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Thilo Sarrazin, Deutschland auf der schiefen Bahn, Langen Müller Verlag

Abendland und Perückenschwulst

Abendland und Perückenschwulst

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Abendland und Perückenschwulst

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Nachdem ich mich vor 14 Tagen bereits mit der aktuellen Geisteshaltung deutscher Kulturjournalisten beschäftigt hatte, soll heute ein zweites Beispiel folgen. Es geht dabei um das fast ausschließlich negativ gestimmte Echo der etablierten Medien gegen die „Pegida“-Bewegung. Da „Pegida“ den Begriff des „Abendlandes“ wieder in die öffentliche Debatte gebracht hat, mochte aus aktuellem Anlaß auch Zeit-Redakteur David Hugendick seinen Beitrag zur Rettung des politischen Mainstreams beisteuern. „Am Arsch der Welt“ lautet seine immerhin ehrlich als Polemik gekennzeichnete Wortmeldung. Schon die Eingangszeile macht klar, wohin die Fahrt geht, nämlich in Richtung „Dekonstruktion“ des „Abendland“-Begriffs: „Das Abendland ist ein deutscher Sonderweg von Kultur, Geist, Stolz, Volk und Weinerlichkeit. Warum dieses Geisterreich der Gefühle nicht totzukriegen ist.“

Hugendick verortet das Übel in der Tiefe der deutschen Seele. Zumindest in jener Tradition, die eine Gegenkraft zur aktuell herrschenden Verwestlichung darstellte: der deutschen Romantik. Letztlich, so der Zeit-Redakteur, offenbare sich in ihr der „deutsche Sonderweg“, der auch den „Abendland“-Begriff gebar. In Dresden würde „mit Bürgertugend, Steuerzahlerwut und Abstammungspatriotismus wieder schreiend das Volk beschworen“. Hier fände man „konservatives Beleidigtsein“, „nostalgisch deutsche Empfindsamkeit“, „staubigen Kulturnationalismus“, „hohles Pathos“, „raunendes Moll“, den „neuen Irrationalismus“, dem Hugendick seine „aufklärerische Vernunft“ entgegensetzt.

Hugendick polemisiert weiterhin gegen den „Posthornklang“ und „Waldesnächte“ am Fuß des Kyffhäuser, gegen altgriechisch parlierende Knaben, „Antikenfimmel“, Stefan George, Stützkorsette und Stadtschlösser. Die Hymne des Abendlandes stellt er sich „gesungen von einem Kastratenchor“ und „vertont von Richard Wagner“ vor. Eine abgestandene Phrase, ein dumpfes Klischee folgt dem nächsten, und man fragt sich, wer wohl wirklich geistig in der Vergangenheit lebt. „Knietief“ hätte die deutsche Romantik „im perückendeutschen Schwulst“ gestanden, „anstatt vernünftig zu werden“, schreibt Hugendick, wohlweislich unterschlagend, daß gerade nicht die Romantik, sondern die Aufklärung aus der Perücken-Zeit stammt.

Der Kulturjournalist, ein Wohlstandstypus ohne Sorgen

Und dieser ganze aufklärerisch verbrämte Sprachschwulst wird bemüht, um die angebliche „Demokratieverachtung der Pegida-Demonstranten“ zu belegen. Dabei hätte sich Hugendick diesen Exkurs in die deutsche und seine persönliche Geistesgeschichte eigentlich sparen können, denn letztlich fällt er doch nur wieder auf alte Nazi-Keule zurück. So sei man einst „in der Nazizeit gegen die Bolschewisten“ vorgegangen, wie heute „in Dresden gegen den Islam“: „Damals schworen die Nazis, das Abendland ‘bis zur letzten Patrone’ zu verteidigen. Bei Spengler und den Nazis kam das Böse noch aus dem Osten, heute ist der Islam zum Feind des Abendlandes geworden wie in mittelalterlichen Erzählungen.“ Gut, Presseseiten wollen eben irgendwie mit Wortkaskaden gefüllt sein, mit einem simplen „Pegida = Nazi“ würden sie auch online wahrscheinlich etwas zu leer aussehen.

Hugendicks Karriereweg ist idealtypisch. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft sitzt er seit 2007 im Kulturressort von Zeit Online, erst in Hamburg, dann in Berlin. Der antideutsche Tonfall seiner Polemik ist kein Einzelfall. In einem früheren Beitrag mokiert sich Hugendick über den deutschen „Hang zum Naturkitsch“, weil dieses Volk mit seinem „konservativen Gemüt“ den Genmais produzierenden Konzernen nicht mit offenen Armen entgegenkomme. Und zu Thilo Sarrazin, dem er eine „narzißtische Kränkung“ attestiert, fragt er: „Was will der Mann eigentlich?“

Nun mockiert er sich also über Leute, die sich an der Sprachpolizei der „political correctness“ stören, die mit Rentenkürzungen nicht einverstanden sind oder mit der verminderten Haltbarkeit von Waren. Er selbst offenbart sich dabei als jener Typus der in der Wohlstandsgesellschaft aufgewachsenen Kids, denen die Türen immer sperrangelweit aufgehalten wurden und die folglich lange ihren Frieden mit den bestehenden Verhältnissen gemacht haben. Die gute Welt beginnt bei ihnen in der Regel erst 1945. In der Entwicklung des Islam sehen sie ebenso wenig ein richtiges Problem wie einst im Terror des Sowjet-Kommunismus.

Die Leere aus Konsum und Ablenkung muß gefüllt werden

Auch die EU-Bürokratie weckt keine größeren Ängste. Sie sitzen auf wohldotierten Posten und Redaktionssesseln und fragen sich, was diese Krakeeler auf der Straße eigentlich zu meckern haben. Ihr Denken kreist um die nächste Party, ein bißchen folgenlosen Krawall, ein paar neue Sneaker, vielleicht ein Astra-Bier am Abend oder die Frage, ob man im Auto lieber Tocotronic oder die Die Ärzte hören sollte. Politische Probleme kennt man eigentlich keine. Alles soll bleiben, wie es ist.

Das dies durch die gegenwärtige Politik bedingt nicht passieren wird, ist fern ihres Denkhorizonts. Nur 20.000 in Dresden durch die Straßen ziehende Bürger bereiten ihnen echte Sorgen: Ist das offenbar ein weiterer Ausfluß der deutschen „Kollektivpsychose“ (Hugendick)? Ja, was wollen diese irrationalen deutschen Typen eigentlich? Sollte nicht Ruhe die erste Bürgerpflicht sein?

Doch hinter dieser vom Zeitgeist geprägten Fassade aus Ablenkung und Konsum befindet sich eben doch nur ein Hohlraum, der mit Sinn gefüllt werden möchte. Und weil die aufgeklärte und westliche Welt diesen Sinn außer verfassungspatriotischen Phrasen nicht auf der kollektiven Ebene anbietet, bleiben oft nur spezifische erwünschte Verhaltensmuster: Vor allem die Streuung von „Nazi“-Vorwürfen gegen Störenfriede oder gleich die kollektive Autoaggression.

Deutschen-Bashing zur ungefährlichen Aggressionsabfuhr

Das ist logisch. In Zeiten der „Vielfalt“ und „Toleranz“ kann jeder negative Tonfall den Karriereknick bedeuten. Hier könnte sich eine Schwulengruppe, dort ein Islam-Verband angegriffen fühlen. Heute könnten sich Afro-Deutsche rassistisch beleidigt sehen, morgen der Roma-Vorsitzende diskriminiert. Und was passiert erst, wenn einen die gut vernetzten linken Funktionäre oder Aktivisten auf dem Kieker haben?

Journalistische Arbeit gleicht heute einem Minenfeld, so daß letztlich nur eine weitgehend gefahrlose und nicht karrieretechnisch riskante Möglichkeit der Aggressionsabfuhr übrig bleibt: das Deutschen-Bashing. Man kann mit „Nazi“-Vergleichen ein wenig die Sau rauslassen, sich der Mehrheit der Menschen auf der Straße geistig und moralisch überlegen fühlen. Zudem kann man auf sich aufmerksam machen, ohne Gefahr zu laufen, beruflichen Ärger oder nennenswerte Gegenwehr erleiden zu müssen.

 

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