Im Jahr des 5. Todestages Ernst Jüngers und des 105. Geburtstages Friedrich Georg Jüngers fand im oberschwäbischen Heiligkreuztal, nur wenige Kilometer von Ernst Jüngers letztem Wohnort Wilflingen entfernt, das 5. Jünger-Symposion, veranstaltet vom „Freundeskreis der Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger e.V.“, statt. Das überwiegend hochkarätige Programm war ebenso Anlaß zur Vorfreude wie überhaupt der Umstand, daß endlich auch Friedrich Georg Jünger in Art und Umfang angemessenen berücksichtigt wurde; etwa die Hälfte der zehn Beiträge war dem Überlinger Dichter gewidmet. So sprach die 90jährige österreichische Schriftstellerin Gertrud Fussenegger über Friedrich Georg Jüngers Roman „Der erste Gang“ (1954), der das Versinken der alten Monarchie Österreich-Ungarn thematisierte; der Berliner Philosoph Steffen Dietzsch zeichnete F. G. Jüngers Ariadne-Bild nach. Dietzsch zeigte auf, wie der Weg durch Labyrinthe und das Umherirren das Werk Jüngers leitmotivisch durchzieht. Die Schriftstellerin Barbara von Wulffen, Tochter des mit den Brüdern Jünger eng befreundeten Ehepaares Sophie Dorothee und Clemens Graf Podewils, widmete sich Friedrich Georg Jüngers „grüner Kampfschrift“ „Vollkommene Schöpfung“ von 1969. Des weiteren auf dem Programm standen zu Friedrich Georg Jünger: „Magisch-mythische Bilderkraft – Die zeitlose Ausstrahlung von Friedrich Georg Jüngers Gedichten“ von Godehard Schramm und „Philosophische Gedanken zum ‚Mythisch-Göttlichen‘ ausgehend von F. G. Jünger und Martin Heidegger“ von Dietmar Koch. Zu Ernst Jünger war sein französischer Übersetzer Francois Poncet zu hören, der über die „Aushöhlung des Faustischen in Ernst Jüngers ‚Afrikanischen Spielen'“ vortrug. Daß er sich dabei lautmagischer Wege zur Interpretation bediente, hätte Jüngers Zustimmung gefunden, handelt es sich doch bei der Sprache um den Urgrund des Mythischen wie des Transzendenten. Der Philosoph und Sprengmeister Svend Buhl sprach über den „Mythos der Bilder“, über die Synästhesie und Stereoskopie bei Ernst Jünger hat Buhl in diesen Tagen seine Dissertation veröffentlicht (Besprechung folgt). Ein Ärgernis soll nicht ausgeklammert bleiben: Betonte der Vorstand des Jünger-Freundeskreises während des Symposions zwar das Unpolitische des Vereins, so erstaunte doch die als Vortrag getarnte Predigt des Münchner Theologen Eugen Biser über „Friede“ und „Europa“, die auf einem Kirchentag besser angesiedelt gewesen wäre. Ging Biser in seinen Eingangsworten immerhin einmal auf Jüngers „Friedensschrift“ mit einem Zitat ein, so war seine salbungsvolle Predigt mit ihrem halbseidenen Pazifismus, die inhaltlich nichts mit Jünger zu tun hatte, nur schwer erträglich. Es gab empörte Zwischenrufe aus dem Publikum, einige Zuhörer verließen sogar den Saal. Solche politisierenden Peinlichkeiten sollten künftig besser vermieden werden. Das Symposion war „Mythos I“ übertitelt, Mythos II usw. werden folgen. Ernst Jünger wäre gewiß die Verknüpfung des Wortes „Mythos“ mit einer Ziffer aufgefallen. Ist daran Anstoß zu nehmen? Vielleicht kann darauf hingewiesen werden, daß Wissenschaft und Mythos nur schwer in Einklang zu bringen sind und daß die Numerierung der „Mythos“-Symposien der Einbruch der Wissenschaft, der Ratio in die Welt des Lesers ist. Doch den Brüdern Ernst und Friedrich Georg Jünger ist dieses Paradoxon angemessen: beide waren durchdrungen von der Liebe zur Natur ebenso wie zum Mythos und waren zugleich als Wissenschaftler – wenn man so will – positivistisch geschult.