Die moderne deutsche Dramatik schreitet auf ihrem einmal eingeschlagenen Weg um die Klosettschüssel unverdrossen voran. Einer, der am meisten darunter leidet, ist Gerhard Stadelmaier von der FAZ. Mit sarkastischem Abscheu, aber in epischer Breite schildert er in seiner Zeitung immer wieder den jeweils neuesten Streich der Stückeschreiber, so jetzt wieder „Das kalte Kind“ von Marius von Mayenburg, uraufgeführt in der Berliner Schaubühne. Originaltöne Stadelmaier: „Silke und Werner befinden sich in einem Szeneklub, wo es dem ‚ganz normalen Exhibitionisten‘ Hennig in der Damentoilette über der dort sich erbrechenden Lena ‚warm in die Hose geht‘ … Dem Joachim schwimmt sein abgeschnittenes Geschlechtsteil ‚wie ein Frosch im Pool‘ … Friedrike hat einen Embryo im Bauch, den sie gerne ‚als Scampi in der Krankenhauskantine servieren‘ würde … Der Regisseur Luk Perceval ist ein belgischer Spielvogt mit der erkennbaren Neigung, sämtliche Dramen auf die Basis des vornehmlich nackten männlichen Hinterteils zu setzen … Die Damen erscheinen mit einem angeschnallten Funkgerät überm Schlüpfer – Sie haben keine Wirklichkeit, kein Leben, nur Palaver und Perversionen…“ Frage: Warum geht denn Stadelmaier (und gehen andere) immer wieder in solche Stücke hinein und schreibt so ausführlich über sie? Ist das wirklich nur Berufsethos, das mit zusammengebissenen Zähnen seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit tut? Doch was wäre das dann für ein Berufsethos? Gute Zeitungen sind doch dazu da, über die Wirklichkeit und über das Leben zu berichten und nicht über Palaver und Perversionen. „Werdet endlich erwachsen!“ ist der FAZ-Artikel über „Das kalte Kind“ überschrieben, und Stadelmaier klagt darin: „Alle Windeln sind voll. Alle Toiletten sind ausgekostet. Es ist alles gesagt.“ Er sagt es aber immer wieder. Vielleicht muß auch er endlich erwachsen werden.
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