Obwohl George W. Bush wie wohl kein anderer amerikanischer Präsident zuvor die Menschen gegen sich aufbrachte und vermutlich als der unangefochten unpopulärste Staatschef in die Geschichte der USA eingehen dürfte, sind die popkulturellen Anstöße, die er gegeben hat, vergleichsweise gering. An ihm wollte man sich nicht einmal reiben, und wer es doch tat und etwa gegen ihn ansang, brachte es zumeist nur zu recht fragwürdigen Ergebnissen, deren Niveau sogar noch die Schablonenlyrik, die weiland gegen Ronald Reagan in Stellung gebracht worden war, unterbot. Auch die 1996 in Tucson/Arizona gegründete und anfänglich in einem bayerischen Musikverlag publizierende Band Calexico hat hier vor knapp zwei Jahren mit „Garden Ruin“ nicht überzeugen können. Nun jedoch vermag man das ganze wieder entspannter anzugehen und muß das gruselige Bild, das Bush-Amerika vermeintlich abgegeben hat, nicht mehr in erzieherischer Absicht durchkonjugieren. Ganz politikvergessen möchte Calexico, wenn man sich denn schon einmal den guten Ruf erworben hat, zur Nachdenklichkeit anzuhalten, natürlich nicht gleich werden, und so beginnt die neue CD „Carried To Dust“ (City Slang/Universal) mit einer Hommage an Victor Jara, einen Chilenen, der auch Musik gemacht und sich auf der im Kalten Krieg schließlich unterlegenen Seite in die Politik eingemischt hat, was er mit dem Leben bezahlte. Da am Pinochet-Putsch des Jahres 1973 die USA nicht ganz unbeteiligt waren, läßt sich dieser Aufhänger recht hübsch nutzen, um das Unrecht in der Welt, für das dieses Land auch heute noch verantwortlich sei, kurz und knapp abzuhandeln. Die eigentliche Mission von Calexico besteht jedoch darin, die Hoffnung am Leben zu halten oder — so muß man es nach acht Jahren Bush wohl sehen — wiederzuerwecken, daß es auch so etwas wie ein anderes Amerika gibt, das den in seiner eigentlichen Heimat heimatlosen Europäer zum Träumen einlädt. Das auch hierzulande weit verbreitete Bedürfnis, endlich wieder guten Gewissens in den wohlvertrauten Klischees des „amerikanischen Traums“ mit seinen individualistisch herumstreunenden Charakteren schwelgen zu können, befriedigt Calexico in unspektakulärer und souveräner Manier, indem schlicht die Ingredienzen der regionalen Musikküche von Country- und Folkrock bis zu Mariachi, einem für sich genommen eher kitschigen mexikanischen Klingklang zur Touristenbespaßung, zusammengerührt werden. So konstruiert und gewollt dieses Bild eines coolen und dissidenten Amerika, das da in den Wüsten Arizonas überdauert hat, auch sein mag und so penetrant der Unschuldsbonus der Latinos mit Trompetenschall und spanischen Versen letztendlich instrumentalisiert wird: Pop-Transatlantikern mit Cowboyethos und Wim-Wenders-Faible ist eine neue Zuflucht geboten. Nicht alle trauen jedoch Kinobildern und lassen sich auf Soundtracks ein, die solche vor dem inneren Auge erstehen lassen. Doch auch höhere Ansprüche an Authentizität in der Verkörperung eines ungebrochen überlegenen amerikanischen Lebensstils müssen nicht unerfüllt bleiben: Das komponierende schottische Cowgirl Isobel Campbell und der mit zahlreichen Karrierestationen zwischen Punkrock und Prärieliedern zur Westerngitarre oszillierende Mark Lanegan demonstrieren mit „Sunday at Devil Dirt“ (V2 Records) nun schon zum zweiten Mal, daß das manch andere Einflüsse bis hin zum Trip Hop aufgreifende Wandeln in den Fußstapfen von Johnny Cash und Nancy Sinatra keinen nostalgischen Beigeschmack hinterlassen muß. In dieser Aura der Privatheit beschleicht den Hörer nur schwerlich der Verdacht, sich einem Rollenspiel hinzugeben.