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Unheroisch

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Cato, Palmer, Exklusiv

Die Zeiten, in denen genuin Amerikanisches als prägender Ausdruck einer Universalkultur verstanden wurde, sind längst vorüber. Auch die US-Popmusik steht heute im globalen Wettbewerb und rangiert hier immer häufiger unter ferner liefen. Bodenständige Anklänge an Blues oder Country haben ihre Kraft eingebüßt, vor den Augen der Hörer identifikationsstiftende Bilder von Einzelgängern erstehen zu lassen, die in den Weiten des Landes ihre Vorstellung von Freiheit verwirklichen und weiterziehen, wenn ihnen ein Ordnungsruf entgegenschallt. Was schon immer peinlich klang, wird nun, da das Kopfkino geschlossen hat, auch als peinlich oder wenigstens einer Rechtfertigung bedürftig empfunden.

Besonders deutlich wird dieser Geschmackswandel anhand der Doppel-CD „Got no Chains“ (Glitterhouse/Indigo) nachvollziehbar, die das 25jährige Jubiläum der Walkabouts würdigen soll. Die eine der Scheiben bietet 15 Cover-Versionen von Songs der Band, die die jeweiligen Interpreten als relevant ansahen, die andere vereint die Originale in der Spannbreite zwischen Folk-Rock und „Alternative Country“. Beide sind auf ihre Weise aufschlußreich.

Wo die Walkabouts selbst zum Zuge kommen, entpuppen sie sich als besonders zeitverhaftet gerade da, wo sie durch den Rückzug auf den puren Folk eigentlich Zeitlosigkeit vorspiegeln. Schmalzig und kitschig versprühen sie hier eine verspielte Selbstgefälligkeit, die angemessen nur mit der Zwangsvorführung einer Musikantenstadl-DVD zu ahnden wäre.

Hörbar sind die Walkabouts nur noch dort, wo sie sich ein wenig dem Grunge assimilierten, in dessen Schlepptau sie, dem Zufall ihrer Herkunft aus dem Nordwesten der USA und eines Vertrags bei der Nirvana-Plattenfirma Sub Pop sei Dank, anfangs mitgesegelt waren. Überraschend ist allerdings, wie frisch manche ihrer Songs noch klingen können, wenn man sie zurechtinterpretiert. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise dem Material, sondern vielleicht viel eher denjenigen geschuldet, die ihre Neufassung in die Hand genommen haben.

Zum Gelingen der CD „We are only Riders“ (Glitterhouse/ Indigo) haben hingegen beide Seiten gleichermaßen beigetragen: Sie basiert auf einer unlängst aufgefundenen Kassette mit Songfragmenten des 1996 im Alter von 37 Jahren an den Folgen eines strapaziösen Lebenswandels verstorbenen Jeffrey Lee Pierce, deren sich diverse Künstler – die meisten von ihnen zählten zu seinem Freundeskreis – angenommen haben. Mit seiner Band The Gun Club hatte sich der Kalifornier Pierce ab 1980 der Aufgabe gestellt, einen sowohl unprätentiösen als auch der US-Populärmusik verhafteten Sound zu kreieren, über den sich die eigenen Psychodramen vorführen ließen.

Im Ergebnis oszillierte die Musik zwischen ungeschliffenem Punk und erschöpft ausladendem Blues-Rock, zu größerer stilistischer Geschlossenheit fand er hingegen auf seinen Soloveröffentlichungen, auf denen er sich in sich in den Singer/Songwriter-Traditionsstrang einreihte und mitunter apokalyptische Phantasien zu dynamischen Folk-Klängen aussponn. Hinter der Fassade urwüchsigen Außenseitertums arbeitete sich Pierce an den Themen Tod, Scheitern und Sexualität aus der klaustrophoben Enge urbaner Welterfahrung ab.

Nicht zuletzt ist es diese ganz und gar unheroische Schicksalsbewältigung, die so manchen seiner Songs auch anderthalb Jahrzehnte nach seinem Tod mehr als nur archivalisches Interesse beschert. Nick Cave, Lydia Lunch, Mark Lanegan, Debbie Harry (Blondie), Mick Harvey, The Raveonettes und all die anderen Mitwirkenden an dieser CD hatten es somit nicht allzu schwer, die alten Fragmente für die Gegenwart aufzubereiten und zu komplettieren.

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