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Hausaltar mit Che und Mao

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Bereits die Auftaktveranstaltung zwei Tage vor der Ausstellungseröffnung ließ nichts Gutes ahnen. Im legendären Frankfurter Club Voltaire, wo die Linke aller Schattierungen seit Jahrzehnten ihre sogenannte „Diskussionskultur“ pflegt und dabei natürlich immer unter sich bleibt, weil ihr alles andere als „bourgeoiser Greuel“ gilt, trafen sich ein ehemaliger Hausbesetzer und ein früherer Polizeipräsident zum versöhnlichen Diskurs. Daß es sich dabei einerseits um den Joschka-Fischer-Intimus Tom Koenigs handelte, der als Bankierssohn einst sein Erbe dem Vietcong vermachte, später als grüner Frankfurter Stadtkämmerer scheiterte und zum Lohn als UN-Diplomat auf einen lukrativen Posten ins balkanesische Kosovo gehievt wurde, und andererseits um Knut Müller, der als Frankfurter Polizeipräsident damals sozialdemokratische Wohnungsbaupolitik durchzusetzen hatte – was in diesem Fall die Zerstörung der Patrizier-Altbauten des Westend bedeutete -, machte die Sache auch nicht besser. Zumal mit Reinhard Mohr einer der unbedarftesten Epigonen der 68er das Gespräch moderierte. Ausnahmsweise ist Jutta Ditfurth einmal zuzustimmen, wenn sie die Ausstellung „Kurzer Sommer – lange Wirkung“ im Historischen Museum als Verfälschung einer „schwarz-grünen Kulturschickeria“ beschreibt. Mit über 700 Dokumenten, Fotografien, Alltagsobjekten und Tonaufnahmen ist sie immerhin die umfassendste Schau zum Thema. Tatsächlich wurde die Stadt am Main neben Berlin zum anderen Zentrum der Studentenbewegung. An der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität hatte sich nach dem Krieg um Max Horkheimer und Theodor Adorno die sogenannte „Frankfurter Schule“ etabliert. Hier amtierte der Bundesvorstand des SDS, eines ursprünglich brav sozialdemokratischen Studentenverbandes, dem einst Helmut Schmidt vorstand. Universität, Frankfurter Schule und SDS, dies waren zunächst die drei Bezugspunkte der Ereignisse, doch der Blick der Ausstellung beschränkt sich nicht aufs Lokale. Und so findet das „Achsenjahr“ 1968 dann auch in acht Themenräumen statt, in denen die wichtigsten Projekte der 68er zu bewundern sind: die Auseinandersetzung mit der angeblich immer noch ungenügend aufgearbeiteten NS-Vergangenheit, gemeinsames Leben in studentischen Wohngemeinschaften, neue politische Aktionsformen, die Solidarität mit Guerillakriegen in der Dritten Welt, eine Modernisierung des Lebensstils und eine neue Beziehung zwischen den Geschlechtern. Der Kurator, der Bonner Literaturwissenschaftler Manuel Gogos wird nicht müde zu beteuern, daß die Ausstellung und ihre Begleitveranstaltungen keineswegs für die „Veteranen“ der Bewegung gedacht seien und man deshalb auch keine „nostalgische“ Stimmung erzeugen wolle. Doch die Nostalgiker und Veteranen kommen natürlich zuhauf, um im Eingangsraum andächtig dem virtuellen Dialog der Videoporträts von Gretchen Dutschke, Daniel Cohn-Bendit, K.-D. Wolff, Bahman Nirumand und Beate Klarsfeld – die außer einer Ohrfeige für den damaligen Bundeskanzler Kiesinger kaum etwas zu ’68 beigetragen hat – zu lauschen. Später wird man sich im ersten Themenraum unter dem legendären „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“-Plakat des SDS treffen, um dann gemeinsam vor dem Hausaltar mit Mao, Che und Ho Tschi Minh in einer Gedenkminute zu verweilen. Es ist genau diese geschichtsklitternde Verbrämung und Glättung, die das ganze so obszön erscheinen läßt. So findet die Gewaltgeschichte der 68er in einer einzigen dunklen Vitrine statt, als wären RAF, Revolutionäre Zellen und 2. Juni nicht die logische Konsequenz von ’68 gewesen. Und natürlich auch kein Wort darüber, daß  der Propagierung der „sexuellen Revolution“, der Legalisierung von Drogen und eines „freien Lebensstils“ Pornoindustrie, Drogenkartelle und die moderne Warengesellschaft des Globalisierungs-Kapitalismus auf dem Fuße folgten. Doch decouvriert sich, wer derartige Erscheinungen nicht als conditio humana freudestrahlend begrüßt, damit bereits als miesepetriger Ewiggestriger, als jemand, der sich dem „Geist der neuen Zeit“ sperrt, der nach ’68 offensichtlich über uns hereinbrach. Wenn die Ausstellung also eine Erkenntnis bringt, dann die, daß die 68er und in ihrem Gefolge die postmoderne Linke sich durch eine ungeheure Fähigkeit auszeichnen, ihr eigenes durch und durch von Absurditäten und eklatanten Widersprüchen geprägtes Weltbild als einzig denkbare, quasi natürlich Ordnung erscheinen zu lassen und ihre aporetischen Denkfiguren als die menschlichen schlechthin. In diesem Sinne darf man bereits jetzt gespannt sein auf den 50. Jahrestag der „Freiheitsrevolution“ (Joseph Martin Fischer), zu dessen Höhepunkt dann sicherlich die Heiligsprechung von Rudi Dutschke und (mindestens) die Seligsprechung von Hans-Jürgen Krahl erfolgen wird. Die Ausstellung „Kurzer Sommer – lange Wirkung“ im Historischen Museum in Frankfurt am Main, Saalgasse 19, ist noch bis zum 31. August täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr, zu sehen. Foto: Studenten gegen Polizisten bei einer Demonstration in Frankfurt am Main, 1969

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