Im deutschsprachigen Raum wurde der US-Politologe Robert Baer vor allem durch sein Buch „Der Niedergang der CIA“ bekannt, das 2002 in deutscher Übersetzung erschienen ist. Ein Buch aus berufener Feder: Baer stand über zwanzig Jahre in den Diensten der Central Intelligence Agency und weiß folglich, worüber er schreibt. Der US-Politologe rechnet in seinem Buch mit seinem früheren Arbeitgeber schonungslos ab. Das mag bei manchem Naserümpfen auslösen, erlaubt aber einem Außenstehenden aufschlußreiche Einblicke in einen der mächtigsten Geheimdienste der Welt. Schon im Vorwort dieses Buches macht Baer unmißverständlich klar, was ihn umtreibt: Die CIA sei, so kritisiert er, durch political correctness, durch Kleinkriege zwischen Institutionen und durch Karrieresucht systematisch zerstört worden. Als Mitglied der Anti-Terror-Abteilung der CIA verbrachte Baer viel Zeit in Krisengebieten wie dem Sudan, Marokko oder Irak. Häufig hielt sich Baer auch in Beirut auf. Als er Mitte der 1990er Jahre nach Washington zurückbeordert wurde, bemerkte er schnell, daß er in die „neue“ CIA nicht mehr hineinpaßt. Er quittiert daraufhin seinen Dienst. Mehr und mehr gelangt Baer in der Folge zur Überzeugung, daß die nationale Sicherheit durch wirtschaftliche Interessen kompromittiert werde. „Anstatt Agenten anzuwerben und einzusetzen, verbrachten die Leute in den CIA-Büros den größten Teil ihrer Zeit damit, sich um das zu kümmern, was in Washington gerade Mode war: die Menschenrechte, die wirtschaftliche Globalisierung, den arabisch-israelischen Konflikt“, moniert der ehemalige CIA-Mitarbeiter. Daß Baer hier mit seinen Analysen durchaus richtig lag, zeigt der am 24. Juli 2003 veröffentlichte Geheimdienst-Report des US-Kongresses, der seine Kritik in großen Teilen bestätigte. In seinem neuesten Buch, das den Titel „Sleeping with the Devil. How Washington sold our soul for Saudi crude“ trägt, knüpft Baer an seinen zentralen Kritikpunkt an: nämlich die Kompromittierung nationaler Sicherheit durch wirtschaftliche Interessen. Diesmal lenkt Baer den Blick nach Saudi-Arabien, das aus seiner Sicht zu einer Bedrohung geworden ist. Der Feudalmonarchie des Landes hält Baer vor, mit dem Terror zu paktieren und ihre schwindende Macht mit Hilfe von Korruption und Intrigen abzusichern. Um die Nachfolge von König Fahd sei ein heftiger Machtkampf entbrannt, dessen Ausgang entscheiden werde, wohin sich das Land entwickelt: hin zum radikalen Islam oder in prowestlicher Richtung. Als Staatsgebilde existiert Saudi-Arabien erst seit 1932. Doch bereits im 18. Jahrhundert war die Familie Saud neben dem radikalislamischen Wahhabitentum der wichtigste Machtfaktor in der Region. Baer konstatiert einen Verlust an Einfluß seitens des Herrscherhauses, woran nicht zuletzt die desolaten Staatsfinanzen schuld seien. Der Unmut in der Bevölkerung, die großzügige Sozialleistungen gewöhnt war, werde immer spürbarer. Dies gelte insbesondere auch für die Jugend des Landes, für die es kaum angemessene Arbeitsplätze gebe. Baer behauptet nun, daß das Königshaus vor allem deshalb mit dem islamischen Terrorismus gemeinsame Sache mache, weil es das Volk ruhigstellen wolle. 500 Millionen Dollar soll Saudi-Arabien in den letzten Jahren an das Terror-Netzwerk al-Qaida überwiesen haben. 15 der 19 Flugzeugentführer vom 11. September 2001 stammten aus Saudi-Arabien, argumentiert Baer weiter. Die Mehrzahl der Häftlinge in Guantánamo Bay seien saudiarabische Staatsbürger. Die nicht nur von Baer vorgetragene These, daß die saudische Oberschicht vor allem deshalb Geld an Terroristen transferiere, um die radikal-islamistischen Strömungen im eigenen Land zu besänftigen, erscheint doch ein wenig zu simpel. Man mag der saudiarabischen Oberschicht viel vorhalten können, eines ist sie sicher nicht: schizophren. Dies aber müßte sie den Thesen Baers nach sein, die an ihr kritisieren, auf der einen Seite gute Geschäfte mit den USA zu machen und auf der anderen Seite bewußt den Terrorismus zu finanzieren. Und die von den Saudis düpierten USA müßten dieses Spiel obendrein deshalb mitmachen, weil sie – als einzig verbliebene Supermacht! – angeblich vom saudischen Geld und Erdöl abhängig sind. Tatsächlich haben reiche Saudis in den letzten Jahren hohe Summen in den US-Aktienmarkt investiert. Welchen Grund aber sollten sie haben, ihr Geld wieder abzuziehen? Geld fließt dorthin, wo es am gewinnbringendsten angelegt werden kann. Solange dies in den USA der Fall ist, wird das saudische Geld dort bleiben. Festzuhalten bleibt, daß die saudische Oberschicht auch von anderen als von den niedrigen Beweggründen getrieben werden könnte, die ihr Baer unterstellt. Ist es nicht zumindest denkbar, daß die saudiarabische Oberschicht ihre behaupteten oder tatsächlichen Finanztransfers als eine Art „Schutzgeld“ an al-Qaida betrachten könnte, um im eigenen Land Ruhe vor Anschlägen zu haben? In den Augen von al-Qaida sind nämlich die Repräsentanten der saudischen Feudalmonarchie, die so enge Sache mit den USA machen und gemacht haben, mit Sicherheit nicht weniger des Teufels als die USA selber. Nun mag man das Abführen von Schutzgeld an Terroristen immer noch für eine moralisch verwerfliche Angelegenheit halten: sie ist aber im arabischen Raum so unüblich nicht. Die Saudis handelten dann nach einer Logik, die ihnen vertraut ist, für deren Verständnis Baers geistiger Horizont aber nicht ausreicht. Ihm geht es nämlich vor allem darum, Saudi-Arabien als eine Art „Reich des Bösen“ zu denunzieren. Etwas weniger an moralischer Erregung und Rundumschlägen à la „Saudi-Arabien wird mehr und mehr zu einem irrationalen Staat“ hätte dem Buch gutgetan. Eine deutsche Übersetzung des Buches ist für das Frühjahrsprogramm dieses Jahres bei Bertelsmann angekündigt. Robert Baer: Sleeping with the Devil. How Washington Sold Our Soul for Saudi Crude. Crown Publishers, New York 2003, 256 Seiten, gebunden, 22 Euro Foto: Bauunternehmer Bakr bin Laden (r.), Bruder von Osama bin Laden, mit dem saudi-arabischen König Fahd, 1992: Islamisten besänftigen