Zur Debatte stehen: Eva Herman, ihr neues Buch, die Familienpolitik unter Hitler und die Frage, was wirklich gut daran zu nennen ist. Um die Wahrheit zu sagen: Vieles davon ist äußerst mangelhaft. Es bleibt ein großer Rest. Der ist hervorragend und verdient, Einzug zu halten in die familienpolitische Diskussion. Zur Not auch mit Pauken, Trompeten und unter Schmährufen. Die Rede ist, klar, von Hermans neuem Buch „Das Prinzip Arche Noah“.
Es ist zunächst eine Zumutung. Einmal deshalb, weil es sich wenigstens auf den ersten sechzig Seiten um den bereits zweiten Aufguß jener antifeministischen Fibel aus gleicher Feder handelt, die 2006 über 100.000 Mal verkauft wurde. Ungezählte Journalisten haben sich am „Eva-Prinzip“ abgearbeitet, Lästerzungen gewetzt und gutbezahlte Finger wundgeschrieben, um Hermans konservatives Plädoyer für eine „Neue Weiblichkeit“ in Bausch und Bogen zu verdammen.
Es folgte „Liebe Eva Herman“, das ein Forum bot für jene Mütter, Haus- und zweifelnde Karrierefrauen, deren Stimmen die Medienöffentlichkeit beharrlich verschweigt. Hier durfte das Hermansche Credo (das bis dahin ein im Wortsinne unerhörtes darstellte) nachgebetet und ergänzt werden. Soweit: absolut gerechtfertigt! „Endlich sagt’s mal eine!“ seufzte es durch diverse Meinungsplattformen.
Nun sagt sie es aber das dritte Mal, und eben im gleichen süßlichen Ton larmoyanter Aufregung. Langsam geht’s doch an die Nieren, diese frauchenhafte Leutseligkeit, mit der gouvernantenhaft „unbequeme Wahrheiten“ verkündet werden wie die, daß „Männer keine Monster“ seien, wenn wir sie nur als „andersartige Wesen respektieren“ würden; daß in „jeder Beziehung, auch in langjährigen Partnerschaften“ (allein die Wortwahl gruselt!) „ein Rest Geheimnis“ bleiben müsse. Geheimnisvoll etwa bleibt, wie der Mann „täglich neu spüren“ soll, „daß er ein Held ist“, oder warum uralte Fragen zur Sprache kommen müssen wie die, ob frau sich in den Mantel helfen lassen dürfe. „Schöne Wäsche kaufen“, „als empfindende Menschen miteinander sprechen“, „wahre Gefühle leben“, in einer „Vertrauenskultur“ die „Kultur des Herzens“ entdecken: Die kluge Hausfrau hat dieses Übermaß an Weichspüler doch gar nicht nötig. Mit der inflationären Verwendung alarmistischer Signalwörter wie „unerträglich!“ oder „erschreckend!“ läßt sich schwerlich der Hund hinterm Ofen (vulgo: Frau hinterm Laptop) hervorlocken.
Harte Kritik an Leyens Familienpolitik
Gut wird Herman, wenn sie die Gefühligkeit im Bauch beläßt und zur Sache redet. Dann wird’s „spannend“ (auch so ein Hermansches Lieblingswort), um nicht zu sagen – gefährlich. Selten ist jemand mit der Garantie öffentlicher Beachtung so hart mit der Familienpolitik Ursula von der Leyens ins Gericht gegangen. Das Thema der ministeriell empfohlenen frühkindlichen Sexualerziehung, bereits von Gabriele Kuby und in dieser Zeitung publik gemacht (JF 27/07), wird auch von Herman scharf in den Blick genommen.
Ohnehin läßt sie kein gutes Haar am aktuellen politischen Kurs. Sie deckt gezielte Desinformationen zu den angeblich erfolgreichen schwedischen Vätermonaten und zum allseits hochgelobten Krippenangebot in Frankreich auf. Die Familienministerin – Herman verdeutlicht das eindrücklich – wird ihr zur Vollstreckerin einer schieren Wirtschaftspolitik.
Während ihrer Buchvorstellung hat die Autorin bekundet, im „Dritten Reich“ sei „vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler“. Selbst in dieser Zeit jedoch habe es eine höhere Wertschätzung von Familie und Mutterschaft gegeben. Auf der Pressekonferenz sah sich keiner der anwesenden Journalisten darob zu kritischen Nachfragen veranlaßt.
NDR-Programmdirektor Volker Herres genügten die Aussagen Hermans zur NS-Familienpolitik trotzdem, der Moderatorin die Kündigung auszusprechen. Wortlaut: „Es steht Eva Herman frei, ihren Mutterkreuzzug fortzusetzen, aber mit der Rolle einer NDR-Fernsehmoderatorin ist dies nicht länger zu vereinbaren.“ Klar, Meinungsfreiheit! Aber „nicht mit uns“, den Meinungsmachern, denen Hermans Thesen lang schon ein Dorn im Auge sind.
Längst stand alles bereit. Die Reflexe (NS-Schuldkult) sowieso, Politiker von SPD und Grünen (Claudia Roth, Renate Künast), auch entsprechende Lobby-Strukturen (als Scharfmacher profilierten sich die NDR-Rundfunkrätin Sara-Ruth Schumann sowie Michael Fürst, beide Vorsitzende jüdischer Gemeinden). Der direkte Draht zur Presse (Titelzeile der Bild am Sonntag: „Eva Herman lobt Adolf Hitlers Familienpolitik“) funktionierte bereits in der Hohmann-Affäre. Bislang hatte allein ein Stichwort gefehlt, das nun genügen soll, Herman unmöglich zu machen.
Dabei hatte sich Herman schon früh in der Initiative „Laut gegen Nazis“ engagiert. Im neuen Buch erwähnt sie ihre homosexuellen, ausländischen, jüdischen etc. Freunde und distanziert sich von keinerlei Gruppierungen („Für mich gilt der Einzelmensch“) außer links -und rechtsradikalen Gruppen, die sie „aus tiefster Überzeugung“ ablehne.
Ähnlichkeiten der NS- mit der heutigen Familienpolitik
Was in der heißlaufenden Diskussion um Hermans Frauenbild untergeht, ja womöglich gerade verschleiert werden soll: Während das „Eva“- bzw. das neuformulierte „Arche Noah“-Prinzip maximal (!) auf eine Wiederbelebung jenes Frauenbildes setzen, das in den sechziger Jahren aktuell war, hat die NS-Familienpolitik vieles von dem vorexerziert, was maßgeblich zur von der Leyenschen Propaganda gehört: eine unverhohlene Gebäroffensive (die freilich eine weitgehend allseitige ist) gepaart mit der Maxime „Frauen in die Produktion“. In kaum einem anderen Land war – noch vor Kriegsbeginn – eine so hohe Frauenerwerbsquote erreicht wie in Deutschland.
Bereits im „Eva-Prinzip“ hatte Herman in aller Ausführlichkeit auf jene „Lufthoheit über Kinderbetten“ hingewiesen, die durch den NS-Staat per Einflußnahme auf den vormals privaten Bereich von Mutterschaft und Kindespflege angestrebt wurde. Die Kinder früh unter staatliche Kontrolle zu bringen, die Mütter (ideologisch entsprechend angefüttert) für Belange der Wirtschaft zu verheizen: Es ist Krippenministerin von der Leyen, die heute ein verdächtig ähnliches Programm fährt.
Mit der brutalstmöglichen Diskreditierung Hermans (gibt es ein schärferes Argument als eine auch nur angedichtete Nähe zum Nationalsozialismus?) soll das gesamte Familienbild obsolet gemacht werden, für das ihr Name steht. Die Erfahrung zeigt, daß Ideologien auf der Höhe ihrer Zeit (hier: die umfassende Gender-Offensive mit ihrem sozialistischen Kinderentfremdungsbegehren) argumentativ an Geschmeidigkeit verlieren. Wer sich in den Weg stellt (naiv oder bewaffnet – die vermutete Tragweite entscheidet), wird weggeknüppelt – da darf die Keule gern die härteste sein, die zur Verfügung steht.
Hier wurde ein Exempel statuiert. Keine soll es mehr wagen, sich bei Hermans kritischen Thesen zu bedienen. Sachlichkeit spielt keine Rolle. Finanziell mag der Schlag gegen Herman ihr nicht sonderlich schaden. Die Durchdringungskraft ihrer Argumente jedoch liegt fortan in der Waagschale.
Eva Herman: Das Prinzip Arche Noah. Warum wir die Familie retten müssen. Pendo Verlag, München 2007. gebunden mit SU, 200 Seiten, 18 Euro