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Tausend neue Worte

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Einen Segen der Rechtschreibreform brachte Axel Hacke, Kolumnist der Süddeutschen Zeitung und Buchautor, bei seiner Eröffnungsansprache der Ausstellung „Man spricht Deutsch“ auf diesen Punkt: „Mehr Dinge sind richtig.“

Im Bonner Haus der Geschichte widmet sich momentan eine kleine Ausstellung der deutschen Gegenwarts- und Jugendsprache und versucht, Fragen zu beantworten: Woher kommt sie, und was zeichnet die deutsche Sprache aus? Bildet sie sich zurück, oder entwickelt sie sich weiter? Wie verändert sich die Bedeutung von Worten? Was hat es mit dem Einfluß von Anglizismen auf sich? Stirbt die deutsche Sprache aus?

Hacke, Verfasser des „Kleinen Erziehungsberaters“, wußte ohne Bedenken zu antworten: Die deutsche Sprache sei die am häufigsten gesprochene Muttersprache Europas. Zwar fielen immer wieder Wörter weg, Hacke nannte die Zahl von jährlich fünf, dazu kämen aber immer wieder bis zu tausend neue. So sei zum Beispiel das norddeutsche Wort „knorke“ fast vollständig ausgestorben, statt dessen sei heute eben bei Jugendlichen das aus dem Englischen stammende „cool“ gebräuchlich. Auch dürfe man sich nicht vor dem Zugang von Anglizismen oder anderen Fremdwörtern in die deutsche Sprache verschließen, sondern sollte ihnen „frohen Mutes“ entgegenschauen. Sprache entwickle sich mit den Generationen und wie ein kleines Kind, das langsam, aber sicher erwachsen werde.

Hacke verwies darauf, daß die deutsche Sprache nicht nur ihre Dialekte besitze, sondern daß es auch Sprachgebräuche bestimmter Betriebe gebe. Er nannte hierbei vor allem die Deutsche Bahn mit ihrem „Bahndeutsch“. So lautete eine Lautsprecherdurchsage: „Unser freundliches Serviceteam würde sich gerne über Gäste freuen.“ Was für ein gewöhnungsbedürftiges Deutsch.

Hacke ging auch darauf ein, daß allein die Aussprache eines Wortes seinen Sinn vollständig verändern könne. Die Bedeutung des „Ehegattensplitting“ zum Beispiel, eines in den 1970er Jahren geschaffenen Neologismus, verändere sich je nach Aussprache. Als „Splitting“ ausgesprochen vermute man irgend etwas Harmloses mit Teilung, als „Schplitting“ klinge es schon eher nach Scheidung mit viel Streit und häuslichem Krieg.

Die chronologisch aufgebaute Ausstellung zeigt anhand von etwa 500 Exponaten einen Abriß der Entwicklung der deutschen Sprache – vom „Codex Manesse“ aus dem 14. Jahrhundert über das Grimmsche Wörterbuch und eine Original-Ausgabe des „Werther“ bis zu kunstvoll im Unterricht verzierten Reclam-Heften, von der Jugendsprache bis zum SMS-Kurztext.

Ausführlich wird Deutsch dann ab 1945 dargestellt. Die Jugendjargons einzelner Jahrzehnte werden ebenso aufgegriffen wie die Einflüsse der wachsenden Migration auf die Sprache. Immer wieder wird dabei deutlich, daß Deutsch nicht nur eine sehr schwierige und anspruchsvolle Sprache ist, sondern eben auch als die „Orgel der Sprachen“ gilt. Immerhin sprechen 120 Millionen Menschen Deutsch, 17 Millionen sind gerade dabei, unsere Sprache zu erlernen.

Die deutsche Teilung, auch das wird gezeigt, beinhaltete auch eine sprachliche: So hieß das Grillhühnchen in der DDR „Broiler“ und der Supermarkt „Kaufhalle“. Auch Begriffe wie „Kader“, „Brigade“,„Kollektiv“ und „Werktätiger“ sind heute kaum noch gebräuchlich.

Im Herzen der Ausstellung steht ein „Rooter“, ein neuartiger Schreib-Roboter mit einem „Arm“, der wie handschriftlich schreibt. Besonders hübsch ist auch die Tafel mit den Liebeserklärungen an die deutsche Sprache. Hier schreibt ein neunjähriges Mädchen: „Mein schönstes deutsches Wort ist ‘Libelle’, weil ich Wörter mit dem Buchstaben ‘l’ liebe und dieses Wort sogar drei davon hat. Das flutscht so auf der Zunge. Aber ich finde auch, daß Libellen so schön flattern, und genau das erkennt man auch an dem Wort.“

Die Ausstellung „Man spricht Deutsch“ ist bis zum 1. März im Bonner Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14, täglich außer montags von 9 bis 19 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Telefon: 02 28 / 91 65-0

Foto: Karikatur von Juli Sanchis Aguado, Spanien, 2001: Ist die deutsche Sprache bedroht?

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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