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Filmkritik: Die zwei Amerikas

Filmkritik: Die zwei Amerikas

Filmkritik: Die zwei Amerikas

Drei Männer stehen im Schneetreiben in Amerika an einem Schießstand.
Drei Männer stehen im Schneetreiben in Amerika an einem Schießstand.
In „Rache auf Texanisch“ erlebt ein New Yorker im Süden von Amerika einen Kulturschock Foto: Universal Pictures
Filmkritik
 

Die zwei Amerikas

„Rache auf Texanisch“ setzt die politisch-kulturelle Spaltung der USA in symbolbeladene Bilder als Kinofilm um und persifliert gekonnt die verfeindeten Lager. Ein New Yorker reist wegen eines Todesfalls nach Texas und trifft auf die Einheimischen. Eine Filmkritik.
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Inzwischen reden einige schon von zwei Amerikas, dem roten und dem blauen. Die Roten, das ist die ethnisch relativ homogene weiße, konservativ tickende Bevölkerung der USA, die vor allem in ländlichen Regionen die Mehrheit bildet. Die Blauen, das sind die transnationalen Kosmopoliten, denen Diversität, Entgrenzung und eine eher linke Weltanschauung in die DNS eingeschrieben sind. Sie tummeln sich vor allem in urbanen Milieus.

Rot ist in den Vereinigten Staaten die Farbe der Republikaner, blau die der Demokraten. Man nennt das mit einem immens populär gewordenen und populistisch ausgebeuteten Begriff auch Spaltung der Gesellschaft. Samuel P. Huntington (1927-2008), der legendäre Harvard-Politologe, hat selbige schon vor 20 Jahren kommen sehen.

„Healing“, also Heilung von dem, was trennt, brauche Amerika, so ist in der Vergangenheit aus beiden Lagern häufig zu hören gewesen. Auch Präsident Joe Biden hat die Vokabel schon benutzt. Die Frage ist nur, wie das gehen soll.

Film zeigt Amerika jenseits der urbanen Welt

Mit „Vengeance“, so heißt diese US-Produktion im Original, hat Autor, Regisseur und Hauptdarsteller B. J. Novak gleichsam den Film zur Spaltung vorgelegt. Und da der Texaner dem Klischee vom schießwütigen, Rodeo reitenden und natürlich weißen Republikaner am ehesten entspricht, hat der Regisseur seinen Film in Texas angesiedelt (allerdings in New Mexico gedreht).

Dorthin verschlägt es, nach einem leider etwas lahmen Beginn, den Journalisten Ben Manalowitz (B. J. Novak), New Yorker und in der Ostküstenmetropole tätig für das gleichnamige Magazin. Er wurde nachts von Ty Shaw (Boyd Holbrook) aus dem Bett geklingelt, um eine Hiobsbotschaft zu empfangen: „Das hier ist wahrscheinlich der schlimmste Anruf deines Lebens“, lauten Tys erste Worte, ehe er die Katze aus dem Sack läßt: Bens Freundin Abilene, Tys Schwester, sei an einer Überdosis gestorben.

Doch für den ehrgeizigen Yuppie, der über die einschlägigen Internet-Portale Liebesabenteuer sammelt wie andere Panini-Bilder, war Abilene nur ein flüchtiger Flirt. Für diese Vorstellung reicht Tys Fantasie nicht aus. Er betrachtet Ben als hinterbliebenen Quasi-Verlobten und erwartet ihn zur Beisetzung. Der Reporter macht aus der Not eine Tugend. Sieht er sich doch schon länger nicht nur als Schreiber, sondern als Stimme Amerikas. Er schlägt also der Podcast-Produzentin Eloise (Issa Rae) eine Exklusiv-Reportage aus dem Jenseits vor, aus dem Amerika jenseits der urbanen Konsenskultur, aus dem dunklen Reich der Mythen und Verschwörungstheorien: der texanischen Provinz. Dort nämlich ist Abilenes Familie zu Hause. Dort wurde, im Schatten von Ölförderanlagen, auch Abilenes Leiche gefunden.

In Texas ticken die Uhren anders

Auf der Fahrt vom Flughafen in die texanische Einöde macht Abilenes Bruder den Gast aus New York auch gleich mit der ersten Verschwörungstheorie vertraut: Abilene wurde ermordet! Auf die Frage, ob das dann kein Fall für die Polizei sei, antwortet Ty: „In Texas wählen wir nicht 110!“ und kann selbstbewußt auf gleich mehrere Gewehre verweisen, die hinter ihm im Wagen hängen. Er möchte das Problem auf eigene Faust lösen und zählt auf Bens Mithilfe.

Von „culture clash“ spricht der Fachmann, wenn zwei Kulturen aufeinandertreffen, die nicht adhoc miteinander harmonieren, und daraus Konflikte resultieren – ein dankbares Filmthema. Komödien wie „My Big Fat Greek Wedding“ (2002) oder „Almanya – Willkommen in Deutschland“ (2011) haben daraus bereits erfolgreich Kapital geschlagen. In B. J. Novaks Film ist es nun so weit, daß nicht mehr die sogenannten Menschen mit Migrationshintergrund die beargwöhnten Fremdkörper sind, sondern die autochthone Bevölkerung.

Die Familie Shaw, die den Gast mit offenen Armen aufnimmt, entspricht in seiner satirisch überzeichneten Darstellung idealtypisch dem Klischee des stockkonservativen, traditionsverbundenen Trump-Wählers. In der Küche an der Wand prangen Dutzende von patriotischen und christlichen Symbolen: US-Flaggen, „Faith“-Schilder, Kreuze.

Was sind Mythen?

Doch wer nun damit rechnet, daß sich „Rache auf Texanisch“ als filmische Abrechnung des „erwachten“ Amerika mit den Hinterwäldlern vom rechten Rand entpuppt, sieht sich getäuscht. Der Hedonist aus New York hält den mythenanfälligen Shaws zwar auf dem Höhepunkt der Handlung eine saftige Moralpredigt. Aber er kann sich nur so lange für den besseren Amerikaner halten, bis ihm die eigenen Lebenslügen, die Leere und Wurzellosigkeit der eigenen Existenz schmerzlich vor Augen geführt werden. Und sind nicht Mythen im Grunde nur „Wahrheiten ohne Fakten“?

B. J. Novak ergreift nicht Partei. Statt zu predigen, demaskiert er die falschen Propheten beider Lager und gönnt am Ende den Rechten einen furiosen Triumph. Er könnte damit tatsächlich einen Beitrag zur Versöhnung der beiden verfeindeten Lager geleistet haben. Sehenswert.

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Filmstart von „Rache auf Texanisch“ ist der 19. Januar. 

In „Rache auf Texanisch“ erlebt ein New Yorker im Süden von Amerika einen Kulturschock Foto: Universal Pictures
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