Anzeige
Anzeige

Für jeden Menschen gibt es einen Namen

Für jeden Menschen gibt es einen Namen

Für jeden Menschen gibt es einen Namen

 

Für jeden Menschen gibt es einen Namen

Anzeige

Um die Neugestaltung des Spöttinger Friedhofs in Landsberg am Lech tobt noch immer ein heftiger Streit. Unter den dort Bestatteten aus mindestens 19 Nationen befinden sich Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, auf natürliche Weise verstorbene Gefangene sowie etwa 140 Personen, die bis zum Jahre 1951 von den Amerikanern als Kriminelle und NS-Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und gehängt wurden (die JF 6/03 und 10/03 berichtete). Unter den insgesamt 300 Toten sind auch vier Menschen jüdischen Glaubens. Am 22. Januar dieses Jahres wurde der Friedhof entwidmet und eine Informationstafel aufgestellt. Die Namenstafeln an den Holzkreuzen wurden abmontiert, um den Hingerichteten ihre Identität zu rauben und die Erinnerung an sie zu tilgen. Anders als in der zentralen israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem, wo es heißt: „Für jeden Menschen gibt es einen Namen, jedes Menschen soll man gedenken“. Inzwischen wurde das Institut für Zeitgeschichte in München damit beauftragt, eine Dokumentation über den Spöttinger Friedhof zu erstellen und Vorschläge für eine künftige Gestaltung zu machen. Der Münchner Rechtsanwalt Hans-Achim Fritzsche engagiert sich seit Jahren für den Erhalt des Friedhofs in seiner ursprünglichen Gestalt. Anläßlich des Volkstrauertages hat die JUNGE FREIHEIT mit ihm gesprochen. Herr Fritzsche, im Januar dieses Jahres hat der damalige bayerische Justizminister Manfred Weiß in seiner „Entwidmungsansprache“ unter anderem betont, daß die für Gräber geltenden Ruhezeiten nur 25 Jahre betrügen, der Friedhof mit Steuergeldern gepflegt werde und dieser Ort nicht als Gedenkstätte für Kriegsverbrecher, sondern nur als Dokument der Zeitgeschichte erhalten bleiben dürfe. Fritzsche: Ruhezeiten gelten nicht für Friedhöfe, die – wie der Spöttinger Friedhof – unter Denkmalschutz stehen. Die Entwidmung erfolgte unter gröblicher Mißachtung des Denkmalschutzgesetzes. Was die für die Pflege des Spöttinger Friedhofs aufgewandten Staatsmittel betrifft: Sie sind geradezu lächerlich gering. War die Entwidmung des Friedhofs also überhaupt rechtmäßig? Fritzsche: Die Entwidmung wurde durch eine willkürlich zusammengesetzte „Gesprächsrunde“ beschlossen und blitzartig ausgeführt – und zwar ohne die Bevölkerung zu befragen. Dabei sind viele Menschen mit dem Vorgehen keineswegs einverstanden. Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge schrieb mir am 3. Juli 2003: „Ich sichere Ihnen zu, daß der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge sich für den Erhalt der Kriegsgräber am ursprünglichen Standort auch weiterhin einsetzen wird.“ Auf Nachfrage wurde mir bestätigt, daß unter „Kriegsgräber“ alle Gräber von Personen zu verstehen sind, die durch Kriegseinwirkung zu Tode kamen, also auch Bombenterror- und Vertreibungsopfer, verstorbene vergewaltigte deutsche Frauen, von den Alliierten Hingerichtete, Deserteure, Widerstandskämpfer und andere. Vermutlich befürchten viele, daß nicht nur – wie bereits geschehen – Soldatengedenkstätten beschmiert oder sogar zerstört werden, sondern daß man eines Tages nicht mehr haltmacht vor den Millionen deutscher Soldatengräber in aller Welt. Waren die 130 bis 140 gehängten Deutschen tatsächlich Kriegsverbrecher? Fritzsche: Es ist eine geschichtliche Tatsache, daß sich unter den Hingerichteten viele, vielleicht sogar überwiegend Unschuldige befanden, die einer amerikanischen Siegerjustiz zum Opfer gefallen sind. Die Gefangenen wurden – um zu Geständnissen zu gelangen – gefoltert, gequält, mit Auslieferung an die Russen und mit Repressalien gegen die Angehörigen bedroht. Scheinhinrichtungen sollten den Druck erhöhen. Die Verurteilungen zum Tode dauerten oft nur Minuten. Diese amerikanische Terrorjustiz ist unbestritten. Ich verweise hier nur auf die Veröffentlichungen von Monsignore Morgenschweis, des Weihbischofs Johannes Neuhäusler sowie des Rechtsanwalts und Historikers Rudolf Aschenauer. Nur durch eine genaue Überprüfung der Urteile – die Akten liegen in den USA – ließe sich im Wege der Wiederaufnahme eine Rehabilitierung der Opfer ermöglichen. Gelingt dies dem beauftragten Institut für Zeitgeschichte nicht, so ist es völlig abwegig, ja geradezu unverschämt – wie auf der jetzigen Tafel -, von Personen zu sprechen, die nach 1945 als nationalsozialistische Kriegsverbrecher zu Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Da hilft es auch nicht weiter, wenn ständig auf einzelne Schuldige hingewiesen wird. Es ist einfach geschichtsverfälschend, wegen einiger weniger Personen alle anderen Gehängten pauschal als „Kriegsverbrecher“ zu bezeichnen. Besteht nicht die Gefahr, daß -wenn man den Spöttinger Friedhof in der bisherigen Form beläßt – dieser zu einer Gedenkstätte für ewiggestrige NS-Nostalgiker werden könnte? Fritzsche: Den Friedhof haben meist Angehörige der Hingerichteten besucht, um der Toten zu gedenken und Blumen niederzulegen. Es stimmt allerdings, daß vor Jahrzehnten die inzwischen verbotene Wiking-Jugend einen Kranz niedergelegt hat. Auch die inzwischen aufgelöste Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit – Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS e.V. (HIAG) stellte an einem Volkstrauertag vor vielen Jahren am Grab eines Kameraden eine Blumenschale auf. Und zuletzt gedachte eine „Kameradschaft Erzgebirge“ mit einem Kranz (Aufschrift: „Wir werden Euch nicht vergessen“) der Toten. Von einem „Aufmarsch“ kann in diesem Zusammenhang allerdings überhaupt nicht die Rede sein. Und diese Kranzniederlegungen ändern auch nichts daran, daß durch die Auflassung der Gräber ein Stück Gemeinde- und Friedhofsgeschichte und damit ein Teil der deutschen Zeitgeschichte für immer verlorenginge. Wie wird die endgültige Gestaltung des Spöttinger Friedhofs aussehen? Fritzsche: Ursprünglich war vorgesehen, nicht nur die Namensschilder, sondern auch die Kreuze zu vernichten. Der völlig unerwartete heftige Widerstand gegen einen derartigen Plan war jedoch so groß, daß man es nicht mehr wagte, auch die Kreuze abzureißen. Deshalb wurden zunächst nur die Namensschilder entfernt. Vorgesehen ist nun, den Spöttinger Friedhof als „Dokument der Zeitgeschichte“ zu erhalten und auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Dokumentation über die endgültige Gestaltung zu befinden. Zur Zeit führt die Landesvollzugsanstalt Landsberg eine Fülle von Archivierungsarbeiten durch. Danach soll das Institut für Zeitgeschichte in München federführend tätig werden und einen Vorschlag über die künftige Gestaltung unterbreiten. Die Dokumentation soll zwischen dem Staatsministerium der Justiz und dem für Wissenschaft, Forschung und Kunst abgestimmt werden. Zu befürchten ist jedoch heute schon, daß die Namensschilder nicht wieder angebracht werden und daß statt dessen eine große Dokumentationstafel aufgestellt wird. Diese soll – wie die jetzige schäbige Tafel – nicht dem Gedenken an die Toten dienen, sondern der weiteren „Aufarbeitung“ der NS-Vergangenheit. Man wird gespannt sein, ob das Institut für Zeitgeschichte eine wissenschaftlich unangreifbare Formulierung der Tafel vorschlagen wird, die vor allem dem Gedenken an die Toten Rechnung trägt. Worauf es jedoch in allererster Linie ankommt, ist die Wiederherstellung des Friedhofs in seinem alten Zustand samt Holzkreuzen und Namenstafeln. Foto: Gräber auf dem Spöttinger Friedhof in Landsberg am Lech: Mißachtung des Denkmalschutzes weitere Interview-Partner der JF

Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
Hierfür wurden keine ähnlichen Themen gefunden.