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Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Bismarcks Sprache

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Zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks am 1. April fehlten in den Zeitungen nicht die Lobeshymnen auf seine Sprache. Vielleicht waren die Sprachbetrachtungen für viele Journalisten ein Weg, sich nicht mit anderen Leistungen des Reichskanzlers auseinandersetzen zu müssen. Er sei, so hieß es immer wieder bewundernd, nicht nur ein ausgezeichneter Redner gewesen, sondern habe auch Wörter wie „Strohmann“, „Kirchturmpolitik“ und den „ehrlichen Makler“ geprägt. Mit dem heute überstrapazierten Wort von der „Zivilcourage“ hat er sogar dem heutigen Zeitgeist eine Vokabel geliefert, was wohlwollend vermerkt wurde.

Vor einigen Jahren wären solche Ruhmesworte noch verpönt gewesen. Lieber spottete die Nachwelt über Bismarcks vermeintliche Fistelstimme. Wie schön war doch für manche die Vorstellung, daß ein Mann, der mächtig von „Blut und Eisen“ sprach, dies nur mit einer Piepsstimme tun konnte. Das Gerücht über das angeblich verkümmerte Stimmorgan Bismarcks, das ein Stenograph des Reichstags in die Welt gesetzt hatte, hielt sich das ganze 20. Jahrhundert hindurch und darüber hinaus. Doch dann tauchte 2012 im Thomas-Edison-Archiv in New Jersey ein frühes Tondokument aus dem Jahre 1889 auf.

Wortgewalt statt Fistelstimme

Trotz der schlechten Tonqualität der kurzen Aufnahme aus Friedrichsruh war schnell klar, daß Bismarck nicht nur über eine kräftige Stimme verfügte, sondern auch belesen war. Er trug Verse in mehreren Sprachen vor: vom amerikanischen Lied „In good old colony times“ über Ludwig Uhlands „Kaiser Rotbart lobesam“ und das Studentenlied „Gaudeamus igitur“ bis – tatsächlich! – hin zur Marseillaise.

Daß Bismarcks Redetechnik zu seinen Lebzeiten dennoch umstritten war, zeigte der Schriftsteller Felix Dahn, als er im 19. Jahrhundert in seinem Gedicht „Bismarck und die deutsche Sprache“ schmetterte: „Kein Redekünstler war er, nein! / Und dennoch bis in Mark und Knochen / Drang seine Rede schwertgleich ein, / Weil sie ‚gehau’n war und gestochen‘. / Und seine Feinde nie verzeihn, / Daß er zu ihnen ‚deutsch gesprochen‘.“ Der Schluß des Gedichts ruft Volker Kauders Ausruf „Jetzt wird in Europa Deutsch gesprochen“ von 2011 ins Gedächtnis, der mit der Wirklichkeit nicht viel gemein hatte.

Anekdotische Sprachgewandtheit

Bismarcks Wortgewalt, Sprachbegabung und Schlagfertigkeit spiegeln sich auch in zahlreichen Anekdoten wider. Seien diese wahr oder nicht, ein Körnchen Wahrheit steckt immer darin. Als Bismarck etwa nach der Bezeichnung des künftigen Kaisertitels gefragt wurde, soll er zurückgefragt haben: „Weiß einer der Herren, was auf Latein ‚Wurst‘ heißt?“ Auf die Antwort „farcimentum“ sagte er: „Nescio quid mihi magis farcimentum esset.“ („Ich weiß nicht was mir mehr wurst wäre.“) – Als eine Amerikanerin sich eine Rede Bismarcks im Reichstag dolmetschen lassen wollte, wunderte sie sich, warum der Dolmetscher stumm blieb. Auf ihre Frage entgegnete dieser: „Geduld, Madame, ich warte noch auf das Verb.

Das Körnchen Wahrheit

Bei einem Festessen nörgelte die Gattin eines ausländischen Diplomaten über die deutsche Sprache: Es gebe zu viele Wörter für ein und dasselbe. Zwischen „essen“ und „speisen“ etwa gebe es doch keinen Unterschied. Bismarck widersprach: „Verzeihen Sie, Gnädigste. Diese beiden Wörter sind nicht gleichbedeutend. Denn Christus speiste die fünftausend Männer und Frauen, aber er aß sie nicht.“ Aber „schlagen“ und „hauen“ seien doch dasselbe? Darauf Bismarck: „Sehen Sie, diese prachtvolle Standuhr schlägt die Stunden, aber sie haut sie doch nicht!“ Und wie sei es mit „senden“ und „schicken“, diese bedeuteten doch nun wirklich dasselbe? „Keineswegs, denn Ihr Gemahl ist zwar ein Gesandter, aber kein Geschickter!

Daß Bismarck ein solch ungeschickter Diplomat gewesen sein soll, wie diese Geschichte überliefert, dürfen wir getrost bezweifeln. Seine Sprachgewandtheit ist das Körnchen Wahrheit, das in solchen Anekdoten steckt. Davon können wir solange zehren, bis hoffentlich wieder einmal ein Kanzler kommt, der gut sprechen kann.

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