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Marc Jongen, ESN Fraktion

Zeitgebundenheit

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wir sind doch nicht nur vierzig Jahre gepeitscht worden, bei Wasser und Brot. Nein, wir haben wirklich gelebt. Das verstehen die im Westen nicht, aber es gibt keine Gründe, es zu verdrängen.“ Klaus Renft gehört nicht zu jenen Leidtragenden der DDR, die ihren einstigen Mitbürgern raten, angenehme Erinnerungen schuldbewußt auszulöschen, weil an der Mauer Menschen starben. Gründe, dem gescheiterten Staat gram zu sein, hat er dennoch reichlich. „Man wurde genau von den Leuten fertiggemacht, zu denen man doch ursprünglich mal gehören wollte.“ 1976 blieb ihm daher keine andere Wahl, als in den Westen überzusiedeln. 1975 war seine Band, die Klaus Renft Combo, von Staats wegen aufgelöst worden. Ein Stein des Anstoßes war die „Rockballade vom kleinen Otto“, die nicht alleine die Möglichkeiten selbstbestimmten Lebens in der DDR bezweifelte: „Leben ist wie Lotto/ Doch die Kreuze macht ein Funktionär!“ Unterstellt wurde auch, daß sie zur Republikflucht aufrufe. Ob dies wirklich so ist, kann jetzt anhand der CD „Unbequem woll’n wir sein. Raritäten aus den Jahren 1971 bis 1975“ (Marktkram/ Buschfunk) nachvollzogen werden. Sie enthält unter anderem auch jene Aufnahme dieses Liedes, die in aller Heimlichkeit entstand, nachdem die Berufsausweise eingezogen worden waren. Die Produktion im Verborgenen mußte, da man sie denunziert hatte, abgebrochen werden. Der Nimbus der Klaus Renft Combo hat ihr damaliges Ende lange überdauert. Sie blieb, ganz unabhängig von ihrem Comeback nach der Wende, vielen ein Begriff, die in der DDR unangepaßt aufwuchsen, auch wenn sie die Band nie live erlebt hatten. Heute muß man in Ost und West schon ein gewisses kulturhistorisches Grundverständnis mitbringen, um sich ihr neu nähern zu können. Dies betrifft zum einen die Musik: Auch über den BRD-Krautrock, den die Klaus Renft Combo allerdings von Anfang an in den Schatten stellte, ist die Zeit hinweggegangen. Dies betrifft vor allem aber die Themen, um welche die Texte kreisen. Wenn etwa in dem Lied „Mangania“ (1975) ein stahlveredelndes Metall besungen wird, läßt sich ein Staunen über den Dienst, den Rockmusik dem industriellen Fortschritt erweisen kann, kaum unterdrücken. Wer jedoch den DEFA-Klassiker „Spur der Steine“ zu würdigen weiß, wird auch zu dieser Band, die das andere Gesicht der DDR zeigte, einen Zugang finden. Einen anderen Weg, von dem man eine Zeitlang meinen konnte, er möge nie im Westen enden, hat die Formation Laibach, eine musikalische Facette der „Neuen Slowenischen Kunst“, in den Jahren des Umbruchs in den sozialistischen Staaten beschritten. Unterdessen überwiegen längst die Zweifel am Orientierungssinn der Künstler. Sie werden auch durch das neue, nach siebenjähriger Schaffenspause erschienene Album „WAT“ (Mute) nicht ausgeräumt. Die amüsante Strategie, sich des ästhetischen Zierrats ausgehöhlter oder gar ganz aus dem Weg geräumter Totalitarismen zu bedienen, hat sich verbraucht. Martialisches Gebaren und apodiktische Sprücheklopferei sind zu einem simplen Markenzeichen verkommen. Der ideengeschichtliche Stoff, sei es nun Marx oder heimlich vielleicht doch Hitler, war nicht zu bewältigen. Die unterhaltsame Naivität, mit der DAF dazu einlud, den Mussolini zu tanzen, war doch nie zu überbieten. Die auf der neuen Veröffentlichung ergehende Aufforderung „Tanz mit Laibach“ ist bloß noch ein bemühter Abklatsch. Immerhin hat Laibach bemerkt, daß finstere Cover-Versionen von Welthits noch nicht dadurch subversiv werden, daß man sie dazu erklärt. Mit zuweilen minimalistischen Eigenkompositionen haben die Musiker ihren Sound nun neu erfunden. Es stimmt versöhnlich, daß man sie hier wenigstens nicht der Modernität bezichtigen muß.

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