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Eine Welt im Farbenrausch

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Die Berliner Galerie Pels-Leus den, idyllisch in einer der renommiertesten Adressen der westlichen Innenstadt, der Fasanenstraße gelegen, scheint vom Rausch des Erfolges verwöhnt. Unter ihrem Leiter Bernd Schultz gelang es ihr nicht nur, in den vergangenen 15 Jahren eines der erfolgreichsten und international angesehensten Kunst-Auktionshäuser zu betreiben und zu etablieren. Es gelingt ihr auch immer wieder, herausragende Verkaufsausstellungen durchzuführen, die oftmals längst verschüttet geglaubte Werke bedeutender Künstler aus dem Schatten privater Sammlungen in das Licht der nationalen und internationalen Öffentlichkeit rücken und das Publikum wahrlich überraschen. So auch in diesen Wochen, in denen eine bemerkenswerte Auswahl von Werken des ostpreußischen, in Tapiau geborenen Malers und Graphikers Lovis Corinth (1858-1925) vorgestellt wird. Unter dem Titel „Lovis Corinth am Walchensee. Späte Bilder 1918-1925“ werden bis zum 29. Mai insgesamt 41 Gemälde, Aquarelle und Graphiken, darunter eine seltene nummerierte Mappe aus dem Fritz Gurlitt Verlag, zum Verkauf angeboten, oder sind als private Leihgaben für die Dauer der Ausstellung teilweise erstmals in Deutschland zu sehen. Damit wurden in einer ungeahnten Fülle eine Anzahl von durchaus hochstehenden Werken der Zeit nach 1917 an der Spree versammelt. Die Walchenseebilder, entstanden am geliebten, erst 1918 vom Künstler für sich entdeckten süddeutschen Sommerdomizil, zeigen einen im Farbenrausch stehenden Corinth, welcher noch ungezwungener und dem Konventionellen entrückter zu einer neuen malerischen und künstlerischen Form fand. Zwischen Impressionismus und Expressionismus schwebend, dabei jeder Kategorisierung angenehm sich entziehend, hatte Corinth in den folgenden Jahren eine Welt formuliert, die Zeitgenossen wie den Secessionisten Max Liebermann irritierten, andere zu hymnischen Lobpreisungen hinrissen. Bis heute sehen viele in Corinth einen der entscheidensten frühen modernen deutschen Maler. Die schwere, aufgrund seines bacchantischen Lebenswandels 1911 eingetretene Erkrankung – Corinth litt seit seinem Schlaganfall zeitweise an einer halbseitigen Lähmung – konnte sein unbeugsames Drängen zu immer neuen Formen und Farben in Malerei und Graphik, welches sich in einem wahren Aufbäumen aller künstlerischen Kräfte bis zu seinem Tode äußerte, nicht aufhalten. Liebermann aber kritisierte jene, die in den auch von der Krankheit gezeichneten Bildern die wahre Größe und Leistung Corinths zu erblicken glaubten. Er bezeichnete die späten Bilder in seiner anläßlich der vom Generaldirektor der Nationalgalerie, Ludwig Justi, 1926 veranstalteten Retrospektive gehaltenen Rede nicht ohne Ironie als „geistreiche Improvisationen“ und betonte, diese seien mit der „Korrektheit der Form seiner frühen Bilder“, ohne dabei eine feste Struktur aufweisen zu können, nicht vergleichbar. Liebermann, dessen Verhältnis zu Corinth schon vor 1914 und bis zu der späten Versöhnung Anfang der zwanziger Jahre von Argwohn geprägt war, formulierte hier als mächtiger Kunstpolitiker, der Corinth auch in seinem Wirkungsfeld immer gewesen war, ein Problem, welches besonders nach 1933 zu der Trennung des Werkes in einen „gesunden“ und einen „entarteten“ Teil führen sollte und wertvolle Originale aus dem Besitz deutscher Museen verschwinden ließ. Häufige Angriffe galten aber auch Corinths früherem Werk, seinem Verständnis von Komposition sowie den teilweise als ungewohnt brutal angesehenen Darstellungen, beispielsweise der „Salomé“ (1900) oder von „Das Große Martyrium“ (1907). Die Walchenseebilder jedoch zählen sicherlich zu den erst später abgelehnten Werken, was selbst nach 1945, zumindest bis zu der zum 100. Geburtstag Corinths 1958 in Wolfsburg in Zusammenarbeit mit der Witwe zusammengestellten Ausstellung, ein regelrechtes Verschweigen des Künstlers in der deutschen Öffentlichkeit nicht verhindern konnte. Corinth fiel in Ungnade und stieß gerade bei öffentlichen Institutionen auf Desinteresse, galt sein Werk doch gerade wegen der noch möglich gewesenen Anerkennung durch Teile der Kunst-Kritik in der Zeit des Nationalsozialismus als unzuverlässig. Auch motivisch und in der Inszenierung heben sich manche Bereiche des Werkes Corinths deutlich von denen der späten Jahre ab, was aber nicht zu einer totalen Aufgabe der früheren Themen führte, zum Beispiel was die Verarbeitung mythologischer Themen angeht. Als herausragende Beispiele für das Spätwerk des Malers sind besonders das in der Vergangenheit schon in Amerika in zahlreichen Ausstellungen gezeigte „Selbstporträt am Walchensee“ (1922) aus israelischem Privatbesitz, wie auch das im typisch entschlossenen Duktus des sich gegen die drückende Krankheit Aufbäumenden gehaltene Bild „Walchenseer Mondnacht“ (1924) aus süddeutschem Privatbesitz zu nennen. Als weitere Höhepunkte des Rundganges werden das außerordentlich stimmungsvolle und mystische Gemälde „Walchensee Junimond“ (1920) und die „Chrysanthemen“ (1924), welche sämtlich den Weg des zunächst vom französischen Impressionismus Geprägten weit in das zwanzigste Jahrhundert weisen, in Erinnerung bleiben. Für einige Beiträge des eigens erstellten, teilweise farbig illustrierten Kataloges konnten als Autoren unter anderen die Historiker Christoph Stölzl und Michael Stürmer gewonnen werden, letzterer in ungewohntem Gestus des Kunstbetrachtenden. Die Bedeutung der Walchensee-Bilder liegt in ihrer fast revolutionär-individualistischen Steigerung einer nicht klar nur einer Kunstrichtung zuzuordnenden Haltung, was allerdings eine Grundeigenschaft der Corinthschen Bilderwelt an sich zu sein scheint. Wie sehr gerade die jetzt ausgestellten Walchensee-Bilder, die in ihrer Gesamtheit einstmals die Gemüter so erhitzten, manche Tendenz in der modernen Malerei der letzten Jahrzehnte vorwegnahmen, wird in der Berliner Ausstellung überdeutlich. Sie sind eben, trotz ihrer Andersartigkeit, ähnlich den frühen Bildern, symbolhafte Zeichen von künstlerischer Ungebundenheit und Lebensbejahung. Doch trotz des Stürmenden, Rauschenden, das ihnen innewohnt, was auch bei der Betrachtung der späten Graphikfolgen und Aquarelle zu einer ungeahnten Kraftentfaltung zu führen scheint, verlieren die Bilder nie an Bindung an die Vorgaben der Natur. Seine Farben und die manchmal nahe der Abstraktion sich bewegende Malerei bleiben bis zum Schluß auch der europäischen Maltradition verpflichtet, die ihm unverkennbar Orientierung und Halt bot. Ein Besuch in der Fasanenstraße lohnt sich. Die Ausstellung „Lovis Corinth am Walchensee. Späte Bilder 1918-1925“ ist bis zum 29. Mai in der Galerie Pels-Leusden, Fasanenstraße 25, 10719 Berlin, täglich von 10 bis 18.30 Uhr, Sonnabend bis 14 Uhr zu sehen. Der zur Ausstellung erschienene Katalog mit 50 Seiten, teils farb. Abb., kostet 15 Euro.

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