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Ehe und Familie: Evangelischer Scherbenhaufen

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Ehe und Familie
 

Evangelischer Scherbenhaufen

Die „Orientierungshilfe“ betrachtet Ehe und Familie nur als „Werke“ des Menschen. Der EKD-Rat reagiert auf die Kritik an dem Familienpapier mit einem Symposion. Es ist wie in der Politik: Widerstand soll zerredet werden.
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Trauungsszene in der Kathedrale von Burgos: Propaganda für einen „erweiterten Familienbegriff“ Foto: Wikipedia / Mowenna

Na also, es geht doch, könnte man meinen: Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stellt sich nicht länger taub gegenüber der immer massiver werdenden Kritik an der mißratenen „Orientierungshilfe“ zur Familienpolitik und ist zu deutlichen Kurskorrekturen bereit.

Irrtum! Der jüngste Beschluß des höchsten repräsentativen EKD-Gremiums muß anders gelesen werden. Zwar wird der „weitere Diskussionsbedarf“ (Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider) nicht geleugnet, aber diese simple Erkenntnis zieht vorerst nur taktische, gesichtswahrende Konsequenzen nach sich. Eine Theologenkonferenz am 28. September in Berlin soll Grundsatzfragen vor allem zum evangelischen Bibel- und Eheverständnis diskutieren.

Propaganda für einen „erweiterten Familienbegriff“

Ein Verfahren, wie in der Politik tausendfach praktiziert: Knifflige, strittige Fragen schiebt man auf Symposien oder Fachkongresse ab, lädt Befürworter und Gegner ein, simuliert so Debattenfreude. Der Widerstand soll zerredet werden. Unmut wird kanalisiert und in Fußnoten gepackt. Schneider hat auch gar nicht erst den Versuch gemacht, dem Symposion eine Korrekturfunktion zuzuweisen. Es gehe um die Kommentierung und Einordnung des Papiers. Schluß! Aus!

Zum Hintergrund: Die im Juni veröffentlichte „Orientierungshilfe“ propagiert einen „erweiterten Familienbegriff“, der auch Patchwork-Lebensgemeinschaften und homosexuelle Paare umfaßt, das Leitbild Ehe verschwindet im Nebel soziologischer und sozialpolitischer Formulierungen (die JF berichtete mehrfach). In den Worten von Schneider: „Die in der Diskussion aufgeworfenen theologischen Kernfragen bedürfen immer wieder der Schärfung und Vermittlung. Es ist eine Stärke unserer evangelischen Kirche, sich in strittige gesellschaftliche Fragestellungen hineinzubegeben und auf der Höhe der Zeit dem Evangelium gemäß zu leben.“

Eine Spaltung quer durch die Kirche

Ein verräterischer Satz. Aus einem Leben auf der Höhe der Zeit wird leicht Zeitgeist-Surfen. Das sehen nicht nur die üblichen Verdächtigen so, die theologisch Konservativen unter den Protestanten, der Protest gegen das Papier kommt aus der Mitte der Gesellschaft. Eine bundesweite Initiative um den badischen Pfarrer Hans-Gerd Krabbe fordert nach wie vor die Rücknahme der „Orientierungshilfe“, die Unterzeichner sind „keine Ewiggestrigen oder Ultrakonservativen“ (Krabbe).

Das ist nachgerade sensationell, deutet es doch eine Spaltung zwischen „unten“ und „oben“ in der Kirche an. Und daß Schneiders Stellvertreter, der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, selbstkritisch einräumt, „daß die unverändert große Bedeutung der Ehe in dem Papier zu kurz kommt“, und der Bischofsrat der hannoverschen Landeskirche eine „vertiefte theologische Reflexion“ vermißt, spricht ebenfalls Bände.

Erstmals ein Homosexuellen-Paar kirchlich getraut

Es ist ein Armutszeichen für die „Kirche des Wortes“, daß sie auf eine zentrale Frage wie die der Ehe und Familie weiter nur mit Wortgeschwurbel reagiert. Die Ehe, sagt Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, habe sich in ihren Formen stets gewandelt: „Es kommt auf die Werte an, die in Ehe und Familie gelebt werden.“ Muß man betonen, daß Jung unter Ehe nicht länger ausschließlich die Verbindung von Mann und Frau versteht?

In seinem Sprengel wurde erstmals ein Homosexuellen-Paar kirchlich getraut – nicht nur gesegnet. Dabei streitet Jung nicht ab, daß die Heilige Schrift Aussagen enthält, die gegen Homosexualität gerichtet sind: „Aber die Stellen in der Bibel haben nicht im Blick, daß Homosexualität, so wie wir sie heute sehen, eine Veranlagung ist, die nicht reversibel ist“, verteidigte er die „Orientierungshilfe“.

Evangelische Theologen ohne Bibelkenntnis?

Der Kirchenpräsident, ein promovierter Theologe, zählt zu den Autoren des Papiers. Deshalb wirkt, da hat idea-Chefredakteur Helmut Matthies den Nagel auf den Kopf getroffen, das Argument des Ratsvorsitzenden Schneider, man hätte vielleicht einen fachkundigen Bibelwissenschaftler in die Kommission berufen müssen, äußerst merkwürdig.

„Hat Jung etwa keine Bibelkenntnis? Es geht ja bei Fragen von Ehe und Familie nicht um wissenschaftliche Details. Bischöfe, Kirchenpräsidenten, Professoren und all die vielen Kirchenverantwortlichen, die sich mit theologischen Ehrendoktortiteln schmücken, kennen natürlich die Aussagen der Bibel. Wer um sie nicht wüßte, ist nicht einmal für ein Kirchenvorsteheramt geeignet …“ Verständnislos fragt Matthies: „Wie konnte es überhaupt sein, daß die Orientierungshilfe dreimal im Rat behandelt wurde und trotzdem verabschiedet wurde?“

Ehe und Familie nur noch „Werke“ des Menschen

Fragezeichen folgt Fragezeichen. Was ist die Ehe? Nach Martin Luther ein „weltlich Ding“, dem Reformator ging es um die Abgrenzung von der katholischen Lehre, die die Ehe als Sakrament versteht. Sie sei damit aber nicht außerhalb des göttlichen Bereichs, gibt der Bonner Theologe Ulrich Eibach zu bedenken: Es handele sich um „eine Stiftung Gottes, um einen göttlichen Stand geradezu“.

Doch die „Orientierungshilfe“ betrachtet Ehe und Familie nur als „Werke“ des Menschen, nicht aber als Gabe und Aufgabe Gottes, in denen der Glaube sich in der Liebe und Treue zu bewähren habe. Hierin liegt der Dissens, der ursächlich ist für den theologischen Scherbenhaufen. Philosophische, soziologische und feministische Theorien haben sich vor die biblische und reformatorische Tradition geschoben. Dabei wird es wohl bleiben. Trotz (Alibi)-Symposien.

Wie schaut es mit den „polyamoren“ Lebensformen aus?

Schon zeichnet sich eine weitere theologische Baustelle ab. Die EKD plant ein Papier zum Thema Sexualität. Im Deutschlandradio Kultur haben sich mit Eske Wollrad und Martin Rosowski Vertreter der evangelischen Frauen- beziehungsweise Männerarbeit zu Wort gemeldet, die für ein „Aufbrechen von Stereotypen“ plädieren, „weil wir uns mit den Normen der Heterosexualität und der Zweigeschlechtlichkeit zu sehr einengen“. Zweigeschlechtlichkeit sei nur ein „Konstrukt“.

Wen wundert es, daß beide Sprecher an ihre Kirche die Frage nach einer Wertschätzung punktueller sexueller Beziehungen und „polyamorer“ Lebensformen (Beziehungen zu mehr als einem Menschen gleichzeitig) stellen. Die EKD wird die Geister, die sie mit ihrer unausgegorenen „Orientierungshilfe“ gerufen hat, so bald nicht los.

JF 38/13

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