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Marc Jongen, ESN Fraktion

Parteigänger einer verlorenen Sache

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Die politisch korrekten Curricula amerikanischer Colleges dürften Juan Donoso Cortés wie Platon oder Hegel zu jenen „toten weißen Männern“ zählen, die als notorische bad guys wenig Aussicht auf „Spaß“ bieten. Und mehr als ihren Namen müssen sich US-Studenten der Politikwissenschaft daher nicht merken.

Ihre europäischen Kommilitonen haben freilich kaum Anlaß, darauf mit Herablassung zu reagieren. Der spanische Diplomat, Politiker und Publizist, dessen Geburtstag sich am 6. Mai 2009 zum 200. Mal jährt, ist auch bei den bildungsnahen Schichten des alten Kontinents eine nahezu unbekannte Größe. Zwar weniger, weil er hier durchs PC-Rost fällt, sondern weil das Werk des „Untergangspropheten“ (Joseph Bernhart) in den 150 Jahren seit seinem Tod (1853) nur in Spanien sowie – bescheidener – in Frankreich und Italien auf Resonanz gestoßen ist.

Eine schwache deutsche Donoso-Rezeption datiert aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und ist mit dem Namen des Staatsrechtlers Carl Schmitt wie dem des Romanisten Edmund Schramm verbunden. Erst zwei Generationen später ging von Günter Maschkes Neuübersetzung des „Essays über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus“ (1851) für die Beschäftigung mit dem politischen Theologen Donoso Cortés ein frischer Impuls aus, der dem Verlag leider freilich nicht einmal hinreichte, um für den ursprünglich geplanten weiteren Band der Werkauswahl mit einer sicheren Abnehmerschaft  kalkulieren zu können. Immerhin aber liegt der 1989 veröffentlichte erste und einzige Band dieser Edition seit 2007 in dritter, vermehrter Auflage vor.

Man sollte darin zunächst Maschkes mit ausführlichen Zitaten unterlegte, „Endzeit, Zeitenende“ betitelte Einleitung  lesen, um sich über den europäischen Rang ins Bild setzen zu lassen, den Donoso in den ihm noch vergönnten Lustrum nach 1848 beanspruchen durfte. Zugleich wird klar, warum die Schriften des erzkonservativen spanischen Opponenten des „Zeitalters der Revolutionen“ bald nach seinem Tod eher antiquarische Liebhaber fanden: nämlich deshalb, weil, wie Maschke zutreffend akzentuiert, seine politische Position so extrem war, daß sie in der Wirklichkeit nicht Fuß fassen konnte. Für Donosos „Wahrheit“ stand keine „politische Form“ mehr bereit. Über die verfügten vielmehr seine Todfeinde, die Liberalen und Sozialisten, die seit 1848 die politische Zukunft Europas bestimmten. Was Donoso dagegen aufzubieten hatte, die „Diktatur des Säbels“, vermochte nicht nur gegen die Heraufkunft der neuen „demokratischen“ Herrschaftsformen des Massenzeitalters nichts auszurichten. Ihm selbst schien sie viel zu schwach, um auch nur in seinem von der Moderne am wenigsten erfaßten spanischen Vaterland eine katholischen Restauration ins Werk zu setzen.

Dieser „ausschließlich katholische“ Standpunkt Donosos inmitten eines historischen Prozesses rasanter Entchristlichung und Entkirchlichung, eines radikalen europäischen Bewußtseinswandels, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einem flächendeckenden Atheismus und ihm adäquaten Sozialverfassungen geendet ist, bildet bis in unsere unmittelbare Gegenwart das stärkste Rezeptionshemmnis. Denn wie kein anderer der großen Modernekritiker seiner Epoche, weder Kierkegaard noch Schopenhauer, weder Burckhardt noch Nietzsche, war dieser insoweit an Don Quichotte erinnernde spanische Edelmann als monarchistischer Verfechter des „catolicismo puro“ Parteigänger einer verlorenen Sache.

Wenn auch oft an der „Peripherie des katholischen Dogmas“ angesiedelt, wie der Franziskaner Dietmar Westemeyer (1940) lange vor Steffen Köhlers Einlassungen (JF 49/08) über die „protestantischen Positionen“ des Marqués de Valdegamas vermerkt, ist Donosos auf die politische Auseinandersetzung zugeschnittenes „System“ doch von prägnanter Schlichtheit. Alpha und Omega jeder Reflexion ist sein Glaube, daß alle Dinge in Gott ihren Ursprung und Seinsgrund haben.

Daraus folgt für ihn „logisch zwingend“ die Abhängigkeit des mit der Erbsünde geschlagenen Menschen und seiner (Un-)Ordnungen von Gott. Gestützt allein auf seine Vernunft vermag der Mensch nichts. Er ist also nicht für die Wahrheit geschaffen. Seine Vernunft ist daher, in Donosos drastischer Ausdrucksweise, „die größte aller menschlichen Erbärmlichkeiten“.

Diese vom Glauben losgelöste Vernunft entdeckt der adlige Gegenrevolutionär in den seit 1789 von Revolution zu Revolution hastenden säkularen Heilslehren des Liberalismus, Sozialismus, Kommunismus, die dem „autonomen Individuum“ den Weg ins irdischen Paradies ebnen wollen. Unter dem Eindruck der europäischen Umbruchsära, der sich unaufhaltsam vollziehenden Emanzipation vom Christentum, wähnt Donoso sich als Zeuge eines Endkampfs zwischen Gut und Böse, Katholizismus und Revolution, Glaube und Unglaube, Ordnung und Unordnung, katholischer und „philosophischer“ (rationalistischer) Zivilisation.

Abgesehen von dem seit 1850 stetig unvermittelbarer gewordenen katholischen Credo Donosos, ist es dieser sich manichäisch gebende Dualismus, der den Zugang zu den rhetorisch funkelnden Texten des großen Polemikers versperrt – dieser Entweder/Oder- („Katholizismus oder Untergang“), „Alles oder Nichts“-Rigorismus, das ermüdende „Fortissimo starker Worte“ (Carl Schmitt), die penetrante Beschwörung von Untergang und Auflösung, der manische Mischung aus Schreckens- und Endzeitszenarien, gestützt auf einen kindlich anmutenden, gegen jede naturwissenschaftliche Erkenntnis abgeschotteten Biblizismus, dem zufolge die Erde für ihn weiterhin nur 6.000 Jahre alt sein soll und das Jüngste Gericht schon morgen früh zusammentritt.

Diese religiöse Aufladung und die damit unvermeidlich einhergehende  totalisierende Überforderung des Politischen, die theokratische Architektur seiner idealen Ordnung, sah erst der späte Donoso kritischer. Daß einzelne Abtrünnige in den Schoß der Kirche zurückkehrten, sei ihm bekannt, nicht aber die religiöse Wiederbelebung eines Kollektivs: „Unglücklicherweise jedoch habe ich niemals ein Volk gesehen, das zum Glauben zurückgekehrt ist, nachdem es ihn verloren hatte“. Der Bewußtseinswandel war damit auch für ihn unumkehrbar geworden. Damit rutschte aber auch die realistische Basis von Donosos politischer Theologie weg und somit die Hoffnung, dem „sozialistischen Heidentum“ eines Karl Marx die Massen abspenstig machen zu können.

Juan Donoso Cortés: Essay über den Katholizismus, den Liberalismus und den Sozialismus und andere Schriften aus den Jahren 1851 bis 1853. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Günter Maschke, Karolinger Verlag, Wien/Leipzig 2007, 513 Seiten, 59,90 Euro

Foto:  Juan Donoso Cortés (1809–1853): Zeuge eines Endkampfs

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