Von seinen bald siebzig Lebensjahren hat Ernst Walter Stummer, der „Einbrecherkönig“ von Wien, knapp über dreißig hinter Schloß und Riegel verbracht. Seine steile Karriere begann 1959 mit einem Fahrraddiebstahl, für den er zu drei Tagen Arrest verurteilt wurde. Später verlegte er sich darauf, nach Ladenschluß auf seine Weise shoppen zu gehen, über 1.000 Geschäften soll er im Laufe seines langen Berufslebens einen derartigen Besuch abgestattet haben. Im traditionellen Sinne gearbeitet hat „Bruch-Ernstl“ aber auch, in den Strafvollzugsanstalten nämlich, wo er sich in den Diensten der Republik Österreich als Setzer, Drucker, Bäcker oder Tellerwäscher verdingte. Der Lohn, den Stummer dafür erhielt, lag nicht nur weit unter jenem, der draußen auf dem freien Arbeitsmarkt gezahlt wurde. Der Staat behielt noch dazu 75 Prozent des Verdienstes als Beteiligung an den Haftkosten ein. Jahrzehntelang hat Stummer es klaglos hingenommen, daß die Obrigkeit ihn nicht nur seiner Freiheit beraubt, sondern auch noch Profit aus seiner Sklavenarbeit gezogen hat. Nun, da das Ende seiner Tage gekommen ist, will er nicht mehr schweigen, sondern dafür streiten, daß ihm wenigstens die Möglichkeit geboten wird, seinen Ruhestand mit einer ehrenvollen und seiner Lebensleistung gerecht werdenden Pension zu genießen. Eine solche ist ihm bislang verwehrt, da der österreichische Staat sich auf den Standpunkt stellt, daß aus seiner Arbeit im Gefängnis keine Rentenansprüche erwachsen sind. Diese bornierte Rechtsposition will Stummer nun mit seiner Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte widerlegen. Die Aussichten, daß die Luxemburger Richter sich seiner Auffassung anschließen, stehen nicht schlecht, ein entsprechendes Urteil würde die Staaten europaweit dazu zwingen, das an ehemaligen Gefangenen begangene Unrecht wiedergutzumachen. Sehr zu begrüßen wäre es, wenn in diesem Verfahren zugleich anderen Benachteiligungen, die Straftätern im Unterschied zu gewöhnlichen Arbeitnehmern widerfahren, ein Ende bereitet würde. So ist es nicht einzusehen, daß sie zu Dumpinglöhnen beschäftigt und womöglich noch für eine Bleibe zur Kasse gebeten werden, die sie sich gar nicht freiwillig ausgesucht haben. Zu fragen ist ferner, warum sie Pensionsansprüche lediglich für Arbeit erhalten sollen, die in das Klischee der klassischen Berufsbilder paßt, und nicht auch für die Zeit, die sie ihrem eigentlichen Metier gewidmet haben. Mühelos war dieses, wie das Beispiel Stummer belegt, ganz gewiß auch nicht.
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