Im Deutschland des Kalten Krieges war Kritik oder auch nur eine kritische Untersuchung zur Politik der westalliierten Besatzungsmächte nahezu ein Tabubruch. Ob in Berlin oder in Westdeutschland, die Besatzungstruppen von einst waren in der Terminologie der BRD zu Schutzmächten geworden. Frankreich, die „Siegermacht honoris causa“ (Willy Brandt) des Zweiten Weltkriegs, war nicht nur aufgrund des Selbstbewußtseins von General de Gaulle erpicht, sich auf gleicher Augenhöhe mit Großbritannien und den USA des „deutschen Problems“ anzunehmen. Der zeitliche Abstand zur Nachkriegszeit sowie die mittlerweile mythisierte deutsch-französische Aussöhnung seit 1963 tat das Ihre, um Frankreichs Rolle im besetzten Deutschland zum Tabuthema zu machen. Dieses Tabu hat der Historiker Volker Koop gebrochen und eine höchst lesenswerte, vielfach sogar spannende Geschichte der französischen Besatzungspolitik nach 1945 geschrieben. Hierzu gehört auch, daß Koop ohne Rücksicht auf linksrheinische Empfindlichkeiten die unschönen Umstände des Einmarsches französischer Truppen unter General de Lattre in Erinnerung ruft. Eindringlich schildert er die Bemühungen in der französischen Politik, die darauf zielten, ganz in der Tradition Richelieus Deutschland durch organisierte Kleinstaaterei schwach zu halten. Beeindruckend sind die Schilderungen der französischen Absichten, sich dauerhaft die Saar territorial einzuverleiben. Dieses unschöne Kapitel faktischer Annexionspolitik sowie die Vertreibung der Einwohner aus dem rheinischen Kehl und deren sehr späte Rückkehr machen aus Koops lebendiger Schilderung jedoch kein antifranzösisches Pamphlet. Im Gegenteil, der Autor zeigt gleich in einem Eingangskapitel („Der Überfall“), wie tief der deutsche Erfolg beim Westfeldzug im Mai 1940 den Nationalstolz der Franzosen getroffen hatte und woher manche forcierte, heute chauvinistisch anmutende Allüre kommen kann. So verwundert es nicht, daß der Autor im Abschlußkapitel die deutsch-französische Aussöhnung als das beschreibt was sie ist: eine Erfolgsgeschichte. Gesamturteil: Sehr lesenwert. Volker Koop: „Besetzt“. Französische Besatzungspolitik in Deutschland. Be.bra Verlag, Berlin 2005, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro