Bei manchen Zeitungen genügt es, zur Beschreibung ihres politischen, intellektuellen und journalistischen Horizonts, die Überschriften einer einzigen, neueren Ausgabe zu zitieren: „Die Kraft aus den Bergen“, „Eine einzigartige Vielfalt“, „Das Mekka der Tüftler“, „Weil hier vieles einfacher ist“. So gnadenlos optimistisch in eigener Sache, das weiß man aus DDR-Zeiten, kann und darf nur ein zentral gesteuertes Partei- und Staatsorgan sein. Doch handelt es sich nicht um das ehemalige SED-Zentralorgan Neues Deutschland. Sogar dieses jetzt PDS-nahe Zombie-blatt kann es sich nicht erlauben, derart rosarot über das eigene (verflossene) Staatsgebilde zu schreiben. Es geht um denBayernkurier. Wo soviel Licht ist, wie diese Zeitung sich zu reflektieren bemüht, werden naturgemäß auch Schatten geworfen – außerhalb der Landesgrenzen, versteht sich, und ausschließlich verursacht von Rot-Grün: „Bruch der Verfassung“, donnert es im gerechten Zorn, eine „Rote Eminenz“ aus NRW, „Unfairer Wettbewerb“, „Postenschacher“ und „Endlose rot-grüne Blockade“ werden gegeißelt. Wenigstens eine gesellschaftliche Guppe hat auch schon die Lösung für alle diese Probleme parat: „Wirtschaft ruft nach Stoiber“. Statt kritischer Analysen und politischer Perspektiven geht es dem Bayernkurier bloß um Kampagnen. Nach diesem Prinzip breitet das Blatt genüßlich Schröders Holzmann-Pleite aus, verharmlost aber die massive Beteiligung bayerischer Kreditinstitute am Pleiteunternehmen Kirch, die zum nicht geringen Teil auf das Drängen von Wirtschaftsfachmann Stoiber zurückgeht. Die Perspektive des Bayernkuriers auf Deutschland und die Welt ist der Blick aus Krähwinkel. Da wird beispielsweise Gastkommentator Georg Gafron, der Berliner Miniatur-Murdoch, der Rundfunk, Fernsehen und Zeitung macht für diejenigen, die da geistig nicht bloß arm sind, sondern längst schon in der Gosse liegen, im vollen Ernst als bedeutender Hauptstadtjournalist angekündigt. Für Europa und den globalen Rest muß in der Redaktion fast ein einziger Experte mit dem Kürzel H. M. genügen. Hinsichtlich Rumäniens fragt H. M. in der Überschrift: „Licht am Ende des Tunnels?“ Ja, das hätten wir bei der Lektüre des Artikels auch gern erfahren. Aus Italien wird die überraschende Botschaft verkündet: „Regierung unter Druck“. Und US-Präsident Bush wirkt zwar nicht gerade, als hätte er die tiefen Teller erfunden, dennoch steht er für eine „geistig-moralische Wende“ nach dem Geschmack des Bayernkuriers. Unter der sinnigen Schlagzeile „Krieg und Bildungsreform“ erfährt der geneigte Leser, daß Bush vor allem ein Bildungsreformer ist. Wie das? Er ist mit „einer Lehrerin verheiratet“. Und wir hatten schon auf ein dralles Flintenweib getippt! Nach Meinungsstreit, gesellschaftspolitischen Debatten, nach einer geistigen Meta-Ebene gar, fahndet man im Bayernkurier vergebens, eine Trennung von Bericht und Kommentar gibt es nicht. Er ist ein Vereinsblatt zur Information und Munitionierung der CSU-Anhänger. Die durchweg zustimmenden Leserbriefe suggerieren, daß sich im Dunstkreis der Zeitung eine herzerwärmende Gemeinschaft gebildet hat. Die Zeitung war Ende 2000 radikal umgekrempelt worden. Das bis dahin von Wilfried Scharnagl geleitete Blatt bekam ein aufgelockertes, farbiges Layout und mit dem Welt-Journalisten Peter Schmalz einen Chefredakteur, der Konservatives frisch verpacken sollte. Im Ergebnis kommt das übliche Parteiengezeter nun etwas windschnittiger daher, sonst gibt es nichts Neues im Süden. Der heutige Bayernkurier schliddert nur noch auf der Schleimspur des Mainstreams dahin. Die Hoffnung, daß er sich zu einer geistig eigenständigen, konservativen Alternative in einer fast durchweg linksliberalen Zeitungslandschaft entwickeln würde, muß man sich endgültig abschminken. „Bayernkurier“. Nymphenburger Str. 64, 80335 München. Das Normalabo kostet 75 Euro jährlich.
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