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Doppelt überflüssig

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Doppelt überflüssig

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Flächendeckend greift in der deutschen Kulturszene eine Endzeitstimmung um sich, sind Schließungen und öffentliche Verwahrlosung in den Kommunen keine Theorie mehr. Davon ungerührt halten die Bundesregierung und das Land Berlin an einem kostenträchtigen, größenwahnsinnigen und überflüssigen Projekt fest: An der „Topographie des Terrors“, die an zentraler Stelle, auf dem Areal des kriegszerstörten Prinz-Albrecht-Palais, entstehen soll. Bis 1945 hatten dort die Gestapo-Zentrale und das Reichssicherheitshauptamt ihren Sitz. Bis in die neunziger Jahre illustrierte eine – durchaus informative – Ausstellung die Geschichte des Ortes. Gezeigt wurde sie in einem improvisierten Pavillon. Nach der Wiedervereinigung waren einschlägige Aktivisten der Meinung, daß dieses Gebäude dafür nicht mehr ausreiche. Eine Stiftung „Topographie des Terrors. Internationales Dokumentations- und Besucherzentrum Berlin“ wurde unter Beteiligung von Bund und Land gegründet. Diese schrieb 1993 einen Wettbewerb aus, den der Schweizer „Stararchitekt“ Peter Zumthor gewann. Sein Entwurf sieht einen schmalen Baukörper mit einem komplizierten Betonstab-Tragwerk vor. Die Zwischenräume dieser „reinen Struktur“ sollen durch gegossenes Industrieglas aufgefüllt werden. 3.000 Quadratmeter Nutzfläche sollen so entstehen, davon ein Drittel als Ausstellungsfläche. Am 8. Mai 1995 wurde der symbolische Baubeginn gefeiert, 2000 war der Gebäudetorso weitgehend fertig. Und seitdem stocken die Arbeiten. Denn schnell wurde klar, daß die vom Berliner Senat festgelegte Kostenobergrenze von 36 Millionen Mark nicht einzuhalten war. 1998 kalkulierte man bereits 45 Millionen Mark, im Jahre 2000 über 60 Millionen und inzwischen 39 Millionen – Euro! Wegen dieser Kostenexplosion besteht seit drei Jahren ein faktischer Baustopp. Im Grunde hat niemand Lust, ihn aufzuheben, denn niemand kann das Projekt bezahlen und niemand einen vernünftigen Grund für seine Vollendung nennen. Nur die Stiftung selbst schwärmt von einer Spezialbibliothek, von Datenbanken, von einem Dokumentationszentrum für NS-Verbrechen und elektronischer Vernetzung und Forschung. Angesichts der geschichtspolitischen Vorgaben, mit denen das „Topographie“-Projekt befrachtet ist, ist vorhersehbar, daß hier statt seriöser Forschung nur Volkspädagogik betrieben werden kann. Denn historische Forschung muß ergebnisoffen und politisch zweckfrei sein, sonst ist sie keine. Sinnvoll wäre ein derartiges Zentrum allenfalls auf dem Gelände des Bundesarchivs im Süden Berlins, weil diese Nähe den raschen, für Forscher unverzichtbaren Zugriff auf die NS-Akten des „Berlin Document Centers“ und weitere Archivbestände ermöglichen würde. Die „Topographie des Terrors“ ist doppelt überflüssig, weil ein ähnliches Konzept bereits für den „Ort der Erinnerung“ beim Holocaust-Denkmal geplant ist. Um sachlich begründbare Zwecke geht es in Wahrheit gar nicht. Vor allem soll die „Topographie des Terrors“ sich mit dem Holocaust-Denkmal und dem Jüdischen Museum von Daniel Libeskind zu einer innerstädtischen, „einzigartigen Erinnerungs- und Gedenkmeile“ verbinden. Und niemand wagt es, dieser Gesinnungshybris zu widersprechen! Auf einem kürzlich stattgefundenen Symposium im benachbarten Gropiusbau zeigte sich der CDU-Kulturexperte Norbert Lammert, der auch Vizepräsident des Bundestags ist, „fassungslos“. Aber nicht über die im Bau befindliche Gigantomanie, sondern darüber, daß sie nicht schon längst verwirklicht worden ist. Daß er bei Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS), diesem müden Tod des Berliner Kulturlebens, dabei offene Türen einläuft, bedarf keiner Erwähnung. Statt einen Schlußstrich zu ziehen, hat Kulturstaatsministerin Christina Weiß, die sonst kein Geld hat, angekündigt, der Bund wolle die Hälfte der Kosten übernehmen. Die andere Hälfte muß vom bankrotten Berlin aufgebracht werden, wo faktisch über jedem Opernhaus, Theater, Kulturzentrum, über jeder Universität, Kunsthochschule und Bibliothek, über jeder kleinen Kultureinrichtung das Damoklesschwert der Schließung schwebt. Niemand kann die Hand dafür ins Feuer legen, daß die 39 Millionen Euro die endgültige Kostengrenze sind. Wie hoch die anfallenden Betriebskosten sein werden, steht ebenfalls in den Sternen. Unsere bewältigungssüchtige Kulturschickeria aber marschiert weiter, mag die kulturelle Substanz links und rechts des Weges auch in Scherben fallen und eine Schneise der Verwüstung zurückbleiben. Beim Gedanken an die Zukunft fällt einem eine Zeichnung des Berliner Malers Heinrich Zille ein: Auf dem dunklen Hinterhof einer Mietskaserne bestaunen Kinder eine einsame Blume, als eine Hausbewohnerin schimpft: „Geht von der Blume weg, spielt mit dem Müllkasten!“ Falls unsere „Kids“ in einigen Jahren ein unverhofftes Bedürfnis nach Kultur äußern, wird man ihnen zurufen: „Was braucht ihr Bibliotheken, Jugendhäuser, Musikhochschulen und Theater? Schert Euch zum Terror!“ Gelände „Topographie des Terrors“ (2002): Seit drei Jahren besteht ein faktischer Baustopp

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