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Räume voller Leere

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Räume voller Leere

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Glitzernde Großstädte, Adern aus Asphalt und Räume, in denen Leere herrscht. Wie derzeit keine andere Erdregion versucht sich das asiatische Kino mit den existentiellen Nöten des modernen Lebens auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt steht dabei immer wieder das Scheitern von Liebe und die Einsamkeit des in die urbane Hölle geworfenen Menschen der Moderne. Ob in Lou Yes „Suzhou River“ (JF 39/01), Wong Kar Wais „2046“ (JF 3/05) oder nun in „Tony Takitani“, stets begegnet man artifiziellen, stark symbolhaft ausgestatteten Szenerien und Figuren sowie einem von tiefster Traurigkeit durchzogenen Bewußtsein der eigenen Verlorenheit. Tony Takitani (Issey Ogata) ist der Sohn eines weltoffenen japanischen Jazzmusikers, welcher während des Zweiten Weltkrieges die Hölle der Einzelhaft in einer Gefängniszelle hatte durchleiden müssen. Doch der häufig verreiste Vater kümmert sich nach dem frühen Tod seiner Frau nicht sehr um seinen Sohn. Tony durchlebt seine Kindheit zumeist allein und beginnt, Gefühle zu anderen Menschen als befremdlich zu empfinden. Seine spätere Arbeit als technischer Zeichner führt er mechanisch, ohne Anspruch aus. Sein ereignisloser Alltag ist von der Absicht dominiert, den als gegeben empfundenen Weg unter Kontrolle zu halten. So hält sich Tony Takitani meist in seiner kühlen, penibel gepflegten Wohnung auf, soziale Kontakte beschränken sich aufs Geschäftliche. Diese einsame Selbstgenügsamkeit wird durchbrochen, als er die 15 Jahre jüngere Eiko (Rie Myazawa) kennenlernt, die ihn zu faszinieren beginnt. Verstört bemerkt er, daß ihm die Nähe eines anderen Menschen angenehm ist. Die beiden heiraten, und durch die Nähe und Geborgenheit seiner Frau beginnt Tony Takitani aufzublühen. Verdunkelt wird das neue Glück allerdings durch Eikos Kaufsucht. Sie ist besessen von teurer Designer-Kleidung. Die Stoffe, die Blusen, Mäntel und Röcke, die sie im Haus hortet, sind für sie wie eine Sammlung aller Schönheit der Welt. Als Tony, der diese Sammelleidenschaft nicht verstehen kann, seine Frau bittet, sich beim Einkaufen einzuschränken, stößt er Eiko in eine existentielle Krise. Sie stirbt schließlich bei einem Verkehrsunfall. Nun wieder einsam, versucht Tony Takitani mit seiner Trauer fertigzuwerden. Er sucht eine Frau mit der gleichen Konfektionsgröße wie Eiko, die die fast neuwertigen Kleider anziehen soll. Schließlich verkauft und verbrennt er alle Erinnerung an die Vergangenheit. Der 56jährige Regisseur Jun Ichikawa hat mit dieser bedrückenden Geschichte für die erste Verfilmung einer Erzählung des Erfolgsautors Haruki Murakami („Mr. Aufziehvogel“, „Gefährliche Geliebte“, „Naokos Lächeln“) gesorgt. Die ruhigen Bilder und Schnitte stehen im extremen Gegensatz zum Hollywood-Kino, strahlen sie doch eine fast unerträgliche Langsamkeit und Stille aus. Zudem hat der ehemalige Werbefilmer seine Aufnahmen in elegante matte Grautöne getaucht, die den Örtlichkeiten Kühle und dem Geschehen ein Moment der Entrücktheit vermitteln. Die Menschen bewegen sich meist in klar strukturierten, asketisch eingerichteten Räumen. Das Spiel der Akteure besticht durch vornehme emotionale Zurückhaltung. Weitere geschickt eingesetzte Stilelemente schaffen es, die Distanz des Betrachters zum Geschehen zu verstärken und das Augenmerk stärker auf die Grundthematik zu richten. Ein Erzähler (Hidetoshi Nishijima) berichtet über Tonys Leben und Gedanken. Doch die Monologe von Off- und On-Sprecher wechseln einander gelungen ab, so daß der Erzähler immer in die Geschichte hineinwirkt und der Protagonist zugleich sein eigenes Verhalten kommentiert. Beide Sprecher werfen sich also verbale Bälle zu, die vom jeweils anderen aufgefangen werden, so daß ein gleichmäßiger Rhythmus der Erzählung entsteht. Um den symbolischen Charakter der Figuren zu unterstreichen, läßt Regisseur Ichikawa beide Helden in zwei Rollen auftreten. Die hilflose Vereinzelung des modernen Menschen kann somit insgesamt in formstrengen Szenen ohne Ablenkung dargelegt werden. Jun Ichikawa schuf ein Werk, das einem Ikebana-Gesteck in einem leeren Zimmer gleicht. „Tony Takitani“ ist dabei alles andere als ein unterhaltsamer Film geworden. Eher wird man seine Geschichte als quälend empfinden. Doch ein gelungenes Kunsterzeugnis ist er allemal.

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