Was also ist die Essenz dieser zehn Jahre? Die Erkenntnis, daß Österreich ein Land mit (noch) weniger neoliberalem Individualismus und (noch) mehr Gemeinsinn ist als Deutschland, mit Stolz auf seine Kultur, seine Landschaften, seine Schönheit – statt deutschem Dauergang nach Canossa. Mit größerer (Presse-) Freiheit als im political-correctness-seligen bundesdeutschen Norden, größerem Mut (hätte die „BRD“ die Sanktionen ausgehalten?), geringerem Extremismus, größerer Liebe zum Ästhetischen (weniger Schmierereien an Hauswänden), starker Familienförderung, besseren und braven Schülern (fast ‚Pisa-Primus‘).“ Mit diesen politisch nicht korrekten Sätzen zieht Peter Meier-Bergfeld das Fazit aus seiner nunmehr elfjährigen Tätigkeit als Korrespondent des Rheinischen Merkur für Österreich und Südosteuropa. Der Band enthält die publizistische Ernte dieses Jahrzehnts des aus dem Rheinland stammenden „preußischen Kakoniers“ (so Reinhard Olt, sein FAZ-Kollege in Wien), der inzwischen in der Alpenrepublik verwurzelt ist und im Vorjahr vom österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil den Professorentitel verliehen bekam. Meier-Bergfeld ist ein „homo politicus“, der auch komplizierte Hintergründe auszuleuchten und mit wenigen Strichen anschaulich verstehbar zu machen vermag. Was einfach daherzukommen scheint, entspringt einem reichen Bildungshintergrund, umfassender kultureller und kulturhistorischer Kennerschaft der Geschichtslandschaft des tausendjährigen Ostarichi, dieses Kernlands des Sacrum Imperium, das ihn fasziniert. Auf diesem Hintergrund gelingen ihm Kabinettstücke der Gesellschafts- und Personenbeschreibung, handle es sich nun um Otto von Habsburg, die Kaiserinnen Elisabeth („Sissi“) oder Zita, den „umstrittenen“ St. Pöltener Bischof Kurt Krenn, den Schöpfer der Logotherapie Viktor B. Frankl oder auch um den Wiener Opernball, dieses Spiegelbild des für das Schöne begnadeten Volkes. Lohnend sind auch die Reisebeschreibungen, von Peter Roseggers Waldheimat in der östlichen Steiermark und den österreichischen Klöstern bis Slowenien, Istrien, Sarajewo und Belgrad – dieses alte k.u.k.-Geschichtsterrain. Meier-Bergfelds Standort Graz erwies sich so als ideal für seine Ausblicke und Recherchen nach Süden, Osten, Norden. Der Autor widerlegt nicht zuletzt die verbreitete Klage über den Niedergang des Journalismus und seiner Sprach- und Begriffskultur in unseren Tagen. Im vorliegenden Band finden wir Perlen vergnüglichen und wahrhaft bildenden Lernens durch Lesen. Peter Meier-Bergfeld: Volk, begnadet für das Schöne. Zehn Jahre Korrespondent in Österreich. Reportagen, Essays, Kommentare, Interviews. Books on Demand Verlag, Norderstedt 2003, 462 Seiten, broschiert, 29 Euro