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Das Sympathie-Prinzip

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Ja – das ist das vierte Eva-Herman-Buch zur Geschlechterpolitik. Und, nein – neue Gedanken finden sich hierin kaum, allenfalls Variationen des bereits Vernommenen.

Wer aber erstens argwöhnt, die einst weltläufige Fernsehfrau und nun zur Ein-Thema-Frau gewandelte Predigerin habe eine ersprießliche Geldquelle erschlossen, und zweitens den Dauerton des Immergleichen rügt, dem sei ein Vergleich angeboten: ein schneller Blick auf all die Bücher, die seit Hermans Bekehrung zur Mütterlichkeit direkt oder implizit gegen Herman erschienen sind.

Es sind Dutzende, die auf diesen verkaufsträchtigen Zug aufgesprungen sind, und auch sie warten mit unveränderten Gedankengängen und Argumentationssträngen auf.So oder so scheint es ziemlich angesagt zu sein, Frauen ihre Geschlechtlichkeit unter die Lupe nehmen zu lassen.

Die Mutter ins Hintertreffen geraten

Insofern zeigt sich Herman durchaus auch als würdige Charlotte-Roche-Antagonistin. Im Gegensatz zu Porno-Girl Roche kappt sie eben nicht den Zusammenhang von Sexualität und Fortpflanzung. Sie hebt, und das ist die eigentlich unzeitgemäße Position, die Bestimmung der Frau zur Mütterlichkeit hervor.

Wir kennen unterschiedliche Archetypen der Weiblichkeit – im Gegensatz zum Typus der „Nymphe“ oder der „Hetäre“ ist die „Mutter“ seit einigen Jahrzehnten ins Hintertreffen geraten. Dies ist nicht nur eine Frage des Temperaments, sondern vor allem ein Modeding. Jedenfalls ist die Nachfolgestelle der immer noch agilen konservativen Übermutter Christa Mewes vakant, und es scheint, als würde Eva Herman recht gut in deren Fußstapfen passen.

Daß die verfemte Ex-Tagesschau-Sprecherin genausowenig wie ihre Vordenkerin Mewes durch intellektuellen Scharfsinn und eloquente Wendigkeit brilliert, heißt nicht, daß ihre Thesen unklug wären. Sie sind bodenständig und wahr – auch wenn man schon tiefer schürfen müßte, um die ganze, ambivalente Wahrheit über das Wesen der Frau und Mutter zu ergründen.

Herman hat sich immer um Aufrichtigkeit bemüht

„Eva Herman live“, so bewirbt der evangelische Hänssler-Verlag den eben erschienenen Interviewband und verspricht unter der rhetorischen Maßgabe „Kennen wir sie wirklich?“ einen „ganz persönlichen“ Zugang zu der umstrittenen Autorin. Solches Intimgetue mag einen leicht peinlich berühren. Doch es verspricht nicht zuviel. Gerade durch seine Offenheit ist das „Überlebensprinzip“ ein anrührendes Buch.

In all den Kampagnen, denen Eva Herman seit Erscheinen ihres antifeministischen Aufsatzes in der Zeitschrift Cicero vor zwei Jahren ausgesetzt war, hat sie sich um Aufrichtigkeit bemüht. Das wenigstens sollte ihr jeder zugestehen – selbst, wer mit ihren Thesen zu Mutterschaft und Familie nicht übereinstimmt.

Eva Herman hat weder Mutterkreuz und Führerkult das Wort geredet, noch hat sie je haßerfüllt über Frauen geredet, die – ähnlich wie sie selbst jahrzehntelang – voll und ganz in ihrem Karrierestreben aufgingen. Ihre eher mitleidende Haltung gegenüber Frauen, die im „Stechschritt“ ihr ganzes Tun in den Dienst der Wirtschaft stellen, löste um so stärkere Aggressionen bei ihren Kritikern aus.

Heute aktiver denn je

Ihrem neuesten Buch hat sie diesbezüglich einen Sinnspruch des Dichters  Friedrich Rückert vorangestellt: „Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen, die im Irrtum verharren, das sind die Narren.“ Ein wenig unaufrichtig ist es denn aber doch, wenn die christlich geläuterte Ex-Nachrichtensprecherin, Motorradlady und Vielfachgeschiedene angibt, sie habe ihren „Rückzug aus der Öffentlichkeit“ recht gut verkraftet.

Herman ist heute aktiver, als sie es als Nachrichtenleserin und Mainstream-Moderatorin je sein konnte.Zu ihrer damaligen Position, so sieht sie es, haben ihr zwar persönlicher Fleiß und Ehrgeiz verholfen, aber auch ein Zeitgeist, der telegene Frauen wie sie seinerzeit und bis heute auf entsprechende Posten spülte.

Im Gespräch mit dem 81jährigen Verleger Friedrich Hänssler geht sie einerseits erneut hart mit der derzeitigen Familienpolitik und den vorherrschenden Gesellschaftsmodellen ins Gericht. Nicht minder schonungslos legt sie aber auch die eigene Biographie dar: Ihre Prägung durch die so liebevolle wie dominante Mutter, über deren tiefgehende Bedeutung sie sich erst durch deren Tod klargeworden sei. Selbstkritisch mutmaßt sie, daß ihr eigener Eheverschleiß eine Art Vatersuche gewesen sei – Hermans leiblicher Vater war früh verstorben.

Nicht jammern, sondern weiterkämpfen!

Wie die Autorin rückblickend die eigene Begeisterung über die gemeisterte Karriere beschreibt, wie sie ihr oberflächliches Aufgehen in karrieretechnischen Erfolgen ins Visier nimmt, und die offenherzige Wehmut, mit der sie das tut – das nimmt den Leser sehr für Eva Herman ein. Dann der Fototeil: vom fröhlichen Zopfmädel im Kreise ihrer Familie über die modisch aufgeplusterte TV-Schönheit hin zur selbstbewußten, selbstkritischen Frau, die sie heute ist.

Diese Frau hadert nicht mit den Vorfällen rund um ihren Rausschmiß bei der Kerner-Sendung und auch nicht mit den Hintertreiberinnen der arglistigen Kampagne, die zur Aufgabe ihrer Fernsehsendung führte.

Daß der Eklat bei Kerner vom Fernsehteam inszeniert und geplant worden sei, hält die 49jährige für glaubhaft, ohne sich an den – durchaus evidenten – Spekulationen beteiligen zu wollen. Das ist gut an Herman: nicht jammern, sondern weiterkämpfen!

Prinzipien und Rezepte

Daß Hänssler kein kritisches Interview führt, sondern die Bälle allzu flach hält – nun ja. Nachdem Frau Herman schon einige Seiten über ihre Stillbegeisterung spricht, kommt da etwa die Nachfrage: „Stichwort Stillen – nennen Sie uns doch die wichtigsten Argumente fürs Stillen.“

So gerät das Gespräch gelegentlich hölzern – auch, wenn Herman sich, ein allzu simpler Kunstgriff, über Feministinnen als „altmodische und rückwärtsgewandte Vogelscheuchen“ ausläßt. Prinzipien und Rezepte sind es eben, die sie auszuteilen hat. Und die sind nicht schlecht, etwa: „Kinder passen nie ins Konzept. und deswegen passen sie eigentlich immer.“

Unterm Strich: Hut ab.

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