Nach dem Olympia-Debakel von München 1972 regte der damalige Bundesgrenzschutz-Oberstleutnant Ulrich Wegener, welcher sich als Verbindungsoffizier beim damaligen Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher befand, die Gründung der später „GSG 9“ genannten Anti-Terroreinheit an. Wegener war bereit, diese Einheit aufzustellen und deren Kommando zu übernehmen.
Wegener stützte sich dabei nachdrücklich auf israelische Erfahrungen, galten doch die Israelis als große Experten auf diesem Gebiet. Die internationale Zusammenarbeit mit den Israelis, aber auch mit Terrorabwehreinheiten in den USA, Frankreich, England, Belgien, der Schweiz und Österreich sollten zukünftig den Alltag in der Spezialeinheit prägen. Bei gemeinsamen Wettkämpfen und Erfahrungsaustauschen sammelte man eifrig Ratschläge und Informationen, die man intern umsetzte. Gleichzeitig dokumentierte die GSG 9 so ihren exzellenten Ausbildungs- und Ausrüstungsstand und wurde in den letzten fünfzig Jahren zu einem weltweit bekannten Markenzeichen bei der Terrorbekämpfung.
Gefragte Ausbilder im Ausland
Viele Staaten baten folglich darum, ihre Anti-Terrorkämpfer direkt in Sankt Augustin ausbilden zu lassen bzw. einige GSG-9-Ausbilder ins eigene Land zu bekommen. Gemäß der politischen Haltung der jeweiligen Bundesregierung wurde das recht häufig genehmigt, aber mitunter auch verweigert. Gerade am Beispiel von Indonesien macht WDR-Journalist Martin Herzog deutlich, daß es manchmal besser gewesen wäre, sich mit derartiger Ausbildungshilfe zurückzuhalten.
Lange mußte die GSG 9 indessen nicht auf ihren ersten „scharfen Einsatz“ warten, bis sie in Mogadischu mit einem Paukenschlag demonstrieren konnte, wie eine hochausgebildete und hochmotivierte Polizeieinheit blitzschnell bewaffnete Terroristen ausschalten und die Geiseln verlustlos befreien kann.
Eifersüchteleien der Bundesländer
Im Inland hingegen fremdelten die Innenminister vieler Bundesländer, namentlich in NRW, bei der Anforderung von GSG-9-Kräften. Man beharrte eifersüchtig auf der „Polizeihoheit“ der Bundesländer, auf welche der Bundesminister des Innern mit seiner Polizeitruppe GSG 9 aus rein föderalen Befindlichkeiten keinen unnötigen Zugriff erhalten sollte.
Ressorteifersüchteleien zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesverteidigungsministerium, welches inzwischen selbst über ein KSK verfügte, spielten gleichfalls eine letztlich verhängnisvolle Rolle, als 2009 die GSG 9 nicht die Besatzung der von somalischen Piraten gekaperten „Hansa Stavanger“ befreien durfte. Durchstechereien aus dem Bundesverteidigungsministerium an die US-Amerikaner verhinderten das.
Polizeiarbeit mit Spezialausbildung
Martin Herzog, der sich auf die wenigen bislang zur GSG 9 freigegebenen Akten und auf viele Interviews mit Zeitzeugen und aktiven wie auch vormaligen GSG-Angehörigen stützt, verweist auf den durchaus zutreffenden Umstand, daß die GSG 9 eine Polizeieinheit ist, die aus „normalen Polizisten“ mit einer Spezialausbildung besteht. Die GSG 9 ist trotz aller nötigen Geheimhaltung keine militärische Einheit und auch kein „Geheimdienstkommando“. Die Angehörigen der Einheit sind zuallererst dem Recht und dem Grundgesetz verpflichtet, und der Schutz der deutschen Bürger und die Sicherheit des Staates sind ihre Hauptaufgaben.
An mehreren Beispielen belegt Herzog nachdrücklich, daß die GSG 9-Angehörigen keine rambohaften „Haudraufs“ sind und ihre Aufgaben in angemessener Art mit dem geringstmöglichen Blutvergießen erledigen. Um so mehr waren die Angehörigen der Spezialeinheit deshalb erschüttert, als ihnen namhafte Journalisten in deutschen Medien im Jahr 1993 unterstellten, in Bad Kleinen aus Rache den Terroristen Grams „liquidiert“ zu haben, weil er den GSG 9-Angehörigen Michael Newrzella erschossen hatte. Die nachfolgenden Untersuchungen bestätigten, daß hier der Spiegel und der Journalist Hans Leyendecker gewaltig irrten.
Vorbild selbst für den Ostblock
Die GSG 9 diente aber klammheimlich, was Herzog im Fall der DDR bestätigt und im Fall der Sowjetunion vermutlich nicht weiß, sowohl der Deutschen Volkspolizei wie auch dem KGB als Muster zur Aufstellung eigener Antiterroreinheiten. Die sowohl Ausbildungsmethoden wie auch die Ausrüstung der GSG 9 genau studiert habende russische Antiterroreinheit ALFA gehört heute selbst zu den besten der Welt.
Trotzdem laufen die Einsätze von ALFA, welche dem russischen Geheimdienst zugehörig ist, zumeist blutiger ab als die Einsätze der Polizeieinheit GSG 9. Martin Herzog, der in seinem lesenswerten Sachbuch manche Geheimnisse der GSG 9 enthüllt und manche Mythen zerschlägt, weist auf die gute Informiertheit des MfS über die GSG 9 hin. Entweder besaß man einen kurzzeitigen Informanten innerhalb der GSG 9 oder aber ein Stasi-Agent war ziemlich dicht an einem GSG-9-Angehörigen „dran“ und schöpfte diesen ab.
Zum Schluß seines Buches erwähnt Martin Herzog nachdrücklich den Umstand, daß im Gegensatz zu manchen polizeilichen SEK in Deutschland und zum KSK der Bundeswehr noch niemals bezüglich der GSG 9 Verdächtigungen über „rechtes Gedankengut“ innerhalb der Einheit laut wurden. Herzog begründet das mit guter Personalauswahl und guter psychologischer Betreuung.
JF 47/22