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Wenn die Seele friert

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Kritik am herrschenden Linkstrend in der evangelischen Kirche ist nicht neu. Schon 1991 sorgte Jens Motschmanns Buch „So nicht, Herr Pfarrer“ für Aufsehen. Nach dem evangelischen Pfarrer Motschmann kritisiert jetzt auch ein engagierter Laie die Anpassung an den Zeitgeist und den zerstörerischen Pluralismus in Glaubensfragen: Hans Apel (SPD), der ehemalige Bundesfinanzminister und spätere Bundesverteidigungsminister. Vor vier Jahren ist er aus der evangelischen Kirche ausgetreten und einer Freikirche evangelikaler Prägung beigetreten. Vor zwei Jahren begann er mit der Niederschrift seiner Kirchenkritik und seiner persönlichen Erfahrungen in der Kirche, die jetzt in Buchform vorliegt. Warum er und seine Frau 1999 die evangelische Kirche verlassen haben, beschreibt er selbst so: „Die Kirche verändert sich. Sie wird uns fremd… Ich suche das Gespräch und möchte korrigierend eingreifen. Doch das erweist sich als Illusion. Also bleibt nur der klare Schnitt.“ Die kirchlichen Gremien wurden zunehmend von den Frommen „befreit“, und die Generation der 68er rückte nach. „Die Kirchenoberen passen sich an. In einer solchen Kirche friert meine Seele.“ Im Inhaltsverzeichnis von Apels Buch taucht zweimal die Zwischenüberschrift auf „Das Evangelium rein lehren“. Diese Forderung bildet den basso continuo des Buches. „Ehebruch bleibt Ehebruch, auch wenn er zu einem gängigen Phänomen wird. Die Ehe ist gottgewollt, auch wenn die Ehescheidungen rapide zunehmen. Abtreibung bleibt Sünde, auch wenn der Staat seine Gesetze verändert. Die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare läßt Gottes Segen zu einer Sünde werden, auch wenn der Staat solche Partnerschaften legalisiert.“ Zur Haltung seiner eigenen Partei in dieser Frage bemerkt Apel: „Ein zentraler Programmpunkt der SPD war und ist die Homoehe nicht. Deshalb muß ich nicht austreten. Welche Konsequenzen ich daraus bei meinen Wahlentscheidungen ziehe, ist im übrigen eine andere Frage.“ Als politisch wie auch kirchlich Engagierter stellt der ehemalige Bundesminister auffallende Parallelen fest zwischen Volkskirche und Volkspartei fest. Neben dem Interesse am Machterhalt ist es „die Unverbindlichkeit der Grundaussagen, Maximierung der Zahl der Mitläufer, Staatsfinanzierung, stetige Abnahme ihrer Bindekraft, fehlende Gestaltungskraft und mangelnder Gestaltungswille für eine Gesellschaft, die sich immer mehr fragmentiert.“ So ist denn auch der Pluralismus und Individualismus in Glaubens- und Sittenfragen für Hans Apel ein großer Kritikpunkt. Er fragt in bezug auf die evangelische Kirche: „Wie soll sie angesichts ihrer massiven inneren theologischen Spannweite, der Kakophonie der vertretenen Positionen eine profilierte Kirche werden, ohne sich in ihre Bestandteile aufzulösen?“ Er verweist auf die katholische Kirche, für die es keinen Pluralismus in Glaubensfragen gebe. Apel zitiert eine Untersuchung von idea-Spektrum, nach der konservative Religionsgemeinschaften – dazu wird auch die katholische Kirche gezählt – in den letzten zehn Jahren weltweit einen Zuwachs von fast zwanzig Prozent verzeichnen konnten, während „liberale“ Religionsgemeinschaften wie die evangelische Kirche im gleichen Zeitraum mehr als zehn Prozent ihrer Mitglieder verloren. Heftige Kritik übt Apel auch am bundesdeutschen Kirchensteuersystem, für das zwar viele Gründe ins Feld geführt werden, dessen oberster Zweck aber ist, daß es „die Lauen zum Zahlen bringt“. So kommt es dann zwar zu einem Bauboom, aber der geistliche Boom bleibt aus. Hier findet er das System der Freikirchen vorbildlich, bei denen sich die Pfarrer aus Mitgliederbeiträgen ihrer Gemeindeglieder finanzieren. Dadurch ist nicht nur eine größere Volksnähe erreicht, sondern auch theologischen Verirrungen vorgebeugt. Denn der Normalbürger will „die Kirche mit den überkommenen christlichen Positionen“. Der Linkstrend in der Kirche geht in erster Linie von den Theologen aus. Obwohl sich Apel für eine Frauenordination ausspricht, sieht er im Feminismus und in dessen Vordringen bis in die kleinsten Gemeinden eine große Gefahr für Glauben und Kirche. Besonders brisant wird Apels Buch da, wo er die Einmischung der Kirche in die Politik kritisiert. Obwohl sie über keine Sachkompetenz verfügen, haben evangelische Theologen sich oft im linkspolitischen Lager engagiert. So fragten sie sich 1996 in bezug auf das Asylrecht, „wie es gelingen kann, eine ablehnende Wählerschaft so zu stimmen, daß sie auch künftig eine eher liberale Ausländerpolitik mitträgt und das bei Millionen von Arbeitslosen“. Zu sehr hat sich die Kirche oftmals in die Politik eingemischt und dabei ihren eigentlichen Auftrag vernachlässigt. „Sie kann sich nicht dort einmischen wollen, wo die Politik gefordert ist, wo der Kirche der Sachverstand fehlt und sie im Streit der politischen Überzeugungen unter die Räder kommen kann.“ So fordert Hans Apel für die Kirche ein scharfes Profil und eine Besinnung auf die Botschaft des Herrn gegen den Zeitgeist, auch wenn man dann mit den Schlagworten „fundamentalistisch“ und „reaktionär-konservativ“ belegt wird. Er beschließt sein Buch mit dem Traum von einer Kursänderung in der Kirche. Dabei setzt er vor allem auf die jungen Menschen in unserem Land. Ob dieser Traum allerdings irgend etwas mit der Realität zu tun hat, bleibt fraglich. Foto: Hans Apel wird auf dem Evangelischen Kirchentag 1981 vor Eierwerfern geschützt: Kirche zunehmend von Frommen befreit Hans Apel: Volkskirche ohne Volk. Brunnen Verlag, Gießen 2003, 224 Seiten, 14,95 Euro

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