Anzeige
Anzeige

Buchrezension: „Für eine tiefere Wahrheit“ – David Engels über den Widerstand

Buchrezension: „Für eine tiefere Wahrheit“ – David Engels über den Widerstand

Buchrezension: „Für eine tiefere Wahrheit“ – David Engels über den Widerstand

Historiker David Engels (l.), russischer Schriftsteller Alexander Solschenizyn (r.).
Historiker David Engels (l.), russischer Schriftsteller Alexander Solschenizyn (r.).
Historiker David Engels (l.), russischer Schriftsteller Alexander Solschenizyn (r.). Foto: Privat / IMAGO / Everett Collection
Buchrezension
 

„Für eine tiefere Wahrheit“ – David Engels über den Widerstand

Was heißt Widerstand – und wer verkörpert ihn? In seinem neuen Sammelband zeigt der Historiker David Engels zwölf Persönlichkeiten, die Mut, Treue und Glauben über Angst und Opportunismus stellten.
Anzeige

junge Autoren, Jungautoren, Wettbewerb, Journalisten

Widerstand besteht in „der Weigerung, sich dem Druck des Zeitgeistes zu beugen, und in der Bereitschaft, für eine tiefere Wahrheit einzustehen“. Einerseits erfordert es Mut, der Laune des Augenblicks zu trotzen, andererseits darf wohl überlegte Opposition nicht mit Nörgelei oder Defätismus verwechselt werden.

Der Althistoriker David Engels porträtiert in einem zweiten Sammelband der Sandwirt-Edition zwölf Personen, die uns Vorbild sind, weil sie sowohl Menschenfurcht wie auch Selbstgerechtigkeit überwanden, um echter Ideale willen Gegenwehr zu leisten, was auch heute geboten erscheint, insofern erhebliche Teile der Bevölkerung durch ideologischen Mauerbau vom Diskurs ausgeschlossen sind und unser Grundgesetz aufgrund dieses „antifaschistischen Schutzwalls“ umgedeutet wird.

Thomas Morus (1478–1535), Lordkanzler in England, wollte bis zum Schluß König Heinrich VIII. Gefolgschaft leisten, wurde aber von diesem zum Tode verurteilt, weil er sich weigerte, illegitime Gesetze zu unterschreiben. Auch Justo Takayama (1552–1615) war von verschiedenen Loyalitäten hin und her gerissen. Dieser japanische Fürst mußte als Christ im Tokugawa-Shogunat ab 1614 um sein Leben bangen, weigerte sich aber zum Schutz verfolgter Glaubensbrüder gegen seinen Kaiser zu kämpfen, da er ihm Treue geschworen hatte.

Solschenizyn wandte sich gegen Kommunismus und Kapitalismus

Referenzpunkt des Widerstands ist für Engels die Transzendenz. Statt sein Land wegen der kommunistischen Repression zu verlassen, restaurierte der Mönch Xuyun (1840–1959) in China den Zen-Buddhismus. Als man ihn unter Folter brechen wollte, versenkte er sich durch Meditation in den Zustand einer völligen Bewußtlosigkeit. Er soll 119 Jahre alt geworden sein.

Alexander Solschenizyn (1918–2008), Opfer des sowjetischen Terrors, schrieb gegen den Stalinismus, wandte sich aber auch gegen den kapitalistischen Lebensstil, denn im Osten wie im Westen bedauerte er „das Schwinden des Göttlichen“. David Engels arbeitet die Ambivalenz von Solschenizyn klar heraus, der in seiner Spätphase Ansprüche auf Gebiete der ehemaligen Sowjetunion verteidigte. Differenziert ist auch Galileo Galilei (1564–1642) zu betrachten, der in der Gedankenführung des Autors faktenwidrig zur Ikone des Widerstandes gegen religiöse Engstirnigkeit verklärt wurde.

Auf dem Cover von David Engels "Widerstand und Ehre" ist eine altertümliche Karte abgebildet
David Engels: Widerstand und Ehre. 160 Seiten, Edition Sandwirt, Jetzt beim JF-Buchdienst bestellen

Engels erinnert an das Massaker in der Vendée

Der Schweizer Religionsphilosoph und Metaphysiker Frithjof Schuon (1907–1998) kämpfte als Traditionalist gegen den sich breitmachenden Materialismus. Bei Meister Eckhart (1260–1327) wird die Faszination David Engels für die deutsche Mystik offenkundig.

Als praktizierender Katholik, der mit einer Französin verheiratet ist, darf Engels den Aufstand in der Vendée (1793–1800) gegen die Regimenter der Französischen Revolution nicht unerwähnt lassen: „Die physische Vernichtung einer jahrhundertealten Elite, die Enteignung von Kirchen, die gezielte Auslöschung der eigenen kulturellen Identität und die genozidäre Abschlachtung hat nur wenig zu tun mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.“

Thoreau zog sich in die Wälder zurück

Engels verfügt nicht nur über die akademische Expertise, um sich mit dem Thema Widerstand facettenreich auseinanderzusetzen, sondern weiß selbst aus leidvoller Erfahrung, was es bedeutet, in seiner Forschung sabotiert zu werden. Um so berührender, wie differenziert und mit welch moralischer Bedachtsamkeit er den Gegenstand behandelt.

Obwohl die Gracchen-Brüder (154/153 v. Chr.–121 v. Chr.) üblicherweise von der politischen Linken vereinnahmt werden, führt Engels sie als Kämpfer für die Restitution frührepublikanischer Verhältnisse auf. Um sich der staatlichen Umverteilung durch Steuereintreibung zu entziehen, zog sich amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau (1817–1862) für zwei Jahre in die Wälder zurück und meinte, die beste Regierung sei jene, welche am wenigsten regiert.

Der polnische Offizier Witold Pilecki (1901–1948) ließ sich freiwillig in Auschwitz inhaftieren, floh nach drei Jahren von dort, wurde aber später in sowjetischer Haft vom kommunistischen Geheimdienst hingerichtet. Das vorliegende Buch porträtiert auf vielschichtige und mitreißende Weise den Widerstand gegen neuzeitliche Ideologien und ist ebenso wie der erste Band „Freiheit und Ideal“ (2023) ausdrücklich zu empfehlen.

Aus der JF-Ausgabe 37/25.

Historiker David Engels (l.), russischer Schriftsteller Alexander Solschenizyn (r.). Foto: Privat / IMAGO / Everett Collection
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
aktuelles