Mit gemischten Gefühlen nimmt man als Betroffener zunächst die Mitteilung zur Kenntnis, daß die Sprache der Luther-Bibel ein weiteres Mal verändert wird. Seit mehr als vier Jahren arbeiten die Fachleute schon daran. Im September dieses Jahres wird das Ergebnis dem Rat der EKD vorgelegt. Spätestens zum Reformationsjubiläum 2017, wahrscheinlich aber schon im Oktober 2016, soll der neue Text veröffentlicht werden und die derzeit offizielle Fassung von 1984 ablösen.
Ein schnelles Stoßgebet gen Himmel geschickt: „Bitte, bitte, lieber Gott, gib den Theologen die Kraft, dem unheiligen Zeitgeist zu widerstehen!“ Zu tief sitzt das Mißtrauen nach den Wunden, die katastrophale Verballhornungen der Heiligen Schrift wie etwa die „Bibel in gerechter Sprache“ (2006) geschlagen haben. Dieses Machwerk feminisierte zum Beispiel krampfhaft den Heiligen Geist zur „heiligen Geistkraft“ und verunstaltete dadurch etwa den Taufbefehl: „Taucht sie ein in den Namen Gottes, Vater und Mutter für alle, des Sohnes und der heiligen Geistkraft.“ So zerstört man die Kraft des Wortes, indem man sich von Ideologien leiten läßt.
Behaupte niemand mehr, daß es heute keine Wunder mehr gibt, denn das kleine Stoßgebet scheint erhört zu werden. Offensichtlich haben sich die Verantwortlichen fest vorgenommen, zum 500. Reformationsjubiläum nichts falsch zu machen. Tatsächlich ziehen sie den philologischen Sachverstand der Anbiederung an den unheiligen Zeitgeist vor.
Von der älteren Sprache fühlen sich auch Kirchenferne stärker angesprochen
Aus Erfahrung wird man offenbar doch klug. Schon mit dem sogenannten „Eimertestament“ von 1975, in dem zum Beispiel in der Metapher das Licht nicht mehr unter einen Scheffel, sondern unter einen Eimer gestellt wurde, waren die Überarbeiter auf die Nase gefallen. Die Revision von 1984 nahm viele radikale Textveränderungen wieder zurück, besonders an den bekanntesten Stellen der Schrift.
Schwerwiegende Veränderungen wird die Bibel von 2017 nicht enthalten, es ist nämlich lediglich von einer „Durchsicht“ die Rede. Der Vorsitzende des Lenkungsausschusses, Altbischof Christoph Kähler, will mit dem theologischen und kulturellen Erbe behutsam und sorgfältig umgehen. Die Vorgabe lautet: „Der Wortlaut darf nur dort verändert werden, wo es die Treue zu den biblischen Zeugen zwingend erfordert.“
Der Ausschuß folgt also dem löblichen Grundsatz, einerseits so viel zu korrigieren wie philologisch unbedingt nötig, und andererseits so wenig am Lutherdeutsch zu verändern wie möglich. Das bedeutet sogar, daß an manchen Stellen wieder auf das kräftige Lutherdeutsch von 1545 zurückgegriffen wird, wo es philologisch sinnvoll erscheint. Zudem, so lautet eine überraschende weitere Begründung, fühlten sich von der älteren Sprache gerade auch kirchenferne Menschen stärker angesprochen.
Quellen der Schrift sind so gut erforscht wie nie zuvor
Die Durchseher gehen also zurück zu den Wurzeln. Sie stützen sich dabei auf die ältesten Quellen, die so gut erforscht sind wie nie zuvor. Die Schriftrollen aus Kumran, die zwischen 250 vor und 40 nach Christus entstanden, liegen mittlerweile vollständig ausgewertet vor. Sie bilden für den hebräischen Text des Alten Testamentes eine außerordentlich wichtige Grundlage. Auch die griechische Septuaginta gibt es nun in einer neuen Edition.
Die unter anderem auch in dem Lexikon „Wikipedia“ zu lesende Behauptung, es werde nun auch geschlechtergerechte Sprache berücksichtigt, entpuppt sich glücklicherweise als haltlos. „Wir werden die Bibel nicht in ein modernes Gleichberechtigungsbuch verwandeln“, beruhigt Kähler. Lediglich ein Zugeständnis gibt es, wenn Paulus sich in seinen Briefen an die „lieben Brüder“ wendet. Da er mit dieser Anrede selbstverständlich auch die Frauen meinte, ist es gut begründbar, daß die Formulierung künftig zu den „lieben Brüdern und Schwestern“ erweitert wird. Schließlich folgte auch Martin Luther dem modernen Grundsatz, sinngemäß zu übersetzen.
So können wir dem Vorhaben alles in allem nur viel Glück und Erfolg wünschen. Wir dürfen auf das Ergebnis gespannt sein. Ich freue mich darauf und hoffe, nicht enttäuscht zu werden.