Der für seine Doping-Recherchen im internationalen Sport bekannte WDR-Mitarbeiter Hajo Seppelt hat in Köln eine russische TV-Journalistin und ihren Kameramann tätlich angegriffen und beleidigt. Das Video des Moskauer Senders Rossija, der den Vorfall öffentlich gemacht hat, sorgt seitdem für Schlagzeilen in Russland und hohe Klickzahlen im Internet.
Dem Vorfall vorausgegangen war die Ausstrahlung von Seppelts Doku „Geheimsache Doping – Showdown für Rußland“ sowie sein Auftritt in der Talkshow Maischberger am Mittwochabend in der ARD. Es war der zweite Teil einer groß angelegten ARD-Dokumentation, in der Rußland des massenhaften Sportlerdopings beschuldigt wird. 2014 hatten Seppelts Recherchen bewirkt, daß die russischen Leichtathleten international gesperrt wurden und ihnen der Ausschluß von den Sommerspielen in Rio droht.
In dem jetzt gesendeten Film hieß es unter anderem, der russische Sportminister Witali Mutko habe die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA unter Druck gesetzt und sei persönlich in die Vertuschung von Dopingfällen verwickelt. Seine Sicht der Dinge brachte der Enthüller bei Maischberger auf den Punkt: „Die russischen Leichtathleten haben es nicht verdient, an den Spielen teilzunehmen.“
Westlich-russischer Informationskrieg
Der Nachrichtensender Rossija entsandte daraufhin ein Fernsehteam mit der Politik-Journalistin Olga Skabejewa nach Köln, um Hajo Seppelt zu seinen Thesen zu befragen. Aus russischer Sicht kommen die neuen Anschuldigungen zur Unzeit: Mitte Juni entscheidet der internationale Leichtathletikverband IAAF, ob die gesperrten russischen Athleten bei der bevorstehenden Olympiade in Rio de Janeiro teilnehmen dürfen. Beobachtern zufolge stehen die Chancen dafür schlecht. In Rußland selbst hat derweil die Vehemenz der Vorwürfe aus dem Westen bewirkt, daß ein Teil der Öffentlichkeit darin vor allem eine Waffe im westlich-russischen Informationskrieg hält.
In der Tat muß man nach dem Interview mit der russischen Journalistin vermuten, daß den Enthüllungsjournalisten mehr umtreibt als lediglich das Interesse an sachlicher Aufklärung. Dabei schien das auf Englisch geführte Gespräch in den ersten Minuten noch im üblichen Rahmen abgelaufen zu sein. Das ändert sich, als Skabejewa ihn auffordert, Belege für seine Behauptungen vorzulegen.
Seppelt: „Ich habe sie jetzt nicht mit.“ Skabejewa erklärt: „Das ist sehr wichtig für uns, Sie müssen das verstehen. Womöglich werden wir nicht zu den Olympischen Spielen fahren.“ Der ARD-Mann reagiert verständnislos: „Sie haben doch mit den Athleten nichts zu tun. Oder sind Sie ein Freund der Athleten?“ Skabejewa antwortet, sie sei nun einmal ihrem Lande freundschaftlich verbunden.
„Sie sind dumm“
„Sie sind dumm“, wirft er ihr daraufhin an den Kopf und weiter: „Ihr russischen Journalisten seid stolz auf euer Land – seid ihr dumm? Ihr dürft nicht stolz auf Euer Land sein, ihr müßt konsequent sein.“ Wenig später fragt Skabejewa, ob er für seine Filme Geld genommen habe. Seppelt weist das brüsk von sich und sagt, er sei kein Agent, sondern ein Enthüllungsjournalist.
Irgendwann eskaliert die Situation. Seppelt wirft der Russin vor, sich mit ihrem Patriotismus als Journalistin zu diskreditieren. Als sie die Zweifel an seinen Behauptungen wiederholt und erneut Beweise verlangt, zeigt die Kamera beide, Seppelt und Skabejewa, in der Tür des Hotelzimmers. Erregt ruft er auf Englisch: „Raus! Ich beantworte keine dummen Fragen. Ihr steckt alle tief in der Korruption, das ist euer Problem.“ Dann entreißt er der Reporterin die Schutzhülle ihres Mikrofons; das Stativ stellt er abrupt in den Korridor.
Im Treppenhaus geht die Auseinandersetzung weiter. Skabejewa will in das Zimmer zurückkehren, um ihre Handtasche zu holen. „Wenn du noch einmal hier drehst, dann …“, schreit Seppelt jetzt auf Deutsch, „verschwinde hier!“ Und gleich nochmal auf Russisch und Englisch: „Uiti! Finish!“
„Vielleicht nicht die feine Art“
Er folgt den Russen die Treppe hinunter, schlägt offensichtlich nach dem Kameramann oder der Kamera, Skabejewa stößt einen Schreckensschrei aus, dann zeigt das Video die beiden auf der Straße. Während sie weiterhin die Schutzhülle ihres Mikrofons zurückverlangt, ruft Seppelt die Polizei an. Beide behaupten erregt, vom jeweils anderen verfolgt zu werden.
In einer Stellungnahme gegenüber FAZ Online meinte Seppelt, „nach fünfzehn, zwanzig Minuten“ seien die Fragen der russischen Reporterin „immer eigentümlicher und zu Beschuldigungen“ geworden. Offensichtlich sei es darum gegangen, seine Arbeit zu diskreditieren: „Daß mir der Kragen geplatzt ist, nachdem ich eine halbe Stunde vergeblich darum gebeten habe, das Hotelappartement zu verlassen, war vielleicht nicht die feine Art, aber menschlich vielleicht nachvollziehbar.“ Der WDR gab bekannt, man prüfe juristische Schritte gegen Rossija TV.
Die Verwendung, Verbreitung oder Ausstrahlung des Videomaterials habe man dem russischen Sender verboten. Möglicherweise müßten die russischen Journalisten sich auch wegen Hausfriedensbruchs verantworten. Im russischen TV wird Seppelts Ausrasten als Beleg dafür gewertet, daß der Journalist von einer persönlichen Vendetta gegen die Kremlelite getrieben sei. Verschiedene Zusammenschnitte des Interview-Videos sind weiterhin im russischen Internet abrufbar.