Am vergangenen Wochenende hat der Deutsche Fußball-Bund in die Stärkung der Zivilgesellschaft investiert und an die Zuschauer der in den obersten drei Spielklassen anberaumten Begegnungen insgesamt 750.000 rote Karten verteilt. Durch dieses Geschenk wurden die Stadionbesucher in die Lage versetzt, sich einen Herzenswunsch zu erfüllen: Gemeinsam mit den Spielern und den Schiedsrichtern auf dem Rasen setzten sie endlich einmal ein unübersehbares Zeichen gegen grassierenden Rassismus. Soll es sich hier nicht bloß um eine Pflichtübung handeln, werden weitere, möglicherweise noch spektakulärere Aktionen folgen müssen. Der Erfolg der Kampagne wird dabei wesentlich davon abhängen, ob man sich über ihr Ziel wirklich im klaren ist. Auslöser der aktuellen Maßnahmen waren rassistische Pöbeleien von Rostocker Zuschauern gegen den Schalker Nationalstürmer Gerald Asamoah, und entsprechend steht der Verdacht im Raum, daß man lediglich farbige Spieler vor Beleidigungen schützen möchte. Dies wäre jedoch viel zu kurz gegriffen. In seinen besten Zeiten wurde auch der weißhäutige und blonde Bayerntorwart Oliver Kahn auf zahlreichen Fußballplätzen mit Affengebrüll und Wurfbananen empfangen. Generell müssen alle Spieler der Gastmannschaften unbeschadet ihres Aussehens mit übelsten Anfeindungen dieser und anderer Art rechnen. Selbst gegen die Akteure des Heimteams können sich die Aggressionen der Zuschauer richten, insbesondere dann, wenn sie nicht die erhoffte Leistung erbringen. Das Problem ist also viel weiter gespannt, als es durch den Begriff des Rassismus zum Ausdruck gebracht wird. Spieltag für Spieltag wird in allen Stadien die Menschenwürde im wortwörtlichen Sinne mit Füßen getreten und durch Äußerungen und Gesten von Abertausenden verhöhnt. Spieler, Trainer und Zuschauer machen sich hier gleichermaßen schuldig. Im Fußball hat sich eine Parallelgesellschaft etabliert, in der es als selbstverständlich gilt, gegen die humanen Werte unserer Gesellschaft zu verstoßen. Dies kann hier genausowenig toleriert werden wie in fundamentalistischen Moscheen. Natürlich soll niemandem das Recht beschnitten werden, Fußballer, die zudem ja gegen Entgelt eine Leistung erbringen, zu kritisieren. Diese Kritik sollte aber zivilisierte Standards einhalten. Auch Kicker, egal wie schlecht sie spielen und welches Trikot sie tragen, haben eine unveräußerliche Menschenwürde. Diese wird nicht bloß durch rassistische Schmähungen, sondern bereits durch Pfiffe in Frage gestellt.
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