Als ich vor vier Wochen an dieser Stelle einen Kommentar zum Thema Genmais verfaßte – der nun übrigens in Frankreich vorerst verboten bleiben soll –, führte dies zu einer kontroversen Leserdebatte. Das ist stets gut und auch Ziel des ganzen. In diesem Zusammenhang fielen mir aber einige teils polemische Abwehrreaktionen auf, die oft feststellbar sind, wenn ökologische Themen im konservativen Spektrum angesprochen werden. Frühmenschen, die „auf den Bäumen hocken“ und das Heraufdämmern von Skorbut wurden beschworen, wenn man sich statt Monsanto der grünen „Naturtümelei“ unterwerfe. Die Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen in die Natur wurde mit der Herstellung von sinnvollen Arzneien gleichgesetzt. So funktioniere jener Fortschritt nicht, hieß es. Ein Fortschritt, der offenbar als unhinterfragbares Axiom betrachtet wird.
Auch die Wachstumslogik wurde teils nicht in Frage gestellt. Stetem Bevölkerungswachstum müsse durch ständig neue technische Verfahren der Nahrungsmittelerzeugung und landwirtschaftliche Industrialisierung begegnet werden. Ein Umdenken erfolgt also vermutlich erst, wenn „Soylent Green“ auf den Küchentischen der Massen landet.
Bezogen auf die Gretchenfrage des Verhältnisses von Konservatismus zu Ökologie gibt es nun einmal zwei Arten von Gegnern – die aus dem gegnerischen Lager und jene aus dem eigenen.
Gegenüber der ökologischen Frage verschlossen
1. Zwei unterschiedlichen gegnerischen Interessengruppen ist daran gelegen, daß Konservative die ökologische Thematik brachliegen lassen. Einerseits haben die Vertreter internationaler Konzerne kein Interesse daran, wenn ihnen nun auch von rechts verstärkt auf die Finger geschaut wird. Andererseits wachen gerade Grün-Alternative und „antifaschistische“ Linke darüber, daß keine konservative Konkurrenz in dem von ihnen besetzten Feld wildert und das Monopol bei der ökologisch interessierten Wählerschaft ankratzt. Das Thema „Naturschutz“ soll links besetzt bleiben und auf keinen Fall an „braune Ökologen“ verlorengehen.
Durch mangelndes Problembewußtsein gegenüber diesem Gegner ließen sich so konservative Gegenentwürfe zu den Grünen, von der ÖDP bis zu den Unabhängigen Ökologen, verwässern und letztlich austrocknen. Und ein aktueller Versuch aus dem NPD-nahen Umfeld, das Magazin Umwelt & Aktiv, wird von Spiegel Online bis zum Verfassungsschutz massiv angegangen.
2. Zudem gibt es auch innerhalb des konservativen Spektrums eine Strömung, die sich der ökologischen Frage völlig verschließt, und die ich häufig als „Schein-Konservative“ bezeichne, da sie den ursprünglich liberalen und linken Fortschrittsgedanken verinnerlicht haben. Ein Bekannter beschrieb den „Schein-Konservativen“ einstmals anhand manch klassischen Republikaner-Wählers: „Diese Leute sind eigentlich völlig zufrieden. Sie wollen nur ihr Auto, ihren Fernseher, ihren Supermarkt, ihren Hamburger-Drive-Inn. Sie wollen überhaupt nichts ändern in diesem Land. Nur etwas weniger Kopftücher und Dunkelhäutige sollen auf der Straße herumlaufen.“
Alles hängt mit allem zusammen
Diese Strömung aber verkennt den tiefen Zusammenhang zwischen der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und der Zuwandererfrage. Der „Schein-Konservative“ ähnelt also dem Wutbürger, der zwar fünfmal im Jahr in Urlaub fliegt, sich aber aufregt, wenn die Flugzeuge über sein Eigenheim düsen. Oder der in der Familie vier Autos unterhält, dann aber die Parkplatznot kritisiert. Es ist das kleinbürgerliche Pendant zu jenen jungen Skinheads, die mich vor vielen Jahren einmal am Bahnsteig einer sächsischen Kleinstadt ansprachen und mit mir im Waggon einer Regionalbahn fuhren. Sie erzählten, daß sie sich zu ihrem Vaterland bekennen und schmissen im gleichen Atemzug ihre Getränkedosen aus dem Zugfenster. „Wenn du dein Vaterland wirklich liebst, würdest du dann einfach deinen Müll darauf werfen?“ fragte ich mich damals.
Der „Schein-Konservative“ übersieht, daß man nicht einen Baustein des bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystems isolieren kann. Die Dinge sind miteinander verwoben. Baut man mehr Autos und größere Flughäfen, wird es auch mehr Straßenverkehr und Flugaufkommen geben. Der Flughafen wird dann nicht nur dazu dienen, den Einheimischen einige Urlaubsflüge bequemer zu gestalten, sondern auch mehr Flüge in die andere Richtung ermöglichen. Solcherlei Zuzüge sind von der Wirtschaft erwünscht, führen zu mehr Neubauten, Autos, größeren Flughäfen. Und so weiter, bis irgendwann ein wirtschaftlicher Kollaps oder Einbruch der Lebensqualität stattfindet, die Wohlhabenden an andere Orte ziehen und irgendwann auch die Karawane das abgegraste Gelände teils wieder verläßt und weiterzieht.
Der „Schein-Konservative“ hat die bestehende Wirtschafts- und Lebensweise teils auch aus Bequemlichkeit verinnerlicht. Der immense Verbrauch an Energie und Rohstoffressourcen, Verpackungsmüll, Massentierhaltung: All das interessiert ihn nicht, so lange nur die Sprit- und Strompreise nicht steigen. Da ihn aber eigentlich mit diesem Land nichts verbindet als die Befriedigung der eigenen materiellen Ansprüche, bleibt ihm nur das Feindbild als Ausweg, um irgendeine Form des Deutsch-Seins fühlen zu können. Er muß „xenophob“ werden, da dies der einzige Zugang zu kollektiver Identität und Abgrenzung für ihn bleibt.
Visionäre Leere
Nun ist nichts gegen Abgrenzung zu sagen, aber wenn sich diese nur in der Ablehnung des Fremden an sich erschöpft, ist sie kulturell unschöpferisch, und sie birgt die Gefahr der aggressiven Entladung gegen die falschen Objekte in sich. Und der „Schein-Konservative“ vernebelt vor lauter Ressentiment seinen analytischen Blick. Er macht umgedreht das gleiche, wie Grüne und Linke, die alles Rechte ablehnen, bloß weil es von rechts kommt. Der „Schein-Konservative“ lehnt wiederum alles ab, was Grüne befürworten, selbst wenn es in Einzelpunkten vernünftige Ideen sind.
Hier liegt zudem einer der Gründe des Scheiterns heutiger Konservativer: Dort, wo die Grünen Visionen formulieren, herrscht bei Konservativen visionäre Leere. Sicher kann man die forcierte Energiewende in Deutschland kritisch sehen. Sie wurde überhastet und unzureichend geplant in Angriff genommen. Ihr Ausgang ist hinsichtlich der Versorgungssicherheit und Kosten ungewiß. Sie kann scheitern. Aber, und das ist ihr nicht zu unterschätzender strategischer Vorteil, sie verfolgt eine in der Bevölkerung positiv besetzte Vision einer Zukunft ohne Ressourcenverbrennung und Strahlengefahr.
Ihre Gegner haben hingegen außer dem Verweis auf die Kosten wenig mehr zu bieten, als das „Weiter so“ mit dem Verbrauch von Kohle, Öl und Gas und einer Kernenergie, die bis heute keine wirkliche Lösung für das Endlagerproblem des Abfalls hat. Die Ablehnung von Visionen ist längst konservatives Programm. Als ich im letzten Jahr meine neue Idee eines ungleichen Wahlrechts, des „Kumulations-Votums“, vorstellte, hatte ich in Diskussionen größte Mühe gegen die konservative Bedenkenträgerschaft. Neue Ideen, Visionen, die ja nur Versuche ohne Endgültigkeitscharakter darstellen, sind den aktuellen Konservativen fremd.
Maßhalten, Sparen, Umwelt und Heimat schützen
Auch die Diskussion des Klimawandels zeigte diese Leere. Daß eine Erwärmung stattfindet, ist aufgrund der Meßzahlen fast von niemandem bestritten. Der Streit geht allein darum, inwieweit das menschlich bedingte Verbrennen fossiler Stoffe dafür verantwortlich ist oder ob es sich nur um ein natürliches Phänomen handelt, auf das unser Tun keinerlei Einfluß hat. Zwar wissen wir, daß kein Tun auf der Erde folgenlos bleibt, und somit erscheint die Vorstellung seltsam, daß man innerhalb weniger Jahrzehnte der allgemeinen Motorisierung und industriellen Produktion zuvor über Millionen Jahre gebundenen Kohlenstoff in die Luft bläst, ohne daß dies zu irgendwelchen Folgen führt. Gleichwohl, den Beweis kann nur der wissenschaftliche Diskurs erbringen, weder Journalisten noch Leserbriefschreiber werden dieses Problem lösen.
Doch, wie auch immer, wurde die strategische Chance vertan. Wieder einmal setzten sich im rechten Spektrum die Bequemen durch. Dabei wäre die Klima-Diskussion eine gute Gelegenheit gewesen, konservative Werte nun mit erhöhter Brisanz in die Öffentlichkeit zu tragen: Maßhalten, Sparen, auf Folgen achten, Umwelt und Heimat schützen. Statt dessen versteifte man sich auf das „Weiter so“ und hoffte, den Grünen dadurch etwas auswischen zu können – mit allen gesellschaftlichen Folgen. So wird ein großes wertkonservatives Anhängerpotential dem Gegner überlassen und eine Chance auf aktive Zukunftsgestaltung schnöde ausgeschlagen.