In etwa zehn Tagen beginnt wieder die Fastenzeit. Eine Zeit, die gläubige Christen nutzen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie verzichten auf das, was sie verblendet, benebelt oder womöglich vom richtigen Pfad abbringen könnte. Der Grund: Sie wollen wieder zum Kern der Dinge zurückfinden und darin die Wahrheit entdecken. Sie wollen statt eines allumfassenden Relativismus wieder richtig und falsch unterscheiden können.
Wesentlich für die Christen war dabei immer, daß das Enthalten an sich keinen Eigenwert hat. Es sollte lediglich ein Stachel im Fleisch sein, der daran erinnert, die Prioritäten neu zu sortieren und den Blick vom eigenen Nabel auf Gott zu richten, um hören zu können, was er zu sagen hat.
Anders ist es heute, wo das Fasten zu einer Art Wellness-Programm geworden ist – am besten noch in Verbindung mit Meditation und fernöstlichem Gleichklang. Man soll sich und seine Gedanken leeren, um sich selbst etwas Gutes zu tun und, ja, um einfach mal leer und „offen“ zu sein. Die Frage ist, offen für was?
Der Unterschied zwischen dem heutigen Modefasten und dem eigentlichen christlichen Fasten mag auf dem ersten Blick gar nicht so groß sein. Schließlich geht es auch heute um Konzentration, Reinigung und um Abspecken, im weitesten Sinn des Wortes. Doch der Unterschied ist gravierend: Während beim einen der Blick geweitet wird und das Ich in den Hintergrund tritt, wird beim anderen der Blick noch tiefer auf den eigenen Nabel gerichtet.
Prediger sollen auch mal fasten
Ist es also ein Wunder, daß die mittlerweile nur noch wenig am christlichen Glauben orientierte Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auch beim Fasten auf eine zeitgeistliche Schiene geraten ist? Eine neue Initiative des Zentrums für evangelische Predigtkultur wirbt derzeit für „Sieben Wochen ohne große Worte“, was an das diesjährige Motto der Fastenaktion der EKD anknüpfen soll: „Selber denken – sieben Wochen ohne falsche Gewißheiten“.
Bei der Aktion soll in der Kirche auf „große Worte“ wie Auferstehung, Buße, Christus, Erlösung, Ewigkeit, Seele, Kreuz, Liebe, Unendlichkeit, Heil, Weisheit oder Leiden verzichtet werden. Der Grund: Prediger sollen auch mal fasten. Und zwar von diesen großen, angsteinflößenden Worten. Sie sollen versuchen, ohne sie auszukommen, weil diese Worte sowieso nur als „Platzhalter“ dienten, „aus denen die Inhalte längst ausgewandert sind“, heißt es auf der Internetseite der Initiative. Die Menschen sollten statt dessen lieber „selber denken“ – „ohne falsche Gewißheiten“.
Lästige Wörter wie Sünde und Schuld
Man muß sich das nur kurz vorstellen: Eine christliche Kirche ohne das Wort Christus. Statt dessen denkt jeder für sich, was ihm gerade so über Liebe einfällt. Denn Gewißheiten gibt es ja nicht. Ist alles subjektiv!
Eins muß man der EKD jedoch lassen: Sie hat gemerkt, daß diese Worte oftmals nur noch leere Worthülsen sind. Doch anstatt diese Erkenntnis als Mahnung aufzufassen, um den essentiellen Wörtern des christlichen Glaubens wieder ihren eigentlichen Sinn zu schenken, schafft die EKD sie lieber ganz ab. Ist auch bequemer so. Dann muß man sich auch nicht mehr mit solch lästigen Wörtern wie Sünde und Schuld auseinandersetzen. Böse Wörter, die Gewissensbisse verursachen und manches menschliche Verhalten sogar verurteilen.
Außerdem könnte man sich ja unbeliebt machen und die Menschen durch zuviel Profil vertreiben. Und das soll schließlich nicht sein. Inklusion statt Exklusion. Toleranz statt Intoleranz. Das alles folgt demselben Muster: Die EKD mutiert immer mehr zu einer Wellness-Kirche, mit Streicheleinheiten, Verwöhn-Garantie und Wohlfühl-Fasten. Dabei ist es egal, ob nebenbei auch der Kern weggefastet wird.