Das rührige Künstlerduo Uwe Nolte und Frank Machau, das unter dem Namen Orplid auftritt und erst dieses Jahr gemeinsam mit dem Dichter Rolf Schilling auf dem Leipziger Wave-Gotik-Treffen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, beschreitet unverzagt neue künstlerische Pfade, abseits vom Massenbetrieb. Nach der Vertonung von Eichendorff-Gedichten (JF 30/06) folgt nun mit dem Album „Sterbender Satyr“ ein ebenso faszinierendes wie manchmal verstörendes Kunstwerk. Nirgendwo ist dieser Begriff angemessener: Bereits die Gestaltung der CD-Hülle mit einem Bild eines müde die Panflöte spielenden Fauns sowie das beigelegte Textheft zeugen von einer großen Liebe zur Sache. Alles ist ästhethisch stimmig, auf Ruhe und Stille eingestellt, wohl ein bewußter Kontrast zur Hektik heutigen „Kunstschaffens“. Ein Zitat des viel zu wenig bekannten Rolf Schilling, dessen Gedichte auch von Ernst Jünger sehr geschätzt wurden, steht leitmotivisch über der gesamten Arbeit: „Aber den Göttern ist herrliche Heimkehr verheißen/ wenn uns die Stunde, die unsagbar einsamste, schlug/ werden wir, Söhne des Traums, unsre Fessel zerreißen/ kehren wir ein in der Himmel unendlichen Flug“. Diese Motive des Abschieds, der Sehnsucht und der Heimkehr spiegeln sich auch in den CD-Texten wider, von einem Liebesgedicht Gottfried Benns („Auf deine Lider senk ich Schlummer“) über die Dichterin Oda Schaefer („Die Seherin“) bis zu einem Gedicht von Hermann Hesse („Gang am Abend“), in dem Hesse wehmütig und melancholisch sein Leben mit einem Weg ins Dunkel vergleicht. Das ist große Lyrik – weshalb es doppelt beeindruckt, daß Uwe Noltes eigene Gedichte nahezu ebenbürtig erscheinen, was Sprachmagie und Ausdruckskraft betrifft. „Sterbender Satyr“ ist ein langsames Abschiednehmen, erfüllt von einer Hoffnung auf eine neue, unbeschwerte Existenz, „Erster Frost“ erinnert an die Naturlyrik von Lehmann, Hausmann und von der Vring, „Gesang der Quellnymphe“ spiegelt märchenhafte Bilder und hätte auch gut in die Blütezeit der deutschen Romantik gepaßt, „Amils Abendgebet“ läßt unterschiedlichste Interpretationen zu, und sowohl „Heimkehr“ wie auch „Der letzte Ikaride“ fügen sich nahtlos in das etwas weltabgewandte und gleichzeitig lebenserfüllte Gesamtkonzept der CD ein. Musikalisch wird die Sache schwieriger: Uwe Nolte verwendet elektronische Stilmittel, akustische Instrumente, Gitarren, arbeitet mit vorsichtigen Verfremdungen, und dies alles andere als „eingängig“. Einerseits paßt manche Vertonung exakt zum Text, andererseits wünscht man sich manchmal etwas mehr Abwechslung – oder ist die zeitweilige musikalische Monotonie in den Instrumentalstücken gewollt? Sehr verschieden sind auch die beteiligten Künstler, denen Uwe Nolte offenbar alle Freiheiten für ihre Textinterpretationen gegeben hat: Maren Zankl interpretiert den Gesang der Quellnymphe traumhaft sicher und so gut, daß man sich die Nymphe im Walde vorstellen kann, aber Safi (über die man leider nichts erfährt) singt und spricht die Seherin mit überbetontem rollendem R so manieriert, daß man sich unwillkürlich an alte Theatersprechweisen der 1950er Jahre erinnert fühlt. Eigenwillig, aber unverwechselbar klingt schließlich auch Uwe Noltes eigener Gesang … Fazit: Eine musikalisch schwer zugängliche CD, die aber Texte von ausgesuchter Schönheit enthält und in ihrem ganzen Konzept so aus dem Rahmen der allgemeinen Mittelmäßigkeit fällt, daß man dem Album eine möglichst weite Verbreitung wünscht. Und auf die geplante Vertonung von Gedichten Hermann Hesses darf man sich schon jetzt freuen. Weitere Informationen im Internet unter www.noltex.de