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Filmrezension: „No Hit Wonder“ – Wenn Depression zur Feelgood-Komödie wird

Filmrezension: „No Hit Wonder“ – Wenn Depression zur Feelgood-Komödie wird

Filmrezension: „No Hit Wonder“ – Wenn Depression zur Feelgood-Komödie wird

Während der Premiere des Kinofilms „No Hit Wonder“ stehen die Schauspieler in Reih und Glied, darunter Nora Tschirner und Florian David Fitz
Während der Premiere des Kinofilms „No Hit Wonder“ stehen die Schauspieler in Reih und Glied, darunter Nora Tschirner und Florian David Fitz
Die Schauspieler von „No Hit Wonder“, von links nach rechts: Corinna Kirchhoff, Bernd Hölscher, Udo Samel, Jerusha Wahlen, Nora Tschirner, Florian Dietrich, Florian David Fitz, Jasmin Shakeri, Holger Stockhaus und Aziz Dyab. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Agentur Wehnert/M. Gränzdörfer
Filmrezension
 

„No Hit Wonder“ – Wenn Depression zur Feelgood-Komödie wird

Ein gefallener Popstar, eine ehrgeizige Glücksforscherin und eine Gruppe gebrochener Seelen: In No Hit Wonder verwandeln Florian David Fitz und Nora Tschirner Depression, Musik und Mitmenschlichkeit in eine bittersüße Komödie über Sinnsuche und zweite Chancen.
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„Burnout klingt nach Arbeit, Depression klingt nach Loser.“ Es sind Sätze wie dieser, die in „No Hit Wonder“ von Florian David Fitz (Drehbuch) und Florian Dietrich (Regie) das Interesse auch dann noch hochhalten, als die Handlung längst in einen Seerosenteich der Harmonie und Seelentröstung eingemündet ist, die der rasante Beginn nicht vermuten ließ.

Denn die vergnügliche Filmkomödie beginnt mit einem rasanten Geiersturzflug durch den musikalischen Werdegang des fiktiven Musikers Daniel Novak (Florian David Fitz), der mit „Time, Time, Time“ im Jahre 2003 einen Riesenhit landete und als der heiße Sche*ß der Branche galt, dann aber, wie das bei Ein-Hit-Wundern so ist, rapide abstürzte, im Dschungel-Camp landete oder wie dereinst der verblichene Kollege Rex Gildo als Tagelöhner auf Verkaufsmessen auftreten mußte. Da bleibt eigentlich nur ein Ausstieg ohne Wiederkehr, wie ihn Novaks Namensvetter Daniel Küblböck 2018 vorexerzierte, als er von Bord der Aidaluna ging.

Leider bleibt es nicht so rasant und satirisch. Denn Florian David Fitz, der im Interview durchblicken ließ, beim Filmskript an Rex Gildo gedacht zu haben, gehört zu den großen Altruisten der Filmbranche. Das heißt, der Darsteller und Drehbuchautor, dem mit „Vincent will Meer“ 2010 ein großer Wurf gelang, möchte sich ganz offensichtlich auch diesmal nicht in erster Linie lustig machen über seine Figuren, sondern ihnen mit Liebe und Respekt begegnen, weshalb er nach dem lässigen Auftakt in den Betroffenheitsmodus wechselt.

Der Musiker ist selbstmordgefährdet

Für die Betroffenheit sorgt dabei eine Gruppe von psychisch labilen Menschen, die in einer Heil- und Pflegeeinrichtung betreut werden, in der auch die Glücksforscherin Dr. Dr. Lissi Waldstett (Nora Tschirner) ihren Dienst versieht. Die ist mit dem Versuch, Forschungsgelder für ihr neuestes wissenschaftliches Projekt einzuwerben, gerade bei der Klinikleitung abgeblitzt und mußte dabei lernen, daß Glück nun mal „keine Kassenleistung“ ist. An dieser Stelle des Films treffen nun, das ist dramaturgisch vorbildlich gemacht, Dr. Dr. Waldstetts Ambition und Daniel Novaks Depression aufeinander. Das gefallene Popsternchen ist nämlich ein Gefallener im wahrsten Sinne des Wortes, ein Aus-dem-Fenster-Gefallener, um genau zu sein. Mit einem Bänderriß und einer Gehirnerschütterung und einem Loch in der Wange ist er in der Klinik gelandet, in der Lissi tätig ist.

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Das Loch in der Wange stammt von einem Schuß aus dem eigenen Revolver. Ergo ist der augenscheinlich im Spätherbst seiner Karriere angelangte Musiker akut selbstmordgefährdet. Die Glücksforscherin nimmt sich seiner an – nicht ohne Hintergedanken. Denn die junge Medizinerin, die nach eigenen Worten bestrebt ist, Menschen glücklicher zu machen, kann für ihre auf Patienteninterviews basierende Studie einen Musiker bestens gebrauchen.

Ein bißchen Diversitätsglorifizierung muß auch bei „No Hit Wonder“ sein

Sie will nämlich beweisen, daß Musik sich positiv auf die Seele des Menschen auswirkt. Nach den genreüblichen Zaudereien und Revierrangeleien kommen die beiden zusammen. Und Daniel wird losgelassen auf eine Auswahl schwer therapierbarer Patienten, die an Depressionen, Demenz oder degenerativen Psychosen leiden. Sie wachsen zusammen zu einer starken Gemeinschaft und bringen mit der anfangs besonders verschlossenen Elaha (Jerusha Wahlen) sogar ein echtes Gesangstalent hervor, das womöglich das Zeug dazu hat, mehr als nur einen Hit hervorzubringen.

Mit dem Zustandekommen dieser musikalischen Schicksalsgemeinschaft kippt der Film, mutiert von der sarkastischen Satire auf die profitgeierige Musikbranche zum halbesoterischen Rührstück über die Heilkraft der Musik und der Mitmenschlichkeit. Dabei gibt es kaum ein Klischee, dem die beiden Florians aus dem Weg gehen: vom aus dem schwedischen Filmklassiker „Wie im Himmel“ (2004) oder aus der französischen Tragikomödie „Das Konzert“ (2009) bekannten gruppendynamischen Therapieeffekt samt gemeinsamem Auftritt am Ende des Films über die unvermeidliche amouröse Annäherung zwischen den Hauptfiguren, hier der zynischen Medizin-Karrieristin (die in Wahrheit natürlich nur eine verletzte Seele ist, die nach Erlösung schreit) und dem lebensmüden musikalischen Narziß (der in Wahrheit natürlich auch nur eine verletzte Seele ist), bis hin zur Wandlung des häßlichen Entleins (hier: Elaha) zum schönen Schwan.

Und natürlich macht der Film auch mit bei der notorischen Diversitätsglorifizierung, die so etwas wie das Erkennungszeichen systemkonformer Kulturschaffender unserer Tage ist, für die der CoVid-Konformist Fitz sich als besonders taugliches Aushängeschild erwiesen hat.

Und wenn all das für einen Kinohit nicht reicht?

Konformismus erzeugt Bravheit. Das kann man an diesem Film sehr gut ablesen. Andererseits ist anzuerkennen, daß der Autor und sein Regisseur, die hier erkennbar auf dem Terrain von Til Schweiger wildern (mit dem Nora Tschirner, Star in Schweigers „Keinohrhasen“ (2007), nicht mehr drehen mag, weil es bei ihm nicht respektvoll genug zuging), nicht mit witzigen Einfällen geizen und die Dialoge so gut geschrieben sind, daß es genug zu lachen gibt.

Weder an den eingewobenen Reflexionen über das Streben nach Glück noch an der humanistischen Botschaft „Haltet zusammen und seid nett zueinander“ ist im Grunde etwas auszusetzen. Und daß „No Hit Wonder“ für die hypersensible Generation Schneeflocke, auf die der Film ja ganz offenkundig zugeschnitten ist, balsamische Funktionen übernehmen kann, versteht sich von selbst.

Kalenderweisheiten wie „Die Sonne von außen ist nie genug, wenn die Sonne von innen nicht scheint“, die sich Fitz für seinen zum Paulus werdenden Saulus der Popmusik selbst ins Filmskript geschrieben hat, kann man ihre therapeutische Wirkung abspüren wie einem Mentholbonbon bei Halsschmerzen. Und wenn all das für einen Kinohit nicht reicht, stürmt ja vielleicht wenigstens das ebenfalls vom Hauptdarsteller – mit oder ohne KI? – geschriebene Filmlied „Time, Time, Time“ die Hitparaden.

Die Schauspieler von „No Hit Wonder“, von links nach rechts: Corinna Kirchhoff, Bernd Hölscher, Udo Samel, Jerusha Wahlen, Nora Tschirner, Florian Dietrich, Florian David Fitz, Jasmin Shakeri, Holger Stockhaus und Aziz Dyab. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Agentur Wehnert/M. Gränzdörfer
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