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Pankraz, das Burka-Verbot und die Körperbilder

Pankraz, das Burka-Verbot und die Körperbilder

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Pankraz, das Burka-Verbot und die Körperbilder

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Cato, Palmer, Exklusiv

Genau zur gleichen Zeit, da im Pariser Parlament eine Allparteienresolution für ein Burka-Verbot eingebracht wurde, eröffnete im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe die Ausstellung „Nude Visions. 150 Körperbilder in der Fotografie“, eine äußerst „freie“ Schau, in der auch noch der intimste Teil des weiblichen Körpers scharf ins Bild genommen und ungeniert vorgezeigt wird. Das Echo auf die Pariser Resolution war riesig und weckte leidenschaftliche nationale und internationale Kommentare. Die Vernissage in Hamburg hingegen blieb Angelegenheit einiger weniger Kuratoren und Hobbyfotografen. Das öffentliche Interesse tendierte gegen Null.

Burka bedeutet Totalverhüllung, „Körperbilder“ im heutigen Verständnis bedeuten Totalentblößung. Das heißt denn also: Wenn heute eine Frau total verhüllt durch die Straßen von Paris oder Hamburg spaziert, regen wir uns mehr auf, als wenn sie sich splitterfasernackt fotografieren und öffentlich ausstellen läßt. Das war bekanntlich nicht immer so, und man sollte – jenseits aller Politik – vielleicht einmal darüber nachdenken.

Man setzt, findet Pankraz, mittlerweile allzu schnell voraus, daß Burka-Trägerinnen sogar hierzulande zur Burka stets irgendwie gezwungen würden; danach gefragt hat sie üblicherweise niemand. Was die Leute spontan nach Verbot rufen läßt, ist weniger die politische Empörung über die Unterdrückung der „armen Frauen“, vielmehr empört man sich darüber, daß da hin und wieder ein weibliches Wesen, ob unterdrückt oder nicht, in den Blick kommt, von dem man tatsächlich nicht einmal die Augen sehen kann. Wo gibt’s denn so was? Der moderne Westeuropäer hat ein „Recht“ auf Körperbilder! Körperbilder, „nude visions“, sind Menschenrecht!

Wenn sich kaum jemand für die Hamburger Aktfoto-Ausstellung interessiert, so liegt das ja  nicht an gewachsener öffentlicher Dezenz oder Schamhaftigkeit, sondern an Überfütterung. Warum soll man denn extra ins  Museum gehen, wo man doch jederzeit im Pornoshop oder im Internet Aktbilder in beliebiger Stellung und Enthüllungsphase konsumieren, studieren, heranzoomen kann? Wozu braucht man noch Akt-Kunst, wenn der „Akt“, die Erscheinung des nackten Körpers, längst von allen Plakatwänden flimmert?

Die Hamburger Schau war vergangenes Jahr bereits im Münchner Stadtmuseum zu sehen. Auch dort beklagte man sich über mangelnde Aufmerksamkeit und erinnerte sich sehnsüchtig an eine ähnliche Schau am selben Ort, die in den wilden Nach-68er-Jahren stattgefunden hatte. Damals kam es zu einem „Eklat“, weil sich ein Trupp Emanzen mit wilder Gebärde vor den gezeigten Fotografien entblößte und sie in corpore nachahmte. Die Zeitungen überschlugen sich, das Fernsehen ärgert sich noch heute darüber, daß es über das Event nicht unterrichtet war.

Nichts von all der Aufregung jetzt bei „Nude Visions“, weder in München noch in Hamburg, obwohl die Ausstellung im Vergleich zu der früheren mit pornographischen Anspielungen aufgepeppt, nämlich auf Kosten historischer Malkunst vergröbert und „ironisiert“ worden ist. Fotos etwa von Timm Ulrich sind nun zu sehen, wo sich Leonardos Mona Lisa scheinbar einverständlich grinsend einen Geschlechtsakt ansieht, der direkt vor ihrem Standort stattfindet, oder nackte Aktmodelle, die einigen zwar leicht, aber züchtig bekleideten Polynesierinnen auf einem Gauguin-Bild fröhlich vorführen, was wahre Körperkunst ist.

Es läßt sich nicht mehr leugnen: Die permanente öffentliche Enthüllung des weiblichen Körpers und sein flächendeckender Einsatz zu Werbezwecken hat allenthalben zu seiner scharfen Entwertung geführt, sowohl in der Kunst als auch beim direkten Umgang der Geschlechter miteinander. Die körperliche Schönheit ist zum Kostenfaktor entartet, der bei der Jahresbilanz auf Euro und Cent abgerechnet wird. Eine der Nebenfolgen heißt totale Normierung. Einzig die jeweilige Modeform wird honoriert, die schnell zur Schablone wird, zur Norm eben. Die Schönheit erstarrt zur Figur aus der Fernsehreklame.

Und wohl auch die „Innenbindung“ der Schönheit, wie der große Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer das genannt hat, nimmt darüber Schaden. Die seelische Grazie, die jede äußere Schönheit nährt, wird gleichsam ausgeknipst, so daß aus schönen Frauen hübsche Puppen werden, „Models“. In klinischer Reinheit kann man diesen Vorgang in den großen Modestudios beobachten. Die Models sind derart enterotisiert, ja, mechanisiert, daß sich faktisch kein Mann mehr in sie verlieben mag und gleichgeschlechtliche Bindungen dort eindeutig bevorzugt werden.

In der Hamburger Fotoschau zeigen die realen Aktmodelle den gemalten Gauguin-Frauen, daß man angeblich nur im Zustand totaler Enthüllung wirklich verführerisch sein könne. Doch jeder ehrliche Betrachter sieht, daß die mäßig verhüllten Gaugin-Frauen auf dem Bild viel erotischer und verführerischer sind als die realen Nacktmodelle davor. Es gibt beim Verführen  bekanntlich eine Dialektik von Enthüllen und Verhüllen. Die moderne Entwicklung im Westen hat diese Dialektik immer mehr ignoriert. Man setzte stattdessen auf plumpe Enthüllung zu steigenden Preisen – und sitzt nun tief in der Banalitätsfalle.

Hier käme das Pariser Burka-Verbot ins Spiel. Seine Absicht ist, wie gesagt, politisch und letztlich auch zu begrüßen. Man will nicht, daß das Bild unserer Städte, bei ständig wachsendem Zuzug von Muslimen, mit lauter weiblichen „Pinguinen“ (Ralph Giardano) vollgestellt wird. Man will nicht, daß „unsere europäische Identität“ (Nicolas Sarkozy) gefährdet wird.

Besser wäre freilich, man widerstünde der islamischen Invasion insgesamt und auf hohem politischem Niveau. Wer sich statt dessen wie wild auf die sehschlitzlosen weiblichen Pinguine stürzt, nährt den Verdacht, hier tobe sich lediglich schlechtes Gewissen aus, das man – und zwar völlig zu Recht – angesichts der höchst degoutanten, böse entsublimierenden westlichen Körperwelten und „Nude Visions“ empfindet.

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