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Trauma-Deutungen

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Cato, Weidel, Exklusiv

In der Schlußszene von „Der Baader-Meinhof-Komplex“ legen die Autoren ausgerechnet Brigitte Mohnhaupt (Nadja Uhl) den Satz in den Mund: „Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren!“ Im Hinblick auf die vorangegangenen zweieinhalb Stunden, in denen die „Ikonen“ eher zementiert als demontiert wurden, ist das ziemlich dreist. Die bewußt inszenierte Ikone und das Filmzitat finden sich jedoch bereits ganz am Anfang der Geschichte: Als sich Baader und seine Komplizen 1968 wegen Brandstiftung vor Gericht zu verantworten hatten, „da traten sie wie eine Künstlertruppe in einem Stück oder Film auf, in dem sie die Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler zugleich waren. (…) Baader gab mit bewährter Attitüde den Belmondo oder Brando, nach einem Text von Genet oder Bukowski“ (Gerd Koenen). Am Anfang stand also weniger die Politik als die Pose. Eine wichtige Rolle bei der Studentenrevolte spielte die 1966 in West-Berlin gegründete Deutsche Film- und Fernsehakademie (DFFB). Unter den zahlreichen Agitprop-Filmchen dieser Zeit gab „Wie baue ich einen Molotowcocktail?“ nicht nur eine detaillierte Anleitung, sondern rief offen zur Brandstiftung auf. Regie führte kein Geringerer als Holger Meins. Auch Ulrike Meinhof drehte einen Film, kurz bevor sie in den Untergrund ging: „Bambule“, 1970 vom ZDF produziert, prangerte die Zustände in einem Erziehungsheim an. Während der folgenden Jahre eskalierte der Terror, gleichzeitig wuchs der Ruhm des Neuen Deutschen Films. Das Klima der „bleiernen Jahre“ ließ weder ein Urteil noch einen adäquaten Ausdruck der zumeist linksgerichteten Filmemacher zu. Volker Schlöndorff verfilmte 1975 Bölls Novelle „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, die die Springer-Presse attackierte und sich gegen die Diffamierung von „Sympathisanten“ wandte. Erst der Oktober 1977 brachte jenes Ende mit Schrecken, das allmählich eine „Vergangenheitsbewältigung“ zuließ. Die Filme, die seither entstanden sind, sind zum überwiegenden Teil Versuche der Linken, dem Trauma eine Deutung zu geben. Ein nicht geringer Teil der aus der Kulturrevolution hervorgegangenen Filmemacher, Literaten und Intellektuellen sah in Baader-Meinhof abtrünniges Fleisch vom eigenen Fleisch, hatte sich die antiautoritäre Linke doch vor allem „aus dem Milieu der Künstler, der Bildung, der Boheme und der Kultur“ (Bernd Rabehl) rekrutiert. Die erste Standortbestimmung war der unter Anregung von Alexander Kluge entstandene Film „Deutschland im Herbst“ (1978). An diesem zwar konfusen, aber reizvollen Mix aus Spiel- und Dokumentarfilm wirkten unter anderem Fassbinder, Schlöndorff, Edgar Reitz, Heinrich Böll, Wolf Biermann und — Horst Mahler mit. Während Fassbinder, der zuvor mit Sprüchen à la „Ich schmeiße keine Bomben, ich mache Filme“ kokettiert hatte, in „Die dritte Generation“ den Terrorismus angeekelt denunzierte, suchten andere immer noch nach Rechtfertigungen. Margarethe von Trottas selbstmitleidiger Kunstfilm „Die bleierne Zeit“ (1981) präsentierte Gudrun Ensslin als eine Art antifaschistische Jeanne d‘Arc. Eine ähnliche Idealisierung, vom frustrierten Neurotiker zum linken Road-Movie-Rebellen, erfuhr Bernward Vesper, Ensslins ehemaliger Lebensgefährte, in Thomas Imhoofs Verfilmung (1985) des autobiographischen Romanfragments „Die Reise“. Vesper hatte 1971 Selbstmord begangen. Sein Buch ist das Zeugnis einer zerrütteten Seele, in deren psychischer Disposition Gerd Koenen einen Schlüssel zur Genese des deutschen Terrorismus sieht. Thomas Harlan, der Sohn Veit Harlans, konfrontierte in „Wundkanal“ (1984) die Taten der RAF mit denen eines SS-Kriegsverbrechers, womit die Rechtfertigung und Schuldrelativierung über den Buhmann „Faschismus“ ihren Höhepunkt erreichte. „Stammheim“ von Reinhard Hauff nach einem Drehbuch von Stefan Aust, 1986 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, ist eine minutiöse Nachinszenierung des Baader-Meinhof-Prozesses. Die Protagonisten begegnen dem Gericht mit einer souveränen Schneidigkeit, die sie im realen Leben nie besessen haben; Hauff läßt kaum einen Zweifel an der Legitimität ihres luziden Angriffs auf das „System“. 1997 drehte Heinrich Breloer den spannungsgeladenen TV-Zweiteiler „Todesspiel“, der die Ereignisse des „deutschen Herbstes“ in Spielszenen und dokumentarischen Interviews mit den Beteiligten rekapitulierte. Als einer der ersten warf Breloer einen eindringlichen Blick auf die Opfer, vor allem auf die Insassen der Landshut. Die Täter werden schonungslos in ihrem zynischen, eliminatorischen Fanatismus gezeigt. Den vergeblichen Versuchen der Terroristen, auszusteigen und ein neues Leben zu beginnen, widmeten sich 2000 Volker Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuß“ und Christian Petzolds „Die innere Sicherheit“. Andreas Veiels Dokumentarfilm „Black Box BRD“ (2001) vergleicht die Lebensläufe von Alfred Herrhausen und Wolfgang Grams. Vielschichtig, aber auch sentimental verklärend ist Gerd Conradts Doku-Denkmal für seinen DFFB-Kommilitonen „Starbuck Holger Meins“ (2001). Christopher Roths „Baader“ (2002) hingegen betrieb bewußte Pop-Mythenbildung und stilisierte Ensslin und Baader zu bundesdeutschen Bonnie & Clyde. Fast 40 Jahre nach Gründung der RAF ist das Interesse ungebrochen: Filme, Bücher, CDs werden unablässig auf den Markt geworfen, womit der rote Terror längst zum zweiterfolgreichsten deutschen Histotainment-Export nach dem Nationalsozialismus geworden ist. Foto: Szene aus Margarethe von Trottas „Die bleierne Zeit“ (1981): Angelehnt an die Biographie der Schwestern Christiane und Gudrun Ensslin, im Film Juliane (Jutta Lampe) und Marianne (Barbara Sukowa, 2.v.re.)

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