BERLIN. Der Publizist und Journalist Henryk M. Broder hat dem WDR vorgeworfen, sich von Parteien beeinflussen zu lassen. Konkret geht es um einen Vorfall kurz vor Beginn der Diskussionsrunde „Hart aber fair“, zu der Broder als Gast geladen war und die am Montag ausgestrahlt wurde.
Unter dem Thema „Die Euro-Klatsche“ sollte der Frage nachgegangen werden, ob „EU-Gegner vor dem Triumpf“ stünden. Broder hatte am Nachmittag einen Artikel auf Welt-Online veröffentlicht, in dem es darum ging, daß der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Martin Schulz, als EU-Parlamentspräsident Tagesgelder kassierte, auch wenn er sich gar nicht in Brüssel aufhielt.
Etwa eine halbe Stunde vor Sendungsbeginn bat „Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg Broder in seine Garderobe und teilte diesem mit, er habe dessen Artikel über Schulz gelesen und fragte, ob Broder das Thema auch in der Sendung ansprechen wolle. Broder bejahte dies.
„Plasberg schien erleichtert“
Auf Welt-Online schildert der Journalist den Vorgang wie folgt. Plasberg habe daraufhin zu einer längeren Erklärung angesetzt: „Es sei ihm unangenehm, aber er möchte mich bitten, diese Sache nicht anzusprechen. Es habe bereits im Vorfeld der Sendung Ärger mit der SPD gegeben, die sich darüber beschwert habe, daß kein Vertreter der SPD eingeladen worden sei. Da nun kein SPD-Mann und keine SPD-Frau in der Runde säße, wäre es nicht fair, über Schulz zu reden, ohne daß ihm ein Parteifreund beistehen könnte.“
Zudem ginge es ihm auch darum, zu verhindern, daß sich die NPD in die Sendung einklage. Dies habe sie nämlich bereits schon einmal versucht. Broder ließ sich darauf ein und versprach, das Thema nicht anzusprechen. „Ich kam mir vor, als hätte ich eine fette Kröte verschluckt, Plasberg dagegen schien erleichtert.“
Was da in „einem bunkerartigen Raum des WDR“ wirklich geschehen war, schreibt Broder, sei ihm jedoch erst später wirklich bewußt geworden. „Aus Angst, Ärger mit einer politischen Partei zu riskieren, die offenbar der Ansicht ist, einen Abo-Platz in einer Talk-Runde zu haben, sollte ein Skandal beschwiegen werden.“
Plasberg rechtfertig Vorgehen
Der Vorgang habe ihn in der Annahme bestätigt, daß Talk-Runden nach einem Proporzschlüssel besetzt würden. „Deswegen sieht man auch immer wieder dieselben Gesichter und hört die gleichen Sätze von Leuten, die in ihrer Meinungsbildung so frei sind wie die Moderatoren und Moderatorinnen, die einen Knopf im Ohr haben, über den sie aus der Regie ferngesteuert werden.“
Plasberg wies auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT den Vorwurf der Beeinflussung zurück: „Angst vor der SPD? Nein, aber die Befürchtung, daß es in der Sendung zu einer Situation kommt, die journalistisch grob unfair gewesen wäre“, teilte der Moderator mit.
Broder habe ihn am frühen Abend des Sendungstages auf seinen Artikel bei Welt Online hingewiesen. Für die Redaktion seien die Behauptungen Broders – so kurz vor der Sendung und nach Büroschluß der betroffenen Institutionen – nicht nachzurecherchieren gewesen.
Gebot der journalistischen Sorgfalt
Dies wäre aber nach den Geboten der journalistischen Sorgfalt zwingend notwendig gewesen. „Natürlich kann in einer Live-Sendung jemand alles behaupten, wenn er das aber vorher ankündigt, sind wir sogar in der Pflicht (juristisch und journalistisch), den Wahrheitsgehalt zu überprüfen“, rechtfertiget Plasberg den Vorgang.
Da zudem kein Vertreter der SPD zu der Gesprächsrunde eingeladen gewesen sei, wäre nach Ansicht der Redaktion mit großer Wahrscheinlichkeit niemand in der Lage gewesen, sich inhaltlich mit den Vorwürfen gegen Martin Schulz zum Thema Tagegeld auseinanderzusetzen.
„Deswegen und aus keinem anderen Grund habe ich Herrn Broder gefragt, ob er in dieser Situation darauf verzichten könne, eine Geschichte aufzukochen, die zwar einen expliziten Vorwurf enthält, die aber weder von uns journalistisch einzuordnen noch von einem SPD-Vertreter politisch zu verteidigen war“, unterstrich Plasberg. Broder habe dafür Verständnis signalisiert, hätte aber während der Live-Sendung jede Gelegenheit gehabt, die Geschichte trotzdem anzusprechen.
Journalistischer Alltag in Zeiten des Wahlkampfs
Was er Broder darüber hinaus in einem Nebensatz über Reaktionen der SPD gesagt habe, entspreche dem journalistischen Alltag in Zeiten des Wahlkampfs und habe mit seiner Bitte an Broder nichts zu tun gehabt.
Im Internet dagegen wird der Fall rege diskutiert. Viele Kommentatoren beklagen, daß sie für solche beeinflußten Sendungen auch noch Rundfunkbeiträge zahlen müssen. Und auch die Kritik an Martin Schulz wächst. Schulze „predige Wasser“ und „saufe Wein“, schrieb beispielsweise ein Kommentator im Forum von Welt Online. Eine Facebook-Seite, die den Rücktritt Schulz’ fordert, zählt mittlerweile fast 5.000 Unterstützer. (krk/ho)