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Mager oder Molly?

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Menschliche Schönheitsideale sind nicht hinterfragbar, weil sie auf emotionalen Komponenten beruhen, also keine Ergebnisse von Denkvorgängen sind. Vor allem Frauen aber sind anfällig für diesbezügliche Selbsttäuschungen.

Jede Kultur hat ihre Schönheitsideale. Diese werden zwar auch von Medien mitgeprägt, würden aber nicht funktionieren, wenn sie über keinen tiefer liegenden kulturellen Kern verfügten. So könnten Medien zwar massive Propaganda dafür betreiben, daß Zahnlücken und Hängelider ausgesprochen sexy wären, das Empfinden der großen Masse der Bürger würde das aber nicht ändern.

Teils beruhen unsere Ideale auf universalen Komponenten (die Symmetrie des Gesichts; große Augen), teils auf langen kulturellen Prägungen, teils auf etwas kürzeren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Ein Beispiel für letzteres: Stand blasse Haut in der Agrargesellschaft für einen gesellschaftlich hohen Rang, da sie zeigte, daß man keine Landarbeit bei Wind und Wetter verrichten mußte, so drehte sich dies teils infolge von Industrialisierung und Freizeitgesellschaft. Sonnenbräune galt fortan als sexy, stand sie doch für den schönen Müßiggang der High Society am Pool oder auf der Yacht, während die Blassen in den Fabrikhallen oder Büros zu arbeiten hatten.

Selbsttäuschung

Schönheitsideale existieren also stets, doch in unserer Medienwelt erzeugen sie auch einen starken Druck, ihnen entsprechen zu können. Von jeder Plakatsäule, von jeder Webseite der E-Mail-Portale stolzieren dem Normalbürger teils 16-jährige Models entgegen, um für Textilien, Möbel oder Automobile zu werben. Wird Männern die Partnerwahl erschwert, weil ihre Ansprüche durch das tägliche optische Angebot wachsen, so geraten die Frauen unter Druck, den gezeigten Idealformen näher zu kommen.

Manche versuchen es mit Abnehmen, die anderen gleich mit schönheitschirurgischen Eingriffen. Nun ist grundsätzlich nichts verkehrt daran, an sich zu arbeiten, geistig und körperlich. Und es ist völlig natürlich, sich schön finden zu wollen, was stets mit den Schönheitsidealen zu tun hat. Problematisch wird es, wenn seelischer Druck aufgebaut wird, der einen krank macht, zu Magersucht oder Depressionen führt.

Die Kehrseite ist wiederum die oben angesprochene Selbsttäuschung, die ebenfalls von den Medien bedient wird. „Stöckeln war gestern“ wird beispielsweise immer mal wieder über die Schuhmode getitelt. Stattdessen lägen flache Damenschuhe voll im Trend. Ein vor allem kulturspezifischer Seelentrost für deutsche Frauen, die im internationalen Vergleich Probleme mit hohen Schuhabsätzen haben.

Seelen-Placebo ohne Echtheitsnachweis

Universaler ist das Phänomen der dicken Frauen, die ihre Finger nicht von den Süßigkeiten lassen können, sich zugleich aber herablassend über „Magermodels“ äußern. Regelmäßig werden im Gegenzug Mollys als der neue Trend der Laufstege präsentiert. Pressemeldungen verlautbaren, daß „Magermodels“ nun aber endgültig „out“ seien und „Rundungen mehr und mehr gefragt“. Auch dies ein Seelen-Placebo ohne Echtheitsnachweis.

Als provokative Propaganda-Aktion gegen den „Magerwahn“ wurde nun auch eine Barbie-Puppe mit Normalmaßen auf den Markt gebracht. „Das Bild der schlanken, blonden Frau wird als Erfolgserlebnis verkauft“, sagte dazu Genderforscherin Stevie Schmiedel. Der „Barbie-Wahn“ sei aber „eine Belastung für die Kinder“. Sogar Pickel und Dehnungsstreifen konnten für diese „Anti-Barbie“ mit dem Namen „Lammily“ erworben werden. Die Puppe wurde in einem musikalisch untermalten Video als Liebling von Zweitklässlern gefeiert. Die realen Verkaufszahlen dürften eine andere Sprache sprechen.

Und auch die Teilnahme eines Models mit Down Syndrom bei der New Yorker Fashion Week ist eine gesellschaftspolitische Stellungnahme, keine nachhaltige Änderung des Schönheitsideals. Und sie ist Teil der Vermarktungsstrategie einer Designerin, die Aufmerksamkeit durch den bewussten Einsatz von Models fernab des gängigen Schönheitsideals zu erzeugen versucht.

Abbild unserer Sehnsucht

So verkehrt es ist, wenn Frauen in Übererfüllung des Schönheitsstrebens psychisch krank werden, so töricht ist es von jenen, die oft keinen großen Willen haben, an sich zu arbeiten, oder ihre Lebensphase zu erkennen, sich mit Selbsttäuschungen zu befriedigen. Männer wollen sich übrigens diesbezüglich weniger täuschen lassen. Kaum einer würde glauben, wenn die Zeitung verkünde, daß nun statt Waschbrett- nur noch Bierbauch als sexy gelte.

Karl Lagerfeld äußerte schon vor einigen Jahren: „Da sitzen dicke Muttis mit der Chipstüte vorm Fernseher und sagen, dünne Models sind häßlich“, dabei habe die Welt der schönen Kleider seit jeher „mit Träumen und Illusionen“ zu tun. Es geht also im Modelwesen nicht um eine möglichst normgetreue Abbildung des Durchschnittsmenschen, nicht um ein sozialistisches Gleichheitsideal, das zur Zufriedenheit aller abgebildet werden muß, sondern um ein Abbild unserer Sehnsucht nach jenem höheren, lichteren und schöneren Wesen, das in uns schläft, aber geweckt werden möchte.

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