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Requiem für einen Erneuerer

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In der St. Michaelskirche zu Brünn fand vergangenen Freitag das Requiem für den genau eine Woche zuvor verstorbenen Komponisten und Musiktheoretiker Alois Piňos statt, dessen Einfluß auf die zeitgenössische tschechische Musik der letzten fünf Jahrzehnte kaum hoch genug veranschlagt werden kann. 1925 im mährischen Vyškov geboren, studierte und lehrte er später an der Janacek-Akademie für Musik und darstellende Kunst in Brünn.  Piňos’ Ideen und Initiativen prägten in besonderer Weise die Neue Musik des „Prager Frühlings“. Dazu gehörte der Gedanke der „Teamkomposition“: der Arbeit verbündeter Komponisten an einem gemeinsamen Werk, wie sie zum Beispiel im „Divertissement“ für Harfe, Klavier und Orchester von 1969, einer Collage nach nachgelassenen Skizzen des Brünner Grafen Haugwitz praktiziert wurde — mit seinen Freunden Arnost Parsch, Milos Stedron und Ivo Medek. Weitere Elemente seines Schaffens waren die Entwicklung einer „Brünner Mono-“ oder „Minioper“ für ein bis zwei Darsteller nach Anstößen des Brechtschen Verfremdungstheaters gemeinsam mit dem Dichter Josef Berg (1927—1971) sowie das Kunstfestival „Brünner Exposition“ in Zusammenarbeit mit bildenden und darstellenden Künstlern. All diese Ansätze wurden in der Gleichschaltungsphase unter Gustav Husák nach der Sowjetinvasion seit 1972 unterdrückt und verboten, Piňos konnte wie andere prominente Komponisten des 1968er Aufbruchs nicht mehr publizieren und aufgeführt werden, seine Habilitation wurde ignoriert. Die tschechische Neue Musik fand in jenen Jahrzehnten bis zum Zusammenbruch des Kommunistenregimes unter der Oberfläche öffentlicher Wahrnehmung statt, doch sie existierte, und die „Brünner Exposition“ konnte seit 1990 wieder mit ungebrochenen Kräften weiterarbeiten. Zu ihren Initiatoren gehörte weiterhin Alois Piňos, der auch die Artikel über tschechische Komponisten für den Katalog der 1994 in der Bonner Bundeskunsthalle gezeigten Ausstellung „Europa-Europa. Das Jahrhundert der Avantgarde in Mittel- und Osteuropa“ verfaßte. In vertonten Texten setzte er sich engagiert für tschechisch-deutsche Verständigung ein. Zahlreiche Schüler führen seine Gedanken fort.   Dr. Detlef Gojowy, Musikwissenschaftler und Fachbuchautor, arbeitete als Rundfunkredakteur für Neue Musik bei Radio Bremen und dem  WDR.

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