So weit Ostpreußen verloren ist, so sehr versucht der – vielfach preisgekrönte – Regisseur Volker Koepp diesen historischen Raum in seinen Dokumentarfilmen wiederzugewinnen. Mit seinem Kameramann Thomas Plenert besucht er diese Region seit anderthalb Jahrzehnten. So entstanden die Filme "Kalte Heimat" (1995), "Die Gilge" (1999) oder "Kurische Nehrung" (2000), gedreht vor allem im Gebiet Königsberg. Die Grenze dieser Exklave zum nordöstlichen Nachbarn Litauen bildet heute der Oberlauf der Memel, die sich schließlich im Kurischen Haff verliert. Die Niederungslandschaften beiderseits des Flusses, früher "Preußisch-Litauen" genannt, sind der Ort seines neuen Films "Memelland".
Mit seinem Gespür für einzigartige Lebensentwürfe versteht es Koepp, jeweils eine Art von Gegenwart zu finden, in der sich die Geschichte spiegelt. Zum Teil sind es erst seine Dokumentationen, durch die Geschichte aufbewahrt wird, etwa in seinem legendären Film „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“, der einen nicht unbeträchtlichen Teil dazu beitrug, die Bukowina und ihre einstige Hauptstadt Czernowitz wiederzuentdecken.
In seinem neuen Werk erzählen die Menschen von ihrer Bindung an die sie umgebende Landschaft und Natur, wenn auch prosaischer als im „Memel“-Gedicht des in Tilsit geborenen Dichters Johannes Bobrowski. So sehen wir die Studentin Viktorija aus Heydekrug, die mit leuchtenden Augen vom Memeldelta schwärmt, Mitarbeiter der Vogelwarte in Windenburg oder die drei Schwestern Edith, Erna und Berta. Diese gehören zu den wenigen Deutschen, die nach 1945 im Memelland blieben – unfreiwillig. Nach einem langen Arbeitsleben im Kolchos betreiben die Rentnerinnen eine kleine Landwirtschaft, und schildern frustriert die Situation. Berta: „Es ist wie bei Euch in Deutschland, die jungen Leute aus den Dörfern ziehen davon.“