„Wer bin ich? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werde ich es nie wissen, obwohl ich mich ein Leben lang bemühe, dem zu ähneln, der ich zu sein glaube. Wer sich seiner sicher ist, weiß nicht viel von sich.“ Wer solches schrieb, konnte nicht zu jenen gehören, die ihr lärmendes Selbstvertrauen einer eindimensionalen Weltbetrachtung verdanken. Der Verleger Heinz Friedrich, von dem diese Sätze stammen, starb vergangenen Donnerstag, zwei Tage vor seinem 82. Geburtstag. Mit ihm ging ein Repräsentant des immer seltener werdenden Bildungsbürgers. 1922 bei Darmstadt geboren, gehörte er im April 1945 zu den Soldaten, die im eingeschlossenen Königsberg zusammengeschossen wurden. Nach dem Krieg zählte er zu den Gründungsmitgliedern der Gruppe 47. Als Leiter des Nachtstudios des Hessischen Rundfunks, Cheflektor der Fischer-Bücherei und als Programmdirektor von Radio Bremen beeinflußte er das Kulturleben des Landes. 1961 gründete er den Deutschen Taschenbuch Verlag (dtv), gab die umfangreiche Sophienausgabe der Werke Goethes und ebenso die 30 Bände des Deutschen Wörterbuches der Brüder Grimm heraus. Von 1983 bis 1995 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Zahlreiche Publikationen, Essays und einige Gedichte entstammen seiner Feder. Bücher waren seine Welt. Der Tenor der Nachrufe will ihn als Menschenfreund ausweisen. Im allgemeinen Sinne war er das sicherlich nicht, wie man aus seiner Benn-Rezeption herauslesen kann. Sein Wissen um die dunklen Seiten des Menschen hat ihn dennoch nie entmutigt. Dem Pessimismus stellte er stets einen handelnden Pragmatismus zur Seite. Goethe, Nietzsche und Benn waren die Großsterne seines geistigen Himmels. Ein Ideologe war dieser Kulturkonservative nie, ebensowenig ein Naiver. Sich an der Gegenwart des 20. Jahrhunderts zu orientieren hielt er für ziemlich hoffnungslos. „Dementsprechend flüchten sich die Zeitgenossen auch in multikulturelle Beliebigkeit, um die Unfähigkeit zu kaschieren, durch Stil die eigene Existenz im Fluß der Zeit und der Zeiten zu bestimmen.“ Friedrichs Leben war tatenreich und vorbildlich. Seine Lebenszeit hat er genutzt, denn: „Zurück zu denken ist möglich jedem. Zurück leben kann niemand.“ Literatur: Heinz Friedrich, Vom Gegenglück des Geistes, dtv, München 2002