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Gute Zeiten, schlechte Zeiten

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Die Malerei des Historismus gehört in unserer Gegenwart zur unterschlagenen Kunst. Meist verstauben die als „Schinken“ belächelten Gemälde des 19. Jahrhunderts zu Massen in Kellerräumen der Museen, sicher versteckt vor eventueller Neugier der Besucher. Nur selten lüftet sich einmal die Abdeckplane, und es ist möglich, einen Blick auf den Fundus aus jenem Jahrhundert zu werfen. „Heute ist das Interesse an den geschichtsträchtigen Bildern, die über hundert Jahre lang als ‚langweilig‘ in den Depots der Museen verbannt blieben, neu erwacht“, verlautbarte Sigrun Paas vom Landesmuseum Mainz, das nun eine kleine Umschau historistischer Bilder in seinen Räumen ermöglicht hat. Um auch den Unterhaltungswert her-auszustreichen, erklärte sie beinahe im Stil der Fernseh-Soap, die ausgewählten Bildwerke erzählten „mitreißende und bewegende Geschichten von Eifersucht, Liebe, Leid und Tod“. Unrecht hat sie nicht damit, wenngleich die Qualität der Erzählungen doch schwankt. Die kleine Mainzer Schau zeigt nicht die Creme der deutschen historistischen Malerei, für die Namen wie Wilhelm von Kaulbach oder Anton von Werner stehen. Statt dessen sieht man vor allem vergessene Maler der zweiten und dritten Reihe. Doch das soll kein Nachteil sein, erhascht der Blick des heutigen Betrachters dadurch doch womöglich ein Mehr an Authentizität jener untergegangenen Lebenswelt. Analog zur Architektur jener Epoche kann man auch in der historistischen Malerei eine Rückbesinnung auf Stilrichtungen und Themen vergangener Epochen feststellen. Vor allem das Mittelalter und die frühe Neuzeit – Romanik, Gotik, Renaissance – faszinierten die Künstler. Wert wurde dabei nicht allein auf die historische Malweise und Kostümierung der abgebildeten Personen gelegt, sondern auch auf die Darstellung konkreter geschichtlicher Geschehnisse. Der Dreißigjährige Krieg war dabei noch als größte nationale Katastrophe im Bewußtsein präsent, so daß beispielsweise Feodor Dietz 1836 den „Tod Pappenheims in der Schlacht bei Lützen“ auf die Leinwand bannte oder Johann Baptist Heinefetter 1869 eine „Kapuzinerpredigt in Wallensteins Lager“. Nach 1870 versiegte das Interesse an jener historischen Epoche zunehmend. Die Schlachten der preußischen Kriege des 19. Jahrhunderts gewannen an Interesse, beispielsweise bereits Heinefetters preußisch-österreichische „Schlachtenszene“ von 1868. Neben diesen zentralen Epochen wurden auch historische Themen aus der Ära Napoleons (Heinrich Heinleins wilde Bergwelt in „Die Tiroler Klause“, um 1850) oder den Türkenkriegen (August Gustav Lasinskys „Tod des Prinzen Ludwig von Baden in der Schacht von Belgrad 1717“, um 1840) aufgegriffen. Wilhelm der Ältere aus der Künstlerfamilie Lindenschmit war sehr umtriebig in Motiven der frühen deutschen Geschichte. So bearbeitete er hochdramatische Schlachtenszenen aus den Ungarnkriegen des 10. Jahrhunderts („Tod Luitpolds von Bayern in der Ungarnschlacht bei Preßburg 907“ oder „Einzug des Kaisers Otto in Augsburg nach der Schlacht auf dem Lechfelde“, beide um 1840). Ebenso befaßte er sich um 1839 sehr phantasievoll mit der germanischen Frühgeschichte. In „Italikus und sein Jagdgefolge blicken von Germanien aus in Römische Reich hinüber“ sieht man einen alten Germanen mit Suebenknoten auf den jungen Italikus einreden, um dessen Volksstolz zu wecken. Lindenschmit nahm sich mehrfach der römisch-germanischen Geschichte an. Hermann der Cherusker diente dabei im Vormärz als Symbol für die noch zu erringende deutsche Einheit. Abseits der geschichtlichen Szenerien mit ihren Heldentoden wurden in der historistischen Malerei dramatische literarische und mythologische Stoffe verarbeitet. August Noack nahm sich 1870 mit „Macbeth tötet König Duncan“ eines Shakespeare-Motivs an, Ferdinand Ruscheweyh fertigte Blätter zu Goethes „Faust“. In Mainz beeindruckt das großformatige und düstere Ölbild „Der gefesselte Prometheus und die Oceaniden“ von Wilhelm von Lindenschmit dem Jüngeren. Daß jede Zeit ihre Ernsthaftigkeit hat, auch wenn sie in der Betrachtung durch die Nachwelt bisweilen Schmunzeln erzeugen mag, beweist ein weiteres Bild aus der griechischen Mythologie: „Pan und Flußgott retten Psyche“. Als die Jury der alljährlichen Ausstellung Münchner Künstler das um 1860 entstandene, eher unscheinbare Gemälde ablehnte, suchte der Maler Johann Baptist Berdellé aus Verzweiflung den Tod in der Isar. Überhaupt war Melancholie ein zentrales Stimmungsbild jener Kunstepoche. Das Leiden am Leben und an der Liebe wurde immer wieder neu in Szene gesetzt. Wilhelm Lindenschmit der Ältere ließ um das Jahr 1846 eine junge, blonde Frau in einer gotischen Kirchenruine knien und nannte sein Werk schlicht „Die Melancholie“. Dank eines in der Ruine versteckten Wappens des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation konnte man das Bild allerdings auch als allegorische Umschreibung der Trauer über den Zustand des Landes interpretieren. Nathanael Sichel hingegen bemühte 1874 in „Sakuntala“ die Geschichte des altindischen Dichters Alidasa über die unglückliche Liebe eines Königs zur Tochter eines Einsiedlers. Doch das Schicksal der traurig blickenden Schönheit dürfte nur ein Vorwand des Malers gewesen sein, um eine weitere seiner vielen orientalisch gewandeten Frauengestalten malen zu können. Ein seltsamer Spannungsbogen zwischen Schlachtenlärm und Schwelgen in der Traurigkeit, der die akademische Malerei des 19. Jahrhunderts beherrschte. Bald darauf wurde diese Kunst von den modernen Stilen des Naturalismus, Impressionismus und Expressionismus, bis hin zu Kubismus und Abstraktion, lieblos weggeräumt. Sie verschwand in staubigen Kellern, aus denen sie aber heute wieder vorsichtig hervorzulugen beginnt. August Noack, „Macbeth tötet König Dunca“ (1870): Wenig später verschwanden diese Bilder unter dem Einfluß der Moderne im Keller, Wilhelm Lindenschmidt d.Ä., „Die Melancholie Die Ausstellung „Liebesleid und Heldentod“ kann bis zum 16. Juli im Landesmuseum Mainz, Große Bleiche 49-51, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, dienstags bis 20 Uhr, besucht werden. Tel. 061 31 / 28 57-0

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