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EM-Spieltagsrückblick: Ein weinender Modric, renitente Ösis und eine schlimme Verletzung

EM-Spieltagsrückblick: Ein weinender Modric, renitente Ösis und eine schlimme Verletzung

EM-Spieltagsrückblick: Ein weinender Modric, renitente Ösis und eine schlimme Verletzung

Das Bild ist eine Montage aus drei Fotos. Links zu sehen ist Luka Modrić, in der Mitte sind österreichische Fußballfans und rechts ist der verletzte Barnabas Vargas von Ungarn.
Das Bild ist eine Montage aus drei Fotos. Links zu sehen ist Luka Modrić, in der Mitte sind österreichische Fußballfans und rechts ist der verletzte Barnabas Vargas von Ungarn.
Kroatiens Mittelfeldchef Luka Modrić, österreichische Fans und der schwerverletzte Barnabas Vargas: Der dritte EM-Spieltag war ereignisreich Fotos: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi / picture alliance/dpa | Andreas Gora / picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ariel Schalit Montage: JF
EM-Spieltagsrückblick
 

Ein weinender Modric, renitente Ösis und eine schlimme Verletzung

Was war das wieder ein Spieltag! Kroaten-Legende Luka Modrić wird zum tragischen Helden, die Österreicher zeigen ihre Haltung zur Migration und eine schlimme Verletzung schockiert Ungarn.
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Fußball kann unendlich grausam sein. Schottland gegen Ungarn war ein hervorragendes Beispiel dafür. Kein hochklassiges, aber ein leidenschaftlich umkämpftes Spiel. Ungarn braucht einen hohen Sieg, um sich die Chance auf ein Weiterkommen als einer der vier besten Drittplazierten im Turnier zu bewahren, spielt dafür aber erstaunlich zurückhaltend und defensiv. In der 68. Minute dann der große Schock: Ungarns Stürmer Barnabás Varga knallt mit dem schottischen Torwart Angus Gunn zusammen – und bleibt bewußtlos liegen.

Minutenlange Spielunterbrechung ist die Folge – auch Kritik am Sanitäterteam in Stuttgart wird laut. Aus Sicht vieler Magyaren haben sich die Rettungskräfte zu viel Zeit gelassen. Ungarns Mittelfeldmann Dominik Szoboszlai rennt dem Team entgegen und packt selbst an. Hinterher gibt sich der 23jährige empört. „Ich habe keine Ahnung, wie das Protokoll ist, ob die Leute nicht auf den Platz laufen dürfen“, sagte er nach dem Spiel dem Streamingdienst MagentaTV. „Wir müssen das schneller machen. Jeder weiß, daß Sekunden etwas bringen.“

Aufgrund der langen Spielunterbrechung dauert das Gruppen-Endspiel nicht 90, sondern 100 Minuten – Vorhang auf für Kevin Csoboth. Roland Sallai läuft von rechts Richtung Grundlinie, sieht Csoboth, der bleibt cool – und drückt den Ball über die Linie. Totale Ekstase, Millionen Ungarn sind himmelhochjauchzend. Tragisch nur: Aufgrund der anderen Ergebnisse in Gruppe A sind die Magyaren trotzdem draußen. Viele Emotionen, eine schwere Verletzung, und das alles für nichts. Fußball ist manchmal wie das Leben: hart, aber unfair.

Modrićs Treffer reicht nicht

Kroatiens Nationalheiligtum Luka Modrić kann davon ein Lied singen. „Es ist unfair, so auszuscheiden, weil wir von der ersten Minute an für unser Volk gekämpft haben“, sagt die 38jährige Real-Madrid-Legende nach Abpfiff. Mit seinem Führungstreffer gegen Italien in der 53. Minute wird er ältester EM-Torschütze aller Zeiten – doch Italiens Offensivmann Mattia Zaccagni gleicht in letzter Sekunde aus. Ekstase bei den Italienern, Entsetzen bei den Kroaten. Luka Modrić heult Rotz und Wasser. Typisch italienisch: nicht immer glamourös, aber immer eiskalt.

Österreich gelingt am dritten Spieltag mit einem 3:2-Sieg im Berliner Olympiastadion gegen die Niederlande eine Sensation: Daß die Alpenrepublik als Gruppensieger vor Frankreich und Holland weiterkommen würde, hätten wohl die allerwenigsten kommen sehen. Dennoch gibt sich der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) nach dem Spiel kleinlaut. Was war passiert? Kurz vor Abpfiff des Spiels gegen die Niederlande entrollt die erste Reihe des Fanblocks ein Transparent mit der Aufschrift „Defend Europe“ („Verteidigt Europa“).

Dieser Slogan wird seit Jahren europaweit von Migrationskritikern verwendet. Der ÖFB distanziert sich kurz darauf. Nationalteam und Verband stünden „ganz klar für Toleranz, Vielfalt und Integration in allen Bereichen unserer Gesellschaft“. Der deutsche Cheftrainer Ralf Rangnick zeigt sich besorgt über den Rechtsruck überall auf dem Kontinent und bekundet sein Unverständnis für die Aktion, schließlich gehe es „uns in Europa immer noch relativ gut“. Kann man als Multimillionär durchaus so sehen. Bei so viel Drama gerät ein historischer Erfolg auf dem Rasen beinahe zur Randnotiz.

„Kwaradona“ trifft, Ronaldo ist bedient

Seit Spanien in den 2010er Jahren dürfte weltweit keine dermaßen starke Nationalmannschaft wie die französische existieren. Ein Kader voller Weltstars. Mbappé, Dembélé, Griezmann, Kanté, Camavinga – wo soll man da anfangen? Doch irgendwie läuft es bei der Équipe Tricolore nicht so recht. Zwar reicht das 1:1 im letzten Spiel gegen Polen, um als Gruppenzweiter hinter den Ösis ins Achtelfinale einzuziehen, doch ein Fußballfeuerwerk war auch das dritte Gruppenspiel nicht. Spanien macht Angst, aber – frei nach den Sportfreunden Stiller – mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein sind diese Franzosen durchaus schlagbar.

Was der Franzose kann, kann der Brite schon lang. Ein 0:0 gegen Slowenien reicht für den Gruppensieg, aber vergnügungssteuerpflichtig war auch dieser Kick nicht. Eine Sportart erfinden, um anschließend schlecht darin zu sein, muß man auch erst mal hinkriegen. Chapeau!

Sensationell wurde es am Mittwoch in Gelsenkirchen. Portugal gegen Georgien. Klare Sache. Oder? Eben nicht. Nach zwei Minuten spielt António Silva einen fahrigen Fehlpaß in die Beine des georgischen Offensivmanns Georges Mikautadze. Der sieht Napoli-Star Chwitscha Kwarazchelia, in Italien wegen seines Könnens liebevoll „Kwaradona“ genannt. „Kwaradona“ läuft durch und bleibt vorm Tor eiskalt. 1:0 für den klaren Außenseiter. Georges Mikautadze erhöht in der 57. Minute zum 2:0, kurz darauf wird ein sichtlich bedienter Cristiano Ronaldo ausgewechselt. Versöhnlich: Beide Mannschaften sind eine Runde weiter.

„Frieden hat einen Preis“

Das einzige moslemische Land im Turnier, die Türkei, konnte mit einem hart erkämpften 2:1 gegen Tschechien den Einzug ins Achtelfinale perfekt machen. Zwar begannen die Tschechen aktiver, doch die Osmanen kamen mit der Zeit besser ins Spiel. Erst in der Nachspielzeit belohnen sich die Türken mit dem Siegtreffer. Wie hart das Spiel war, zeigt sich an folgender Statistik: zwölf gelbe Karten und ein Platzverweis. Tschechien ist raus, die Türkei ist weiter. Freuen wir uns auf weitere eskalierende Autokorsos überall in (west-)deutschen Städten.

Fußball ist die schönste Nebensache der Welt, doch auch nur eine Nebensache. Eindrucksvoller als die ukrainischen Fans im Spiel gegen Belgien kann man das kaum zeigen. Unabhängig davon, wie man zum aktuellen Krieg steht – diese Aktion kann niemanden kalt lassen.

Wenige Minuten nach Spielbeginn entrollen ukrainische Fans ein großes Transparent, das das Bild eines jungen Mannes abbildet: Nazarii Hryntsevich, Spitzname „Grenka“. Er war einer der jüngsten Soldaten, die bei der Schlacht ums Asowtal in russische Gefangenschaft gerieten. Nach seiner Rückkehr kämpfte er weiter, bis er im Mai fiel. Das Bild wurde zusammengesetzt aus insgesamt 182 kleineren Bildern von toten ukrainischen Soldaten – alle von ihnen aus dem Ultramilieu. Dazu der Spruch: „Frieden hat einen Preis. Tausende Fußballfans sind getötet worden seit Februar 2022.“ Geholfen hat es nichts, das torlose Unentschieden gegen Belgien reichte den Blau-Gelben nicht zum Weiterkommen.

Fairplay lohnt sich

Kurioses passierte beim 0:0 unseres Achtelfinalgegners Dänemark im Spiel gegen Serbien. Beide Mannschaften brachten wenig Zählbares, die Serben erzielten nach der Pause ein Tor, das wegen Abseits aberkannt wurde. Jetzt kommt´s: Weil Dänemark und Gruppengegner Slowenien exakt gleich viele Punkte, die gleiche Tordifferenz und im direkten Vergleich unentschieden gespielt haben, kommt Dänemark aufgrund der Fairplay-Regel weiter.

Die Skandinavier kassierten im bisherigen Turnierverlauf eine gelbe Karte weniger als Slowenien, weshalb sie nun als Gruppenzweiter weiter sind. Slowenien ist aber auch dabei als eines der vier besten Turnierdritten. Auch in einer unfairen Welt wird Fairneß manchmal belohnt.

Kroatiens Mittelfeldchef Luka Modrić, österreichische Fans und der schwerverletzte Barnabas Vargas: Der dritte EM-Spieltag war ereignisreich Fotos: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ebrahim Noroozi / picture alliance/dpa | Andreas Gora / picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Ariel Schalit Montage: JF
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