdiktator ließ den deutschen Medienzaren links liegen. Dieser führte fortan einen Propagandakrieg gegen die Sowjetunion und ihren ostdeutschen Ableger, das Gänsefüßchenland DDR.
Der nächste DAV-Kongreß findet übrigens vom 6. bis 8. Oktober in Bonn statt unter dem Motto „Freiheit.Macht.Zukunft. Perspektiven unter Pluto in Wassermann“. Dabei will man das tun, was Springers Astrologen seinerzeit versäumt haben: ganz besonders auf die Zeitqualität schauen.