Mehr als zwei Jahre, nachdem Eva Herman in einer beispiellosen Sudelkampagne den Löwen der öffentlichen Meinung zum Fraß vorgeworfen wurde, meldet sich die einst beliebte Fernsehmoderatorin jetzt mit einem Gegenschlag zurück, der sich gewaschen hat: Ihr Buch „Die Wahrheit und ihr Preis“ ist Dokumentation, Abrechnung und Lehrstück zugleich, eine ebenso haarsträubende wie entlarvende Anatomie jener Methoden, mit denen heute die Ketzer und Andersdenkenden vom Meinungsestablishment plattgemacht werden.
In der medialen Hexenjagd auf Herman spielten politisches Kalkül, bewältigungsneurotische Affekte und kitzelnde, quoten- und auflagensteigende Unterhaltung einander auf infame Weise zu. Wie der demütigende Rauswurf Hermans aus der Johannes-Kerner-Show zeigte, sind auch öffentliche Hinrichtungen eine Form von Entertainment. Für die Betroffene selbst bedeutete dies aber blutigen Ernst: Am Ende waren ihre Karriere, ihr Ruf und beinahe ihre Gesundheit zerstört.
Feministische Ressentiments
Wieviel sie aufs Spiel setzen sollte, konnte die Moderatorin der ARD-Tagesschau und der NDR-Talkshow „Herman & Tietjen“ kaum ahnen, als sie begann, sich öffentlich für das zu engagieren, was sie als Wahrheit erkannt hatte. Es fing an mit Büchern über die Erziehung von Kleinkindern, nachdem sie im Alter von 39 Jahren zur Mutter geworden war.
Die Doppelerfahrung von Karriere und Mutterschaft führte Herman schließlich zu grundsätzlichen Überlegungen zum Thema Familie, Frauenemanzipation und demographischer Krise, die mitten den neuralgischen Punkt einer verdrängten Lebenslüge der Gesellschaft berührten.
Bereits ein 2006 in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Cicero veröffentlichter Artikel mit dem Titel „Die Emanzipation – Ein Irrtum?“ rief die Messerwetzer auf den Plan, die bald unverhohlen forderten, Eva Herman aus dem öffentlichen Raum zu entfernen. Schon in diesem frühen Stadium wurden von der Doyenne des feministischen Ressentiments, Alice Schwarzer, die schweren Geschütze in Anschlag gebracht, als sie Hermans Thesen „zwischen Steinzeitkeule und Mutterkreuz“ ansiedelte. Damit war der erste Schritt getan, um die Diskussion auf jenes billige Ersatz-Schlachtfeld zu zerren, auf dem sich in der Folge der Rest des Dramas abspielen sollte.
Demagogische Niedertracht
Nach Erscheinen von Hermans Buch „Das Eva-Prinzip“ stürzte sich eine Journalistin auf eine per Tonaufzeichnung dokumentierte Aussage der Autorin und fälschte diese trotz eindeutigen Wortlauts zu einer Lobpreisung der NS-Familienpolitik um. Diese böswillig gepflanzte, tausendfach kopierte, nie hinterfragte, beständig Metastasen bildende Ente wurde zum Kern einer monatelang andauernden Hexenjagd, an der sich sämtliche großen und kleinen Medien beteiligten: Spiegel, Stern, Die Welt, Bild, Die Zeit, taz, FAZ – sie alle trugen ihr gerüttelt Maß bei, die Autorin nicht nur als rückständige, dumme, lachhafte, skurrile, geistig verwirrte Fernseh-Blondine, sondern auch noch als dubiose, krypto-braune Sympathisantin hinzustellen. >>
Damit war das Bild der ethisch defekten, vom Nazi-Virus befallenen Schießbudenfigur perfekt, was praktischerweise jegliche sachliche Diskussion erübrigte. Die Hemmungslosigkeit mancher Texte erreichte einen schier unfaßbaren Grad an demagogischer Niedertracht. Es dauerte nicht lange, bis Hermans Arbeitgeber vom NDR nahezu widerstandslos den geforderten Kopf rollen ließen.
Ausgrenzungsdrohungen der öffentlichen Meinung
Das Crescendo erreichte seinen Höhepunkt in der Kerner-Show, die zum grotesken Tribunal mit dem Ziel geriet, Herman zu einer Art „sozialistischer Selbstkritik“ zu nötigen. Als diese den Reifensprung beharrlich verweigerte, wurde sie von Kerner aus der Sendung geschmissen. Mit welcher konzertierten Perfidie dieser Abend gezielt eingefädelt wurde, kann man in Hermans nun erschienenem Rückblick nachlesen.
Offenherzig schildert die Autorin darin auch die privaten Folgen, den schrecklichen sozialen und menschlichen Preis, den derjenige zahlen muß, der es wagt, seine „Isolationsfurcht“ (Elisabeth Noelle-Neumann) gegenüber den Ausgrenzungsdrohungen der öffentlichen Meinung zu überwinden.
Herman hat trotz der beispiellosen Verleumdungen und Verhöhnungen durchgehalten. Nun wird sie selbst zum Stolperstein für jene, die sie bekämpfen wollten. Nicht nur decken sich ihre Thesen mit der Erfahrung von Millionen Frauen und Männern in diesem Land – auch die Kommentare unter den hundertausendfach angeklickten Aufzeichnungen der Kerner-Show auf dem Internetportal YouTube sprechen eine deutliche Sprache. Diesmal haben die Inquisitoren sich selbst bloßgestellt.
Lieblingsgespenst der Deutschen
Denn wie immer, wenn eine Inquisition im Gange ist, stecken die Teufel eher in den Verfolgern als in den Beschuldigten. Carl Amery schrieb, der Publizist müsse den Schlagwortdämonen, die die medialen Debatten in „Scheinkontroversen“ verwandeln, zum „Exorzisten“ werden. Jedoch nehme die Publizistik „zu fünfundneunzig Prozent keine exorzistische, sondern im Gegenteil eine kultisch-verstärkende Funktion“ wahr.
Die rauschhafte, faktenresistente Besessenheit, mit der die Diffamierung Eva Hermans betrieben wurde, hat erneut gezeigt, wie schnell die Vernunft, die journalistische Redlichkeit und der simple menschliche Anstand über Bord geschmissen werden, wenn einmal wieder der braune Teufel, dieses Lieblingsgespenst der Deutschen, epidemisch die Gehirne infiziert hat.
Der Fall Herman ist nicht primär eine Frage von „Links“ und „Rechts“, ja nicht einmal eine der eingeschränkten Meinungsäußerung. Es steht nichts weniger auf dem Spiel, als die Tabuisierung der Lebenswirklichkeit der Menschen selbst und der daraus resultierenden Verantwortung für das Ganze. Für die fünf Prozent der Journalisten, die frei nach Amery lieber der Aufklärung als dem Hexensabbat dienen wollen, ist der Fall Herman ein unverzichtbares Studienobjekt.
JF 17/10
Ein Auszug des neuen Buches von Eva Herman, „Die Wahrheit und ihr Preis“, ist in der aktuellen Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT erschienen.