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Es ist zwar schon alles komponiert, aber noch nicht von allen: Anläßlich des Zyklus „Les guitares bien témperées“ von Castelnuovo kann schwerlich von einer Entdeckung gesprochen werden, und das nicht nur, weil seine Werke für Gitarre längst zum Standardrepertoire der Konzertgitarristen zählen. Mario Castelnuovo-Tedesco, 1895 in Florenz geboren, studiert in seiner Heimatstadt bei Pizzetti, wird von Casella protegiert und gilt in den zwanziger Jahren als kommender Repräsentant der italienischen Moderne. Im Italien Mussolinis mit Aufführungsverbot belegt – seine Familie stammt von Sephardim aus dem spanischen Distrikt Castilla Nueva ab, die 1492 im Zuge der Reconquista in die Toscana immigriert waren -, emigriert Castelnuovo 1939 in die USA, wo er sich als Filmkomponist etablieren kann. 1968 stirbt er in Beverly Hills. Gewiß wäre der Verfertiger von wenig aufregenden Opern, Balletten, Orchestermusiken, Oratorien, Kammermusik und an die 200 Filmmusiken heute nur noch ein Fall für Musikhistoriker und Antiquare, hätte er nicht 1932, auf dem Musikfest der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in Venedig, den spanischen Gitarristen Andrés Segovia kennengelernt, auf dessen Anregung er sein Gitarrenkonzert in D-Dur komponierte, das erste von fast einhundert Werken für das Instrument und seinen Meister, unter ihnen die in den Sechzigern geschriebenen Zyklen „24 Caprichos de Goya“ op. 196 und eben „Les guitares bien témperées“ op. 199, den das Duo Favori, Barbara Gräsle und Frank Armbruster, erstmals nach dem Autograph eingespielt hat (TACET 141). Was offenliegt, muß nicht entdeckt werden. Der Zyklus wirkt wie eine lose Folge von Transkriptionen für Gitarre, deren originale Kompositionen verlorengingen und die nun routiniert aus dem Fundus klassisch-romantischer Musiktradition zu angenehmem Spielwerk ergänzt wurde. Zu hören sind Bekannte, Allzubekannte in neckischen Anklängen oder direkten Zitaten, Bach, Beethoven, Wagner, Smetana, Gershwin, alte oder lateinamerikanische Tanzformen. In schönster Vorhersehbarkeit lösen Sequenzierungen und leere Läufe, redseliges Präludieren und beflissener Kontrapunkt einander ab. Nicht daß sich Castelnuovos Komponieren irgend der Idee von Authentizität entledigt hätte: Ganz der Filmkomponist, den er eigentlich von sich abgespalten wähnte, holt er sie sich nur bei andern. Was offenliegt, könnte vielleicht neu entdeckt werden. Die beiden Musiker des Duo Favori jedoch sind auf Oberflächenbehandlung aus, am Lack zu kratzen liegt ihnen fern. Ihr Spiel beglaubigt die kunstvolle Unverbindlichkeit des Zyklus durch und durch. Gräsle und Armbruster spielen wie auf einem einzigen Instrument, als hätte der Komponist den Part nur darum auf zwei Instrumente gelegt, um ein brillanteres Legatospiel zu ermöglichen. Sie konkurrieren nicht und dialogisieren selten. Sie betreiben Repertoirepflege. So gehen sie unbeschwert Stück um Stück den vorgegebenen Zickzackkurs durch den Quintenzirkel ab, zwölfmal Dur und zwölfmal Moll, dabei die verschiedenen Ausdruckscharaktere in ein gerundetes, wohlig temperiertes Klangideal auflösend, wobei die Nebengeräusche, die das Umgreifen auf dem Griffbrett verursacht, der Sache, um die es geht, dem Musizieren, eigentlich schon gar nicht mehr zugehörig scheinen. Der Hörer darf eine reichliche Stunde Gitarrenmusik mit privaten Bildern füllen, eine Musik zum Träumen, zum Sinnen, eine Musik für gewisse Stunden, aber keine für den gewissen Moment, auf den alles ankommt, da der Hörende von einer künstlerischen Wahrheit überwältigt wird – jedenfalls nicht in der Interpretation durch das Duo Favori.

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