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Vom Geist der Antike beseelt

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Die Malerei und Bildhauerei des Wiener Klassizismus um 1800 führte bislang bei der Rezeption dieser Kunstepoche eher ein Schattendasein. Kritiker schenkten den Werken nur selten Beachtung und stuften sie häufig als zweitklassig ein. Doch auch in seiner Blütezeit konnte der Klassizismus an der Wiener Akademie trotz guter Ausgangsvoraussetzungen nicht eine vergleichbare Bedeutung wie in Frankreich oder Italien erlangen. Bereits seit einigen Jahren hat sich die junge Kunsthistorikerin Bettina Hagen intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Im Zuge ihrer Dissertation entstand der Plan, erstmals eine kleine eigene Ausstellung zum Wiener Klassizismus zu konzipieren. Das gelungene Ergebnis der Bemühungen kann noch bis zum 9. März in den Ausstellungssälen der Wiener Kunstakademie besichtigt werden. Das Bedürfnis nach einer Kunst, die ihre Stoffe antiken Dramen entlehnte, stand im Kontext einer allgemeinen europäischen Kulturentwicklung, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzte. Ein wesentlicher Impuls ging dabei von den Werken des Kunsthistorikers und -analysten Johann Joachim Winckelmann aus. Winckelmann, 1717 in Stendal geboren, fand Anfang der fünfziger Jahre eine Stellung am sächsischen Hof in Dresden. Von der dortigen Antikensammlung, die August II. anlegen ließ, war er so fasziniert, daß er 1755 eine erste Schrift mit dem Titel „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst“ verfaßte. Sie stellte jedoch lediglich den Auftakt für weitere Forschungen Winckelmanns dar: Noch im gleichen Jahr reiste er nach Rom, um durch eine Sichtung der seinerzeit umfangreichsten Sammlung am „authentischen Ort“ seine Studien zu intensivieren. Dort erledigte Winckelmann auch die wesentlichen Arbeiten zur Erstellung seines berühmtesten Werkes, der in zahlreichen Auflagen erschienenen „Geschichte der Kunst des Alterthums“. Winckelmann hatte mit seinen Forschungen eine Entwicklung angestoßen, die rasch auf weite Teile Europas übergriff und eine Schar von Kunstschaffenden begeisterte: Einer ihrer ersten Vertreter, der sich unmittelbar an seinen Vorstellungen orientierte, war Anton Raphael Mengs, der 1755 wie Winckelmann gleichfalls nach Rom zog, wo er bald ein eigenes Atelier für Altertumskunst eröffnete. Einer seiner engsten Freunde war sein ehemaliger Schüler Anton von Maron, der später auch sein Schwager wurde. Auf Marons – und damit auch auf Mengs – Einfluß gehen die Anfänge des Klassizismus an der Wiener Akademie zurück. Maron verfügte über enge Kontakte zu deren Rektor und stattete während seines anderthalbjährigen Wien-Aufenthaltes von 1771/1772 auch der Akademie einen Besuch ab. Bei dieser Gelegenheit warb er – wie auch Winckelmann bereits im Jahre 1768 – für Studienaufenthalte in Rom, eine Verbesserung des Zeichenunterrichtes und die Erweiterung und Erneuerung der Gipsabgußsammlung. Marons Forderungen fielen auf fruchtbaren Boden: Noch im gleichen Jahr wurde erstmals ein spezielles Stipendium an drei ausgewählte Kandidaten vergeben, das die Finanzierung eines mehrjährigen Rom-Aufenthaltes zum Studium der Antike und eine Ausbildung in den entstandenen Ateliers ermöglichte. 1776, nach der Rückkehr der ersten Stipendiaten, folgte ihnen unmittelbar einen zweite Gruppe Künstler, unter denen sich der Maler Heinrich Friedrich Füger und der Bildhauer Franz Anton Zauner befanden; zwei Persönlichkeiten, die nur wenige Jahre später die Richtlinien des Klassizismus an der Wiener Akademie wesentlich bestimmten. Füger wurde 1785 Professor für historische Zeichnungsgründe und übernahm 1795 die Leitung der Akademie. Sein Aufnahmewerk „Tod des Germanicus“ von 1789 galt als erster öffentlicher Beweis für die Umsetzung der internationalen Klassizismus-Tendenzen in Österreich. Von zeitgenössischen Kritikern wurde der „raphaelische“ Stil der „Totenbettszene“ besonders hervorgehoben. Als weiteres Merkmal galt das strenge Liniengerüst, das die Figuren in Fügers Gemälde miteinander verbindet. Gleichzeitig blieb Füger jedoch den barocken Traditionen seiner Zeit treu, auf die seine ausgeprägte Unterscheidung zwischen hellen und dunklen Bildelementen sowie die ausgeprägte Vorliebe für kräftige, leuchtende Farbtöne verwiesen. Diese Einflüsse spiegeln sich auch in den Werken seiner Schüler wider, zu deren bekanntesten Josef Abel, Anton Petter und Johann Peter Krafft zählen. Zauner wurde 1782 Professor für Bildhauerei an der Akademie, wobei er sich im Wettstreit um dieses Amt gegen prominente Zeitgenossen wie Johann Martin Fischer, Wilhelm Beyer, Johann Georg Dorfmeister und Franz Zacherle durchsetzte. 1806 übernahm er von Füger das Rektorenamt. Zu Zauners bekanntesten Werken zählt das Denkmal Fries sowie die Denkmäler für Feldmarschall Laudon und Josef II. im Wiener Stadtzentrum. Bis um die Jahrhundertwende wurde auf die möglichst genaue Erfassung des antiken Geistes durch eine ausgeprägte Lektüre von Hauptwerken dieser Epoche großen Wert gelegt: Auch diese Anregung ging wesentlich auf Winckelmann zurück, der eine Orientierung an den Idealen, die er insbesondere in den Schriften des griechischen Dichters Homer verkörpert sah, empfohlen hatte: starke heldenhafte Charaktere in schicksalträchtigen Situationen. Werte wie Moralität, Patriotismus, Opferbereitschaft und Familiensinn sollten jedoch nicht nur in der Motivwahl zum Ausdruck kommen. Charakteristische Eigenschaften des klassischen Vorbildes, die Winckelmann unter anderem in der Mäßigung der Leidenschaft auch in Trauerszenen wie in einem „In-sich-Ruhen“ der antiken Helden sah, sollten auch in einer den „Originalen“ entsprechenden Formgestaltung zum Ausdruck kommen. Gerade daher wurde auf ein möglichst genaues Kopieren von griechischen und römischen Idealfiguren größter Wert gelegt. Die Bemühungen der Lehrer zeigten bei der Schülergeneration Erfolg: Kopien und Abgüsse wiesen eine zunehmend größere Genauigkeit bei der Übereinstimmung mit der antiken Form auf. Um die Jahrhundertwende setzte ein deutlicher Wandel in der Arbeitsdidaktik ein: Die zunächst sehr allgemein abgefaßten Themenstellungen, die der Phantasie der Schüler großen Freiraum ließen, wurden zunehmend in einer Weise konkretisiert und präzisiert, daß die individuelle Auseinandersetzung mit der Quelle zunehmend überflüssig wurde. So enthielten die Aufgaben neben der genauen Beschreibung des Handlungsortes auch bereits die Zitate der betreffenden Textstellen in den Werken Homers oder Plutarchs. Die Folge dieser Methode war, daß sich die Konzentration der Schüler einerseits noch stärker auf das antike Ideal focussierte, während sich andererseits ein deutlicher Rückgang der motivischen Vielfalt bemerkbar machte. Im Begleitband zur Ausstellung faßt Hagen das Resultat ihrer diesbezüglichen Forschungen in der Aussage zusammen, daß „mit der allgemeinen Erschließung antiker Formen und antiker Inhalte … am Ende der Entwicklung jede Originalität ausgelöscht“ wurde. Gleichzeitig blieb die Wiener Akademie auf dem Gebiet der klassizistischen Kunst Anfang des 19. Jahrhunderts hinsichtlich der stilistischen Entwicklung im europäischen Vergleich zurück. Während sich in Rom und Paris die Verbindung von Klassizismus und Romantik durchsetzte, blieb die Wiener Lehre weiterhin den barocken Vorbildern Mengs und Marons verhaftet. Zudem bewirkten die zeithistorischen Umstände, daß die Ideale, die einst die Ausbreitung des Klassizismus erheblich gefördert hatten, zunehmend in Frage gestellt wurden. Mit dem wesentlich durch eine explizite Heraushebung nationaler Werte unterstützten Kampf gegen Napoleon trat die Hinwendung zur eigenen Geschichte in den Vordergrund. Mit dem Verlust des Glaubens an allgemeine Menschheitsideale trat zugleich auch der Glaube an die Vorbildhaftigkeit der antiken Helden in den Hintergrund. Die sehr sehenswerte Ausstellung wird ab Juni auch in der Geburtsstadt von Johann Joachim Winckelmann, im anhaltischen Stendal, zu sehen sein. Bis dahin kann jedem Interessierten ein Besuch der Wiener Kunstakademie wie auch der reich bebilderte und gut recherchierte Ausstellungskatalog wärmstens empfohlen werden. Heinrich Friedrich Füger, „Der blinde Homer trägt seine Verse vor“ (1798): Moralität, Patriotismus, Opferbereitschaft und Familiensinn Die Ausstellung „Antike in Wien: Die Akademie und der Klassizismus um 1800“ ist noch bis zum 9. März in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien, Schillerplatz 3, zu sehen. Info: 0043/1/48816-228/229 oder 230. Der Katalog ist im Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein, erschienen.

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