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Buch „Die Moskau-Connection“: Putins Genossen

Buch „Die Moskau-Connection“: Putins Genossen

Buch „Die Moskau-Connection“: Putins Genossen

Rußlands Präsident Wladimir Putin reicht Altkanzler Gerhard Schröder die Hand: Einige Sozialdemokraten nahmen damals Abhängigkeiten für eigene Vorteile in Kauf
Rußlands Präsident Wladimir Putin reicht Altkanzler Gerhard Schröder die Hand: Einige Sozialdemokraten nahmen damals Abhängigkeiten für eigene Vorteile in Kauf
Rußlands Präsident Wladimir Putin reicht Altkanzler Gerhard Schröder die Hand: Einige Sozialdemokraten nahmen damals Abhängigkeiten für eigene Vorteile in Kauf Foto: picture alliance/AP Photo | Alexei Druzhinin
Buch „Die Moskau-Connection“
 

Putins Genossen

SPD-Politiker um Gerhard Schröder schufen Abhängigkeiten zu Rußland zum eigenen Vorteil. Die „FAZ“-Journalisten Reinhard Bingener und Markus Wehner haben Putins Werdegang und den roten Sumpf in Hannover nun in einem hervorragenden Buch dargelegt.
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Man braucht keine Verschwörungstheorien mit den Bilderbergern und der Davos-Elite zu konstruieren, wenn sich die Spitzen des Hannoverschen SPD-Filzes als „Frogs“ (Freunde von Gerhard Schröder) in der Nobelloge von Hannover 96 zum Herrenabend trafen und dort ihre Rußland-Geschäfte ausschnapsten.

Mit dem Niedergang der SPD in NRW unter Hannelore Kraft war die Niedersachsen-SPD im roten Hannover zum mächtigsten Landesverband aufgestiegen, zumal Schröder alle seine Knechte und Gefolgsleute auch nach seiner Abwahl als Kanzler 2005 strategisch plaziert hatte: Allen voran Frank-Walter Steinmeier, heute Obermoralist im Schloß Bellevue, und Sigmar Gabriel, gefolgt von Brigitte Zypries, Alfred Tacke, Lars Klingbeil und Stephan Weil. Auch der Chef der Chemiegewerkschaft BCE Michael Vassiliadis gehört dazu.

Gesponsert wurde die muntere Runde von Carsten Maschmeyer (mit seinen AWD-Drückerkolonnen), Peter Hartz (damals noch im VW-Vorstand), Rainer Seele (Wintershall, später ÖMV), dem Textilunternehmen S. Oliver, sowie nützlichen Kontakten zu Preussag-TUI, der Nord LB und Hannover-Messe, organisiert über die Schröder vorgeschaltete Agentur eines dabei sehr reich gewordenen Heino Wiese in Berlin und Hannover, über den auch ein Großteil der russischen Gelder flossen.

Die FAZ-Journalisten Reinhard Bingener und Markus Wehner haben ein spannendes, hervorragend recherchiertes und gut lesbares Buch dazu geschrieben. Vieles, wie der gewalttätige Werdegang Putins, der rote Sumpf Hannovers und die Irrwege der deutschen Energiepolitik klingt für sich genommen vertraut, doch wirkt gerade die fatale Zusammenführung dieser Elemente schicksalhaft explosiv.

Putin interessierte der direkte Zugang zur Macht

Reinhard Bingener / Markus Wehner: Die Moskau-Connection ; Jetzt im JF-Buchdienst bestellen. >>

Viel medialer Lärm wird heute über Kremlgelder gemacht, die an die kommunistische Linke und den antiamerikanischen Narrensaum der europäischen Rechten flossen, die als nützliche Idioten russische Propaganda wiederkäuen. Das war Spielgeld aus der Portokasse. Tatsächlich interessierte Putin viel mehr der direkte Zugang zu den Zentren der Macht und der Entscheidungen über die europäische Energiepolitik, durch die er als privilegierter Rohstofflieferant für Rußland wieder seinen imperialen Status durch Abhängigkeiten schaffen wollte.

Als gelernter Tschekist nutzte er das für die geheimdienstliche Rekrutierung übliche Instrumentarium, als da sind: gekränkte Eitelkeiten, Geltungsbedürfnis, ein diffuser Anti-Amerikanismus und die Gier nach Statussymbolen und Geld. Das alles bot Gerhard Schröder mit seiner frühen Agitation gegen den Nato-Doppelbeschluß, dem Haß auf Ronald Reagan und der Agitation gegen die Mitteldeutschen und die Wiedervereinigung, die für ihn und seine Genossen das Ende aller antikapitalistischen Illusionen bedeutete. Seit seiner Zeit als Juso-Vorsitzender von 1978 bis 1980 war diese Haltung offenkundig. Dazu kam der in seinem Milieu verbreitete Weltkriegs-Schuldkomplex und ein sentimentales Rußlandbild.

Bereits zu Beginn von Schröders Kanzlerschaft 1998 befreundete sich Putin mit ihm fast systematisch, erst recht seit der Niederlage gegen die von Schröder verachtete Merkel 2005. Putin ging es bei seiner Charmeoffensive bei Schröder, mit dem er sich während dessen Kanzlerschaft 40mal traf, und Konsorten sehr unsentimental um die Kontrolle des mitteleuropäischen Gasmarktes und die Schwächung der Bundeswehr, was ihm auch mit Hilfe einschlägiger CDU/CSU-Kreise ausnehmend gut gelang.

So galt noch unter Helmut Schmidt bei der Ruhrgas (heute EON) als Teil der Deutschland AG der Grundsatz, nicht mehr als zu 30 Prozent von einer Quelle abhängig zu sein. Die BASF (Wintershall) wollte jedoch mit russischer Hilfe den Platzhirsch Ruhrgas aushebeln.

Plötzlicher Zuwachs an umfangreichen SPD-Spenden

So wuchs während Gabriels Regentschaft im Wirtschaftsministerium (2013 bis 2017) der russische Anteil auf 55 Prozent, während die Wichtigkeit von Gas nach dem Merkelschen Atomausstieg von 2011 ständig stieg und es dem russischen Gasmonopolisten Gazprom gestattet wurde, sich frohgemut in deutsche Verteilernetze und Notspeicher einzukaufen, die im Februar 2022 zufällig alle leer waren und sündteuer wieder befüllt werden mußten.

Auch wurde der Bau von Flüssiggasterminals, die die deutsche Verhandlungsposition gestärkt hätten, systematisch sabotiert, unter anderem weil sich vor Wilhelmshaven angeblich Seekühe paarten. Auch weisen die Autoren nach, daß Schröder sich schon vor seiner Wahlniederlage 2005, als er als Kanzler die Nordstream-1-Genehmigung erteilen ließ, von Putin seinen dortigen fürstlich dotierten Aufsichtsratsposten versprechen ließ.

Außenpolitisch setzte Schröder als Kanzler mit Jacques Chirac auf eine Achse Paris-Berlin-Moskau, die Osteuropäer in der EU konsequent ignorierend, eine Politik, die von Frank Walter Steinmeier als Außenminister konsequent fortgesetzt wurde. Ebenso wie Merkel glaubte er völlig irrig in Dmitri Medwedjew einen wichtigen Reformer zu erkennen, den es zu kultivieren galt, und blockierte nach Rußlands Georgienkrieg von 2008 jegliche West-Sanktionen, was – ebenso wie Merkels und Sarkozys Veto der ukrainischen Nato-Mitgliedschaft – die Krim-Annexion und den Krieg im Donbass von 2014 ermutigte.

Putins imperiale Ambitionen wurden zunehmend radikaler

Steinmeier und Merkel, so die Autoren, hätten nie verstanden, daß man mit den Silowiki-Leuten im Kreml nur aus einer Position der Stärke vernünftig verhandeln könne, denn Kompromisse seien für sie nur Zeichen von Schwäche, nicht aber wie sie aus einer Mischung aus Entspannungs-Nostalgie und sentimentalem Rußland-Kitsch.

Dabei übersah die Bundesregierung auch geflissentlich, wie sich der Kurs von Putin seit seinem Machtantritt im Zweiten Tschetschenienkrieg nach und nach in seinen imperialen Ambitionen vom Säen der Zwietracht in Georgien, Moldawien und über Berg-Karabach bis hin zum geplanten Blitzkrieg vom 24. Februar 2022 radikalisierte und ursprüngliche Schalmeienklänge zum „gemeinsamen Europäischen Haus“ nur zur Ablenkung des naiven Gegners gedacht waren.

Interessant auch der Nachweis der beiden FAZ-Autoren über den plötzlichen Zuwachs an umfangreichen SPD-Spenden durch die „Frogs“ und ihr rußlandaffines Geschäftsumfeld, einschließlich durch Doris Schröder-Köpf, stets im Zusammenhang mit wichtigen Rußlandentscheidungen.

Schröder wurde zur Unperson

Erweitert wurde der Hannoversche Klub der Putin-Fans auch um die Ministerpräsidenten Matthias Platzeck, Dietmar Woidke, Erwin Sellering und Manuela Schwesig, die sich mit einschlägig gesponserten Rußland-Galaabenden hervortaten. Die „Frogs“ beschränkten sich jedoch nicht nur auf Rußland. Im Reisegefolge von Steinmeier und Gabriel hofierten sie geschäftstüchtig auch die Diktatoren Chinas, Zentralasiens, des Iran, der Emirate, Ägyptens und Marokkos.

Sigmar Gabriel auch als Kompagnon der beiden einschlägig bekannten SPÖ-Altkanzler Alfred Gusenbauer und Werner Faymann. Immerhin ist in Baku, Dubai oder Almaty als Politlobbyist mehr Geld zu machen als in Bern, Oslo oder Ottawa. Die Ära der Frogs ging 2018 außer für Steinmeier nach einem verlorenen Machtkampf gegen Andrea Nahles und Martin Schulz mit der Ablöse Gabriels durch Heiko Maas im Auswärtigen Amt zu Ende.

Schröder wurde in der Öffentlichkeit und in seiner in der Rußlandpolitik gespaltenen Partei, die sich jeder Ursachenforschung entzieht, zur Unperson. Er war jedoch bei weitem nicht der einzige, der aus Eitelkeit, Geltungssucht und Geldgier deutsche Interessen in den letzten zwei Jahrzehnten schwer geschädigt hat.

JF 21/23

Rußlands Präsident Wladimir Putin reicht Altkanzler Gerhard Schröder die Hand: Einige Sozialdemokraten nahmen damals Abhängigkeiten für eigene Vorteile in Kauf Foto: picture alliance/AP Photo | Alexei Druzhinin
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