Nach seinem Roman „Der Gast des Gouverneurs in der Wand des Kraters“ hat Rolf Stolz mit „Der Abschiednehmer“ nun einen neuen Band mit Prosatexten vorgelegt. Es sind zumeist Kurzerzählungen, die subtil und prägnant, zum Teil mit surrealistischen Mitteln, die Doppelbödigkeit menschlichen Daseins umreißen. Die Prosa ist streng gefügt, dicht und klar geschrieben und findet gleichermaßen aus Traumszenen und Alltäglichkeiten zu einer symbolhaft überhöhten Wirklichkeit. So wird „Die Maschinerie“ zum Symbol der inneren Hilflosigkeit des Menschen; „Die Nachricht“ ist von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit durchdrungen; „Nur noch Inseln“ zeigt die charakteristische Mischung aus der eigenen Suche nach sich selbst und dem Versuch, moralische Konflikte zu lösen; „Das Ufer“ deutet wiederum meist unwahrscheinliche Situationen symbolisch aus. In der Form dieser Erzählungen vereinigen sich die starke Neigung des Autors zur Symbolik, sein drängendes Suchen nach einer Ordnung, seine Liebe zu wilden und unbezähmbaren Landschaften und seine verstechnische Erfindungsgabe aufs glücklichste. Immer wieder erstaunen die langen Ketten von Vergleichen, erfüllt von bitterwitzigem Räsonnement, alogisch handelnden Gestalten, funkelnden Paradoxien. Das Leben erscheint in diesen Texten als „Erlaubnis, den Tod kennenzulernen“, die Wirklichkeit als schreiender Widerspruch, das Gefühl der Unerträglichkeit der Existenz im ungewissen Dunkel der Zukunft in einer fast exzentrisch bildhaften Sprache. Stolz führt dem Leser eine moralische Innenschau vor, die zwar keine schrankenlose Selbstentblößung zu bieten hat, aber den symbolerfüllten Stücken voll ironischer Psychologie die zehrende Unrast nimmt. Seiner Grundüberzeugung, daß die gesamte Wirklichkeit in Chiffren geschrieben ist, die es zu lesen und aufzulösen gilt, tut dies keinen Abbruch. In diesem Sinne sind seine Interpretationen sozialer, künstlerischer und technischer Phänomene nur ein verdeutlichendes Abbild der Dinge, die sich in den Seelen der Menschen ereignen und mit denen sich der Mensch in der „modernen Welt konfrontiert sieht“. Rolf Stolz: Der Abschiednehmer. Geschichten und Unmöglichkeiten. Freiburger Echo Verlag, Freiburg 2002, 160 Seiten, 12,90 Euro
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