KIEL. Die Affäre um die von mehreren NDR-Reportern beklagte Regierungsnähe ihres Senders hat nun doch Konsequenzen. Wegen der massiven Vorwürfe aus den eigenen Reihen sind jetzt der Chefredakteur des NDR für Schleswig-Holstein und die dortige Politik-Chefin zurückgetreten.
Der Direktor des Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, Volker Thormählen, teilte gestern Abend mit: „Norbert Lorentzen und Julia Stein haben mich am heutigen Nachmittag gebeten, sie bis auf Weiteres von ihren bisherigen Aufgaben im Landesfunkhaus Schleswig-Holstein zu entbinden. Ich habe ihrem Wunsch entsprochen und mich bei ihnen für diesen Schritt bedankt.“ Gleichzeitig erinnerte Thormählen an die Unschuldsvermutung. Die Anwürfe seien nicht belegt.
Beiträge „massiv verändert“
Der unabhängige Landesrundfunkrat hatte die Vorwürfe als „glaubwürdig“ eingestuft. Zuletzt forderten Redakteure in einem Brief an den Landesfunkhausdirektor eine lückenlose Aufklärung. Es gehe um die Reputation des Senders.
Hintergrund: Neun NDR-Reporter hatten sich indirekt, wie das Magazin Business Insider enthüllte, beim Redaktionsausschuß über Zensur durch die Sendeleitung in Kiel beschwert. Es gebe einen „politischen Filter“, und Führungskräfte agierten wie „Pressesprecher der Ministerien“. Sich wie ein Regierungssender zu gebärden, fand auch in diesen Sätzen des Gremiums Ausdruck: „Es werde teilweise nicht vom Ministerpräsidenten Daniel Günther oder seinem Stellvertreter Heiner Garg, sondern von ‚Daniel‘ oder ‚Heiner‘ gesprochen.“
Beiträge beim NDR würden, so die Vorwürfe, „massiv verändert“ – offenbar vor allem zugunsten der vom CDU-Linken Daniel Günther angeführten Landesregierung. Aktuell koaliert er mit den Grünen, obwohl rechnerisch auch ein Bündnis mit der FDP möglich gewesen wäre. Kritische Berichterstattung über den Regierungschef und sein Kabinett sei „verhindert“ worden.
Nachfolger der zurückgetretenen NDR-Funktionäre Lorentzen und Stein werden die Vize-Direktorin Bettina Freitag und Redakteur Andreas Schmidt aus dem Bereich „Politik und Recherche“. (fh)